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Vorwort
Eine Stadt (von althochdeutsch stat ‚Standort‘, ‚Stelle‘; etymologisch eins mit Statt, Stätte; vgl. dagegen Staat) ist eine größere, zentralisierte und abgegrenzte Siedlung im Schnittpunkt größerer Verkehrswege
mit einer eigenen Verwaltungs- und Versorgungsstruktur. Damit ist fast jede Stadt zugleich ein zentraler
Ort. Städte sind aus kulturwissenschaftlicher Perspektive der Idealfall einer Kulturraumverdichtung und aus Sicht der Soziologie vergleichsweise dicht und mit vielen Menschen besiedelte, fest umgrenzte Siedlungen (Gemeinden)
mit vereinheitlichenden staatsrechtlichen oder kommunalrechtlichen Zügen wie eigener Markthoheit, eigener Regierung,
eigenem Kult und sozial stark differenzierter Einwohnerschaft. Das Letztere unterscheidet sie
von Lagern wie Arbeitslagern, Straflagern, Winterquartieren von Heeren, das Erstere zum Beispiel vom Dorf. Die
Wissenschaft, die sich mit der Erforschung der Stadt in ihren Facetten befasst, ist die Urbanistik. Je nach Größe, Bedeutung, Verbund oder Funktion einer Stadt unterscheidet man - nach der Größe in Landstadt, Kleinstadt, Mittelstadt, Großstadt, Millionenstadt, aber auch in Weltstadt, Megastadt, Metastadt, Stadtregion oder Ballungsraum, Megalopolis, Global City, Megaplex.
- nach der Entwicklung und Art unter anderem in Landstadt, Ackerbürgerstadt, Bürgerstadt oder Hansestadt,
Residenzstadt oder Bischofsstadt,
Universitätsstadt, Festungsstadt, Burgstadt, Seebäderstadt, Industriestadt, Kreisstadt, Bergstadt, Fachwerkstadt, Trabantenstadt, Satellitenstadt, Planstadt
Während etwa in Dänemark die Untergrenze der Bevölkerungszahl bei einer städtischen Siedlung bei 200 Einwohnern liegt, sind es in Deutschland und Frankreich 2000,
in Österreich 5000, in der Schweiz, Italien, Spanien und Großbritannien 10.000 und in Japan 50.000 Einwohner. Der Begriff Stadt ist rechtlich nicht eindeutig definiert, und so gibt es Gegenbeispiele: Die kleinste Stadt Deutschlands ist mit 278 Einwohnern (2014) Arnis. Es wurde 1934 zur Stadt ernannt, da die Ortsbezeichnung Flecken abgeschafft wurde. Die kleinste Stadt
mit altem Stadtrecht (verliehen 1326) ist Neumark in Thüringen mit 453 Einwohnern (2014). Andererseits haben unter anderem Haßloch mit über 20.000[1] und Seevetal
mit über 40.000 Einwohnern kein Stadtrecht.[2] Auch der Regierungssitz der Niederlande, Den Haag, ist pro forma
keine Stadt, obwohl er sogar über 500.000 Einwohner hat,[3] während Hum in Kroatien pro forma eine Stadt ist, die nur etwa 30 Einwohner zählt.
Mit der Planung von Städten beschäftigt sich die Stadtplanung und der Städtebau. Essenziell für das Funktionieren einer Stadt sind die Stadt- und Verkehrsplanung. Bebauungs- und Flächennutzungspläne beschäftigen sich mit der optimalen Abstimmung von privat, kommerziell und öffentlich genutzten Flächen, Gebäuden und Einrichtungen. Stadtentwicklungspläne geben die Richtung der Stadtentwicklung vor und können negative Auswirkungen gegenwärtiger Probleme und Trends wie Urbanisierung und Suburbanisierung durch geschickte Planung für die Zukunft minimieren.
Die Zahl der Städte nimmt zu, dies kann
durch Neugründungen oder Verleihung des Stadttitels geschehen. Typische Gründungsphasen sind Hochmittelalter, Barock (Residenz-/Festungsstädte) und das Industriezeitalter (Wolfsburg, Eisenhüttenstadt). Um 1800 lebten nur etwa 25 % der deutschen Bevölkerung
in Städten und 75 % auf dem Land, 2005 wohnt 85 % der Bevölkerung in der Stadt. Eine ähnliche Entwicklung ist in allen Industrienationen zu verzeichnen, in denen heute (2005) zwischen 61 % der Bürger, wie in Irland, und bis zu 97 %, wie
in Belgien in der Stadt wohnen. Weitere Angaben: Japan:
66 %, Österreich: 66 %, Italien:
68 %, Russland: 73 %, Schweiz: 75 %,
Frankreich: 77 %, Vereinigte
Staaten: 81 %, Vereinigtes Königreich: 90 %. Ausgesprochen niedrig ist der Anteil
an der städtischen Bevölkerung in einigen Entwicklungsländern. Auch hierzu einige Daten (2005): Afghanistan: 23 %, Äthiopien: 16 %,
Bangladesch: 25 %, Eritrea: 19 %,
Kenia: 21 %, Demokratische
Republik Kongo: 32 %, Laos 25 %, Niger
17 %, Ruanda 19 %, Sri Lanka 15 %,
Tansania: 24 %, Uganda: 13 %, Vietnam: 28 %. Folgende Anteile der städtischen Bevölkerung in % und im Vergleich dazu folgendes Bruttonationaleinkommen (BNE) in US-$ pro Kopf
waren 2004 in den Weltregionen zu verzeichnen:[4] Weltregionen | Bevölkerung
in % | BNE in US-$ | Afrika südl. der Sahara | 36 | 601 | Naher Osten und Nordafrika | 56 | 1971 | Südostasien | 28 | 594 |
Ostasien und Pazifik | 41 | 1416 | Lateinamerika | 77 | 3576 | Europa und Zentralasien | 64 | 3295 | Unterentwickelte
Welt | 27 | 333 | Welt | 49 | 6329 | Der Hauptgrund der Verstädterung ist der sich verändernde Anteil der Wertschöpfung in den einzelnen Wirtschaftssektoren und damit der Menschen, die dafür tätig sind (siehe Tabelle). Dazu folgende ausgewählte Länder im Vergleich:[5] Wirtschaftssektor | USA | Deutschland | Indien | Tansania |
I. Primär: Landwirtschaft | 1,6 % | 2,3 % | 59 % | 80 % | II. Sekundär: Industrie, Bergbau | 22 % | 30 % | 22 % | 9 % |
III. Tertiärer: Dienstleistung, Handel | 77 % | 68 % | 19 % | 11 % |
Urbanisierung in Europa 2010 In Deutschland wohnen wesentlich mehr Einwohner in Städten als im weltweiten Durchschnitt. Die Liste der Städte in Deutschland enthält eine vollständige Auflistung aller 2059 Städte in Deutschland. 2004 lebten 25,3 Millionen Einwohner (= 30 %) in 82 Großstädten über 100.000 Einwohner. Die elf Agglomerationsräume mit mehr als einer Million Einwohnern
(davon drei mit mehr als drei Millionen Einwohner) zählen allein rund 25,6 Millionen Menschen. In Österreich existierten im Jahr 2004 über 200 Städte, darunter fünf Großstädte einschließlich Wien, das als Agglomeration fast zwei Millionen Einwohner
aufweist, sowie 72 Städte, mit mehr als 10.000 Einwohnern (dazu Liste der Städte in Österreich).
In der Schweiz gab es 2010 rund 230 Städte, darunter sechs Großstädte und 139 Städte mit mehr als 10.000 Einwohnern (dazu Liste der Städte in der Schweiz). In Europa (bis zum Ural) befanden sich (2004) etwa 17 Agglomerationen mit mehr
als drei Millionen Einwohnern und etwa 35 Städte mit mehr als einer Million Einwohnern (dazu Liste der größten Städte der Europäischen Union). Weltweit existieren (2006) über 134 Agglomerationen mit mehr als drei Millionen Einwohnern, mehr als 62 Städte mit mehr als 3 Millionen
Einwohnern und über 310 Städte mit mehr als einer Million Einwohnern. Seit dem Jahr 2006 wohnt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, während 1950 noch 70 % auf dem Land lebten. Nach Prognosen der UNO wird der weltweite Anteil der städtischen Bevölkerung bis 2030 auf über 60 % steigen (siehe Liste der größten Metropolregionen der Welt). Ihre Einwohnerschaft ist oftmals ethnisch,
sprachlich, sozial, kulturell, konfessionell sehr vielfältig. Hauptmarkt in Trier
mit Marktkreuz; Trier erhielt im Jahr 958 das Marktrecht. Der historische Stadtbegriff, der sich in Europa aus dem mittelalterlichen Stadtrecht herleitet, hatte als wesentliche Merkmale das Marktrecht, das Recht auf Selbstverwaltung, die Freiheit der Stadtbürger, das Recht auf Besteuerung,
der Gerichtsbarkeit, die Aufhebung der Leibeigenschaft, das Zollrecht, das Recht zur Einfriedung und Verteidigung sowie das Münzrecht. Im heutigen deutschen Sprachraum gibt es kein Stadtrecht mehr im eigentlichen Sinne, d. h. die Selbstverwaltung
in den Städten regeln staatliche Grundsätze und Ländergesetze. Bei den Gemeindeordnungen in Deutschland
handelt es sich um Landesgesetze, die jeweils vom Parlament eines Bundeslandes erlassen werden. Die Gemeindeordnung ist die „Verfassung“ einer Gemeinde. Die Bezeichnung Stadt ist ein Titel. Titularstadt nennt man eine Gebietskörperschaft, die formell den Titel Stadt trägt und in der Regel eine eigenständige Gemeinde ist, der jedoch mehrere Elemente einer Stadt fehlen. Titularstadt wird gelegentlich
– in Nichtübereinstimmung mit der historischen Bedeutung – ein Ort genannt, der im Zuge einer kommunalen Neugliederung das Stadtrecht verloren hat, z. B. im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt.[6] In Einzelfällen wird der Zusatz aus
historischen Gründen oder zur Differenzierung von anderen Orten als Teil des Namens geführt. Auch heute noch ist das Überschreiten einer bestimmten Einwohnerzahl in den meisten Ländern nicht automatisch mit der Erhebung zur Stadt
verbunden, sondern es bedarf eines ausdrücklichen Beschlusses einer höherrangigen Gebietskörperschaft – in Deutschland und Österreich ist dies das jeweilige Bundesland. Im Bundesland Oberösterreich wird seit 2002 als einziges
Kriterium eine Bevölkerungszahl von über 4500 gefordert. In Deutschland gibt es mit dem Deutschen Städtetag
eine eigene Organisation,[7] in Österreich wird mit der Statutarstadt auch eine Verwaltungsfunktion festgelegt. In den USA erfolgt der Erwerb von Stadtrechten über die Anerkennung einer eigenständigen
Stadtverwaltung durch die nächsthöhere Verwaltungsorganisation. Eine Gemeinde gründet sich hierbei selbst und meldet die Selbstverwaltung als Municipal Corporation an. In Deutschland unterscheidet man rechtlich Alle zusammen, auch die kreisfreien Städte,
sind Gemeinden. - kreisfreie Städte, das sind solche Städte, die keinem Landkreis angehören. Sie bilden sozusagen einen eigenen Kreis. Im Gegensatz zu kreisangehörigen Städten haben kreisfreie Städte zusätzliche Aufgaben. So sind sie unter anderem untere staatliche Aufsichtsbehörde
oder Aufgabenträger für den öffentlichen Nahverkehr. Diese Aufgaben werden bei Gemeinden (und damit auch kreisangehörigen Städten) von den Landkreisen wahrgenommen.
Auf amtlichen topografischen Karten Deutschlands werden Städte in Versalien beschriftet. Diese Konvention wurde weithin von Herstellern
von Straßenatlanten übernommen, jedoch in den digitalen Kartenangeboten nicht mehr fortgeführt.
In Österreich unterscheidet man zwischen Städten mit eigenem Statut (sind Gemeinden die zugleich
die Aufgaben eines Bezirkes übernehmen) und sonstigen Städten (sind Gemeinden, die zu einem Bezirk gehören). Eine Stadt mit eigenem Statut ist meist auch Sitz der Bezirkshauptmannschaft des Umland-Bezirks, der auch in den meisten Fällen so heißt (zum Beispiel Innsbruck Stadt und Innsbruck Land). Heute kann jede Stadt mit mehr als 20.000 Einwohnern ein eigenes Statut anfordern.
Eine der kleinsten Städte überhaupt ist das niederösterreichische Hardegg: mit allen eingemeindeten
Orten hat es 1384 Einwohner, die eigentliche ursprüngliche Stadt jedoch nur 78. Die tatsächlich kleinste Stadt Österreichs ist Rattenberg
mit 405 Einwohnern. In der Schweiz gelten Ortschaften dann als Stadt, wenn sie entweder mehr als 10'000 Einwohner haben (Stadt im statistischen Sinne) oder wenn ihnen im Mittelalter das Stadtrecht verliehen wurde (Stadt im historischen Sinne). Verwaltungsrechtliche
Bedeutung hat der Begriff Stadt in der Schweiz nicht. In den Niederlanden ist der Stadtbegriff nicht an den Gemeindestatus gebunden. So werden oft Zentren von Großstädten und eingemeindete Orte aus historischen Gründen weiterhin als
Städte bezeichnet. Im Vereinigten Königreich unterscheidet man zwischen City und Town.
Ein Ort darf erst dann als City bezeichnet werden, wenn die Königin oder der König diese zu einer solchen ernennt. In der Regel vergibt der Monarch diesen Titel erst dann, wenn die Siedlung eine Kathedrale besitzt. Die Großstadt Stockport ist beispielsweise keine City, sondern Town, wohingegen die Stadt Sunderland eine City ist. Der Verwaltungsbezirk Greater London ist keine City, aber innerhalb dieser Gebietskörperschaft
gibt es die City of London und die City of Westminster. In Schweden ging man bei der Gemeindereform von 1971 einen anderen Weg. Die Begriffe
Stadt (stad) und Minderstadt (köping) wurden aus der verwaltungstechnischen Terminologie gestrichen und durch Ortschaft
(tätort) ersetzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch existiert die Bezeichnung stad für größere Siedlungen aber
weiterhin. Der Begriff Siedlungsstruktur beschreibt die Struktur der menschlichen Siedlungen. Darin ist die Verteilung der Bevölkerung
im Raum, die Art und Dichte der Bebauung, Nutzungen, Infrastruktur und zentrale Einrichtungen enthalten.[8] Eine grundlegende Theorie zur Verteilung zentraler Nutzungen im Raum stammt von Walter
Christaller. Anhand von Untersuchungen in Süddeutschland entwickelte er 1933 die Zentrale-Orte-Theorie.
„Zentrale Orte“ besitzen einen Bedeutungsüberschuss: Sie sind Standort von Angeboten (zum Beispiel Einkaufsmöglichkeiten), die nicht nur von den eigenen Bewohnern, sondern regelmäßig auch von Einwohnern der Nachbargemeinden
genutzt werden. Christaller entwickelte ein hierarchisches System zentraler Orte mit zehn Stufen. Orte höherer Hierarchie-Stufe besitzen weitere solcher Einrichtungen: Eine Großstadt besitzt nicht nur Einkaufsmöglichkeiten, sondern häufig
auch eine Universität und spezialisierte Kliniken, die ein weiteres Umfeld versorgen. Das heute von der Raumordnung und Landesplanung genutzte System zentraler Orte besitzt (je nach Bundesland) vier bis fünf Stufen.[9] Die Siedlungsstruktur wird entsprechend dem föderalen Staatsaufbau in Deutschland auf mehreren Ebenen geplant:[10] - Raumordnung (auf Bundesebene insbesondere durch das Raumordnungsgesetz ROG)
- Landesplanung
(umfassen das Bundesland, werden vom Landtag beschlossen)
- Regionalplanung (umfassen in Nordrhein-Westfalen Teile der Regierungsbezirke, in Süddeutschland mehrere Landkreise, beschlossen von der Regionalversammlung)
- Flächennutzungspläne
(umfassen die Gesamtfläche einer Kommune, werden vom Stadt- oder Gemeinderat beschlossen).
Die
Strukturen einer Stadt bestehen aus baulichen Elementen und aus Netzen. Sie müssen auf die Ausweitung und auf die Änderungen der Kapazitätsanforderungen der Stadt durch Ergänzungen, Komplettierungen oder Korrekturen angepasst werden. Lage,
Bevölkerungsveränderungen, Bauwerke, Verkehrsstruktur, Netzwerke und Geschichte bestimmen und formen die Stadtentwicklung und die Eigenart der Stadt. Die baulichen Elemente einer Stadtstruktur sind: Die Stadt als Teil von Netzwerken: - Räumlich: Umland,
andere Städte, Regionen, Land und
Länder, ggf. auch Europa oder die Welt.
- Funktional: Wirtschaft, Finanzwirtschaft, Handel, Politik, Soziales, Kultur, Sport usw.
- Politisch: Ortsteil- oder Stadtteilbeirat, ggf. Bezirksrat, Stadtrat, Kreis, ggf. Regierungsbezirk, Land,
Staat, Europäische Union.
- Bevölkerungsspezifisch: Abstammung und Sprache, Religion, Soziale Schicht, Lebensalter.
Städte entwickelten sich, je mehr Überschüsse ihre Bewohner durch ihre Arbeit erwirtschafteten. Dies führte zu immer weiterer
arbeitsteiliger Spezialisierung ihrer Bewohner und zur Herausbildung typisch städtischer Tätigkeiten, etwa des Handels und des Handwerks. Durch den Tausch der selbst angebotenen
Ware oder Dienstleistung gegen die von anderen entstand eine städtische Ökonomie, die sich in ihrer Komplexität erheblich von der ländlichen unterschied. Die städtischen Funktionen, etwa der Handel mit anderen Regionen oder
die Funktion als zentraler Ort für ein ländliches Umland, verlangen eine möglichst günstige Einbindung der Stadt in ihre Umgebung. Deshalb wurden die meisten Städte an sorgfältig ausgewählten Standorten gegründet, etwa
an Kreuzungen bereits bestehender Handelsstraßen, an Flussübergängen oder an sturmgeschützten Meeresbuchten. Zur verkehrlich-wirtschaftlichen Bedeutung des Standorts kam häufig auch eine militärische, etwa um den Verkehr auf
einer wichtigen Route kontrollieren zu können. Die wichtigste Änderung städtischer Entwicklung brachte
die Industrialisierung. Durch den Bau der Eisenbahnen wurde die Verkehrszentralität von Städten neu definiert. Bisher eher abseits liegende Städte, die viele Bahnlinien an sich ziehen konnten, wurden zu wichtigen Zentren, andere Städte gingen den entgegengesetzten
Weg. Die industrielle Revolution stellte die jeweiligen städtischen Ökonomien auf völlig neue Grundlagen. Städte, die sich der Ansiedlung von Industrie öffneten, wuchsen aufgrund des Arbeitskräftebedarfs der Fabriken rasch an;
Städte, die sich der Entwicklung verschlossen, blieben in ihrem Wachstum zurück. Die städtebauliche Entwicklung sprengte die engen Grenzen der vorindustriellen Stadt, die Einrichtung innerstädtischer Verkehrssysteme wurde erforderlich.
Dieser Prozess wurde im 20. Jahrhundert durch eine bis heute anhaltende Entwicklung abgelöst: die Suburbanisierung, die bisher
kompakte Stadt verliert Potentiale an das Umland. Bedingung hierfür war das Entstehen einer breiten Mittelschicht, die Eigenheime
oder Reihenhäuser außerhalb der Stadt errichtete, sowie die Massenmotorisierung und ein besseres Bahnnetz, zum Überwinden größerer Distanzen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. Die weiterhin anhaltende Suburbanisierung hat ökonomische, ökologische
und soziale Folgen, etwa die Zersiedelung bisher unbebauter Räume, das anhaltende Wachstum des Autoverkehrs und bedingt auch eine soziale Entmischung der Bevölkerung. Durch eine Entwicklung der Stadterneuerung mit politisch und baulich gestärkten dezentralen oder subzentralen Stadtbezirken oder Stadtteilen wurde dem Prozess der Suburbanisierung begegnet. Die Stadt gewinnt wieder an Bevölkerung und Kraft.
Unregelmäßige Morphologie ( Algier) Die entwicklungsgeschichtlichen Unterschiede bedingen den Unterschied in der äußeren
Gestalt von Städten sowie ihrer jeweiligen sozialen und funktionalen Struktur. Seit den Anfängen städtischer Siedlungsentwicklung (Urbanisierung) vor achttausend Jahren sind vor allem baulicher Grund- und Aufriss (oder Ansicht und Stadtbild,
siehe unten) der Städte durch eine fortwährende Entwicklung und Veränderung gekennzeichnet. Dabei findet das siedlungsbezogene Planungs- und Gestaltungshandeln der Menschen seinen Ausdruck in jeweils spezifischem Stadtgrundriss und Stadtbild,
die allerdings zugleich auch die jeweilige technologische Machbarkeit repräsentieren. Sehr früh entstehen nach den Himmelsrichtungen nord-süd- oder ost-west-ausgerichtete rechtwinklige Straßenraster und Stadtgrundrisse (zum Beispiel
altchinesische Städte, z. T. alt-amerikanische Städte). Ebenso bilden sich kreisrunde (zum Beispiel Bagdad), aber genauso Städte mit unregelmäßigem, sich dem Gelände anpassendem Umriss (zum Beispiel alt-griechische und organisch
gewachsene deutsche mittelalterliche Städte). Jericho (ab 9000 v. Chr.) war nach biblischer Überlieferung offensichtlich eine der ersten Städte mit Stadtmauer. Hingegen besaßen die Städte des alten Kreta keine Stadtbefestigung und
wurden um 2000 v. Chr. Opfer einfallender Kriegerscharen der Völkerwanderungen. Regelmäßige Straßenraster sowie unregelmäßige Straßengrundrisse in einer Stadt erfahren im Lauf der Geschichte eine Abstufung in Haupt-
und Nebenstraßen sowie Trennung in Fußgänger- und fahrenden Verkehr. Weiterhin entstehen im Straßennetz zentrale Plätze und besonders ab dem 19. Jahrhundert ausgesparte Baublöcke für allgemein öffentlich zugängige
Parks. Wenn die Stadt beispielsweise von einem mächtigen Herrscherbau, einem überragenden kultischen Bauwerk (zum Beispiel Tempel) oder einer beherrschenden Wirtschaftsfunktion (zum Beispiel einem Hafen) stark abhängt, entsteht dort der hauptsächliche
Platz, zu dem sich zumindest alle Haupt-, manchmal auch Nebenstraßen und alle Bebauung ausrichten. Das ganze Straßennetz und die gesamte Stadtbebauung laufen dann sternförmig auf dieses Stadtzentrum zu, zum Beispiel auf das barocke Schloss
wie in Karlsruhe. Bei Hafenstädten verlagert sich das Stadtzentrum von der Stadtmitte zum Hafen hin wie bspw. in Alexandria (Ägypten) und Hamburg (Deutschland). Der Traum von einer Idealstadt als stadtplanerische Vorstellung einer Stadt, die unter einheitlichen Gesichtspunkten wie wirtschaftlicher,
gesellschaftlicher und politischer Organisation entworfen werden kann, war und ist eine soziale und ästhetische Utopie. Es gilt: „Die Stadt lebt!“ Für den mitteleuropäischen Raum lassen sich historisch bis zum 18. Jahrhundert allgemein vier verbreitete Stadtgrundrisstypen unterscheiden, abzüglich solcher
meist topographisch begründeter Sonderformen wie zum Beispiel der Ville enveloppéé:[11] - Straßenmarkttyp, auch Langzeilentyp, rein linear
mit einer Straße (Wik) oder erweitert zum Parallelstraßentyp (Beispiele: Bern, Lemgo)
- Querrippentyp, auch in Abwandlung als Fischgrätentyp (Beispiele: Prenzlau, Lübeck)
- Quadratrastertyp, auch Rechtecktyp, planmäßig
angelegt seit der Antike
- radial-konzentrischer
Typ, radähnlicher Aufbau, in der Regel keine Planstädte (Nördlingen, Soest)
Diese Stadtgrundrisstypen können in einer Stadt auch kombiniert auftreten. Ein bauhistorisch bekanntes Beispiel für eine solche Kombination mehrerer Grundrisstypen ist Hildesheim. Im Stadtbild, in der Ansicht oder in der Höhe ragen Städte heraus, zuerst aufgrund von Türmen (Zikkurat, so
der Turm zu Babel, Babylon, oder die mittelalterlichen Kirchtürme), besonders jedoch ab dem 19. Jahrhundert, d. h. der Industrialisierung, der Erfindung des Aufzugs (Lift) und dem Beginn des Hochhausbaus, wie etwa ab 1870–1880 Chicago und New
York sowie heute Shanghai oder Frankfurt (Main). Lehm, Stein und Holz finden sich als Baustoff seit der Vor- und Frühgeschichte sowie heute Beton, Stahl und Kunststoffe. Wichtige Bauten liegen meist auf den hervorgehobenen Stellen (Anhöhen, zentrale
Plätze), sind aus den dauerhafteren Materialien (zum Beispiel Stein, während die einfachen Häuser aus Lehm oder Holz sind) sowie künstlerisch am anspruchsvollsten gestaltet. Stadtviertel bilden sich hierarchisch, d. h. die Oberschicht wohnt geräumig in den natürlich günstigen Stadtgebieten (mit
viel Platz auf stabilem und gesundem Baugrund und angenehmem Stadtklima), untere Bevölkerungsschichten eng beieinander in den weniger günstigen
Stadtgegenden (mit wenig Wohnraum auf eventuell sumpfigem Boden und schlecht durchlüfteter Umgebung, zum Beispiel in den Mietskasernen und Hinterhöfen Berlins, der um 1900 am dichtestbewohnten Stadt der Welt, Manhattans Lower East Side bis
zum Ersten Weltkrieg oder in Hongkong nach dem Zweiten Weltkrieg). Oder Stadtviertel entstehen getrennt nach Berufen und Funktionen wie bestimmte Handwerkerviertel, Geschäftsviertel, Industrieviertel, Hafenviertel usw. Auch bilden sich Stadtviertel nach
Herkunft ihrer Bewohner, zum Beispiel in Jerusalem Armenier-, Christen-, Moslemviertel, oder in New York China Town, Harlem oder Spanish Harlem.
| Babylon, Ur und Uruk auf der Karte des Irak | Lübeck: Innenstadt (Altstadt) Xi'an: Krone der Stadtmauer Die historisch bedeutenden sowie zugleich oft ältesten
Städte entsprechen den Metropolen der bedeutenden Epochen der Menschheitsgeschichte und sind dort archäologisch oder überliefert nachweisbar. Diese Städte hatten teilweise schon mehrere zehntausend bis um eine Million Einwohner und waren
die größten ihrer Epoche. All jene Städte weisen mehr oder minder die zuvor dargestellten Merkmale bezüglich Stadtgrundriss und Stadtbild, Stadtviertel und Sozialstruktur auf, jedoch in besonderen, in weiterführender Literatur einzeln
beschriebenen Ausprägungen. Darauf wird hier aber nicht eingegangen. Historisch bedeutende Menschheitsepochen sind: die jüngere oder endende Steinzeit in Klein- und Vorderasien (Türkei bzw. Israel und Palästina, ab etwa 9000 v. Chr.);
Mesopotamien (ab etwa 5000 v. Chr.); Alt-Vorderasien (ab etwa 3000 v. Chr.); Alt-Ägypten (ab etwa 2500 v. Chr.); Phönizien (ab Mitte des 2. Jahrtausend v. Chr.); Alt-Iran (ab etwa 1000 v. Chr.); Alt-Griechenland (ab etwa 1000 v. Chr.); Hellenismus
(ab etwa 400 v. Chr.); Römisches Reich (ab etwa 200 v. Chr.); Byzantinisches Reich (ab etwa 600); die mittelalterliche Hanse (ab ca. 1200); Renaissance (ab etwa 1400); die Islamische Expansion (ab etwa 650); Alt-Indien (ab etwa 4000 v. Chr.); Indisches
Mittelalter (ab etwa 600); Alt-Südostasien (ab etwa 500); Alt-China (ab etwa 1000 v. Chr.); Mongolische Reiche (ab 1190); Alt-Japan (ab etwa 300 v. Chr.); Alt-Amerika (ab etwa 300 v. Chr.). Beispiele historisch bedeutender Städte nach genannten Epochen
sind: - Jüngere oder endende Steinzeit in Klein- und Vorderasien (ab etwa 9000 v. Chr.)
- Jericho (ab etwa 9000 v. Chr., heute Palästina)
- Çatalhöyük (ab etwa 7000 v. Chr., heute Türkei)
- Mesopotamien (ab etwa
5000 v. Chr.)
- Susa (ab etwa 4000 v. Chr., heute Iran)
- Eridu (ab etwa 4500 v. Chr., heute Irak)
- Uruk (ab etwa 3500 v. Chr., heute Irak)
- Akkad (spätes 3. Jahrtausend v. Chr., heute Irak)
- Ur (ab etwa 2500 v. Chr., heute Irak)
- Assur (ab 3. Jahrtausend v. Chr., heute Irak)
- Babylon (ab etwa 1800 v. Chr., heute Irak)
- Alt-Vorderasien (ab etwa 3000 v. Chr.)
- Troja (ab
etwa 3000 v. Chr., heute Türkei)
- Milet (ab 3. Jahrtausend v. Chr., heute Türkei)
- Hattuscha (ab dem 17. Jh. v. Chr., heute Türkei)
- Byblos (ab 3. Jahrtausend v. Chr., heute Libanon)
- Jerusalem (ab etwa 1850 v. Chr., heute Israel)
- Alt-Ägypten (ab etwa 2500 v. Chr.)
- Memphis (Altes Reich, ab etwa 2500 v. Chr.)
- Theben (das „hunderttorige Theben“, ab etwa 1500 v. Chr.)
- Phönizien (ab Mitte des 2. Jahrtausend v. Chr.)
- Tyros
(ab Mitte des 2. Jahrtausend v. Chr., heute Libanon)
- Karthago (ab dem 9./8. Jh. v. Chr., heute Tunesien)
- Alt-Iran (ab etwa
1000 v. Chr.)
- Alt-Griechenland (ab etwa 1000 v. Chr.)
- Korinth (ab dem 10. Jh. v. Chr.)
- Athen (ab dem 7. Jh. v. Chr.,
Blüte ab etwa 500 v. Chr.)
- Hellenismus (ab etwa 400 v. Chr.)
- Römisches Reich (ab etwa 200 v. Chr.)
- Byzanz (ab dem 7. Jh. v. Chr.)/Konstantinopel (ab 337, heute Türkei)
- Rom (ab 753 [?] – vmtl. ab dem 7. Jh. v. Chr., heute Italien)
- Trier (ab etwa 30 v. Chr., heute Deutschland)
- Colonia Claudia Ara Agripinensum/Köln (ab 50 n. Chr., heute Deutschland)
- Byzantinisches Reich (ab etwa 600)
- Konstantinopel (Blüte ab etwa 600, später Osmanisches Reich: Istanbul, heute Türkei)
- Thessaloniki (ab 315 v. Chr., Blüte ab etwa 600 als Zweitregierungssitz
neben Konstantinopel, heute Griechenland)
- Europäisches Mittelalter (ab etwa 500)
- Prag (ab etwa 1230, heute Tschechien)
- Köln (um 1180 größte deutsche Stadt, hatte neben Jerusalem, Konstantinopel und Rom den Titel Sancta im Namen)
- Lübeck
(Hauptort der Hanse ab 1227)
- Gent (ab 11. Jh., heute Belgien)
- Paris (ab 12. Jh.)
- Mailand (Hauptstadt des Lombardischen Bundes, ab 1167, heute Italien)
- Venedig (ab 998, heute Italien)
- Renaissance (ab 15. Jh.)
- Venedig (besonders ab 1402, heute Italien)
- Florenz (ab 15. Jh., heute Italien)
- Islamische Expansion (ab etwa 650)
- Alt-Indien (ab etwa 4000 v. Chr.)
- Indisches Mittelalter (ab 7. Jh.)
- Alt-Südostasien (ab etwa 500)
- Alt-China (ab etwa 1000 v. Chr.)
- Mongolische Reiche (ab 1190)
- Alt-Korea (ab etwa 2300 v. Chr.)
- Alt-Japan (ab etwa 300 v. Chr.)
- Alt-Amerika (ab etwa 300 v. Chr.)
- Teotihuacán (ab etwa 100 v. Chr., heute Mexiko)
- Monte Albán (ab etwa Chr. Geb., heute Mexiko)
- Tikal (ab 2. Jh., heute Mexiko)
- Calakmul (ab etwa 500, heute Mexiko)
- Tōllān Xicocotitlān (Tula) (ab 10. Jh., heute Mexiko)
- Tenochtitlan (ab 14. Jh., heute Mexiko)
- Tiahuanaco (ab etwa 300 v. Chr., heute Bolivien)
- Huari/Wari (ab etwa 600, heute Peru)
- Chan Chan (ab etwa 1000, heute Peru)
- Cusco (ab etwa 13. Jh., heute Peru)
Die neuzeitlich größten Städte und Stadtregionen (ab etwa 1500)[Bearbeiten | Quelltext
bearbeiten] New York: Midtown und Lower Manhattan Santiago de Chile: Stadtzentrum Die Menschheit verteilte und verteilt sich nicht gleichmäßig über die Erde, sondern ballt sich in gemäßigten oder küstennahen Erdregionen, historisch
ausgehend von den günstigen Naturräumen wie Flusstälern, buchtenreichen Küsten, klimatisch angenehmen Hochebenen in Tropen und Subtropen. Die Bevölkerungsdichte ist von jeher ein gewichtiger Ausdruck allgemeiner und besonders wirtschaftlicher
Leistungskraft. Dabei fällt jedoch auf, dass die meisten Über-Zehn-Millionen-Städte in Schwellenländern liegen, allerdings solchen mit überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Zuwachsraten wie in China und Indien. Nachfolgend aufgezählte
Städte sind die größten neuzeitlichen (ab etwa 1500) und gegenwärtigen Städte bzw. dichtest besiedelten Stadtregionen. Sie haben in unserer Gegenwart oft weit über zehn Millionen Einwohner, stellen die derzeit globalen bedeutendsten
Wachstumszentren dar und vereinigen oft fünfzig und mehr Prozent der gesamten Ressourcen (Bevölkerung, Energie usw.) und der Wirtschaft des Staates, in dem sie liegen, auf sich; z. B. Mexiko-Stadt (etwa sechzig Prozent der mexikanischen Ressourcen
und Wirtschaft), Buenos Aires (etwa 50 % der argentinischen Ressourcen und Wirtschaft) oder Seoul (Südkorea). Besonders seit den 1990er Jahren, mit der sogenannten Globalisierung, überschritten die Einwohnerzahlen dieser Stadtregionen
rasant die Zehnmillionengrenze. Andere Riesenstädte mögen folgen, wobei China (ähnlich: Indien) trotz seines Verstädterungsgrades von erst um dreißig Prozent, aber mit bereits mehr als zwanzig Städten über fünf Millionen
Einwohnern, die sich rasch der Zehnmillionengrenze nähern, jegliche bisherigen Dimensionen sprengt. Die meisten Über-Zehn-Millionen-Städte hat Asien, die meisten Menschen in Städten leben jedoch in Lateinamerika. Die größten
globalen Stadtregionen sind: - Europa:
- Asien:
- Afrika:
- Amerika:
- Australien/Ozeanien:
Griechische und phoenikische Kolonisation Die abendländische Stadt hat ihre Wurzeln in der griechisch-römischen Kultur der Antike. Die Kultur der Polis im antiken Griechenland, 800–338 v. Chr., (Sparta, Korinth, Athen) verbreitete sich nach Kleinasien (Milet, Ephesos) und bis zur
Krim, nach Megale Hellas („Großgriechenland“), d. h. Sizilien (Syrakus) und Unteritalien
(Tarent), ferner nach Südfrankreich (Marseille), nach Nordafrika (Kyrene) und später im Hellenismus im gesamten Orient.
Im Rahmen der griechischen Kolonisation bestanden in der Regel zwischen der Neugründung und der Mutterstadt kultische und politische Bindungen, etwa von Syrakus zur Mutterstadt Korinth (vgl. hier zum Beispiel Timoleon). Vergleichbare Entwicklungen machten auch nicht-griechische (phönizische, etruskische, latinische) Stadtstaaten
durch, typische Beispiele dafür sind Karthago, Veii oder Rom.
Im Imperium Romanum kam es vor allem in Westeuropa, aber auch in der römischen Provinz
Africa sowie auf dem Balkan, zu einem Urbanisierungsschub (der östliche Mittelmeerraum war bereits vorher stark städtisch geprägt). Als Blütezeit
der antiken Stadt kann man das 1. bis 3. Jahrhundert sehen, viele antike Ruinen datieren aus dieser Zeit. Rom hatte in dieser Epoche eine differenzierte Stadtstruktur mit fast 1.000.000 Einwohnern. Eine Stadt kann bestimmt sein durch ihre Hauptfunktion,
staatsrechtliche und religiöse Rolle, sowie durch die Art, wie die Stadt Zugang zur römischen Welt gefunden hat. Des Weiteren lassen sich Orte darin unterscheiden, ob sie rituell gegründet wurden oder nicht. Mit ritueller Gründung sind
Oppidum und Colonia (Rom). Ohne rituelle
Gründung sind Vicus und Municipium.[12] Römerstädte in Deutschland entstanden vornehmlich an Rhein und Donau, vor allem
aus Legionslagern: Castra Regina (Regensburg),
Augusta Vindelicorum (Augsburg), Confluentes (Koblenz),
Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln), Augusta Treverorum (Trier), Mogontiacum (Mainz),
Sorviodurum (Straubing) und Colonia
Ulpia Traiana (Xanten). In Österreich entstanden viele Römerstädte aus Legionslagern am Donaulimes, aber auch im Landesinneren: Vindobona (Wien) und Carnuntum bei Wien, Iuvavum (Salzburg), Lauriacum
auf dem Stadtgebiet von Enns, Virunum bei Klagenfurt, Teurnia bei Spittal an der Drau sowie Flavia Solva
bei Leibnitz. In der Schweiz sind folgende Römerstädte nachgewiesen: Augusta Raurica (Kaiseraugst), Aventicum (Avenches), Iulia Equestris/Noviodunum (Nyon) und Forum Claudii Vallensium
(Martigny). Die frühesten Wohnhäuser in den germanischen Provinzen waren Holzbauten mit verputzen Wänden, ab der Mitte des 1. Jh. n. Chr. jedoch durch Bauten mit Steinfundamenten ersetzt. Die Struktur dieser römischen
Stadt war hoch entwickelt und wurde im Laufe der Stadtgründung bei der Limitation (Vermessung) festgelegt. Ein charakteristisches
Merkmal war das „Schachbrettmuster“ als Planstadt, welches aus den sich rechtwinklig schneidenden Straßen resultierte, die meist
von einer Stadtmauer umschlossen waren. Bei Municipia, Civitas Hauptstädten oder Vici wurde das „Schachbrettmuster“ der Straßen nicht grundsätzlich angewandt. Die Regelmässigkeit im Straßenbild ergab sich hier durch die
Anlage der Straßen im rechten Winkel zu der Hauptdurchgangsstraße. Den Mittelpunkt einer römischen Stadt bildete der Schnittpunkt
der von Ost nach West verlaufenden Hauptstraße (decumanus maximus) und der Nord-Süd-Achse (cardo maximus). Hier befand sich das Forum,
wo sich der Großteil des politischen, religiösen und wirtschaftlichen Lebens abspielte. Des Weiteren wurde dort die Gerichtsbarkeit ausgeübt. Meist schloss sich an das Forum die Basilika an, in der öffentliche Versammlungen stattfanden. Zudem wurden in der Nähe des Forums noch das Kapitol
(der Haupttempel) und für das öffentliche Leben wichtige Bauten, wie zum Beispiel Theater und Thermen errichtet. Um dieses Zentrum herum befanden
sich die Wohnviertel (insulae), die zunächst meist aus einstöckigen Einzelwohnhäusern bestanden. Später kamen in den ärmeren Stadtvierteln auch mehrstöckige Mietshäuser hinzu. Zwischen ihnen lagen weitere Gebäude,
wie der Zirkus, eine von Sitzreihen flankierte Rennbahn, oder kaiserliche bzw. Verwaltungspaläste. Bei der rituellen Neugründung einer Stadt wurde nach dem ritus etruscus, nach Vorbild der Gründung Roms, vorgegangen. Zuerst wurde
das augurium (Augur) eingeholt und der Ort bestimmt. Danach wurde der „Nabel der Stadt“ der mundus, eine Opfergrube, ausgehoben
und mit Opfergaben gefüllt. Als Nächstes wurde das Pomerium gezogen, als äußere Grenze der Stadt mit ritueller Bedeutung. Das Pomerium
wurde von einem Bronzepflug, mit einem weißen Stier und einer weißen Kuh vorgespannt, gezogen. Die Erdschollen fallen nach innen und symbolisieren den murus, die Furche symbolisiert den Graben. An den Torstellen wurde der Pflug ausgesetzt und hinübergetragen,
sodass die Straße die heilige Grenze nicht verletze. Danach wurde die Vermessung der Stadt, die Limitatio, durchgeführt und die zwei Hauptachsen der Stadt, der decumanus maximus in West-Ost-Ausrichtung und der cardo maximus in
Nord-Süd-Ausrichtung, festgelegt. Zuletzt wurde die Stadt geweiht.[13] Auch sanitär waren die Städte der Antike fortschrittlich: die Wasserversorgung wurde durch über- und unterirdische Wasserleitungen sowie die Aquädukte (brückenartige Überlandleitungen) gewährleistet. In den Städten wurde das Wasser mit Druckrohrleitungen verteilt. Damit wurden, unter anderem, so aufwändige Bauten wie die Thermen versorgt, in denen teilweise tausende Menschen Platz fanden. Diese stellten nicht nur mit ihrer prunkvollen Ausstattung, wie der Bodenheizung,
dem warmen Wasser und den Säulenhallen, sondern vor allem mit ihren Leseräumen, Bibliotheken und Sportanlagen einen gesellschaftlichen Mittelpunkt dar. Um diese Steinbauten errichten zu können, wurde zu dieser Zeit der Mörtel erfunden.
Dieser ermöglichte auch den Bau von öffentlichen Gebäuden, wie Sportarenen, eindrucksvollen Rundbauten und freistehenden Triumphbögen,
welche die Macht Roms symbolisierten. Während der frühen Kaiserzeit gab es eine gefestigte Schicht lokaler Eliten in den römischen Städten, denen die politische Führung auf kommunaler Ebene oblag. Das stabilste Element im Gesellschaftsgefüge
bildete der Dekurionenstand (ordo decurionum), der maßgeblichen Einfluss auf das soziale und politische Leben in den Städten hatte. Die soziale Herkunft dieser Gruppe unterschied sich in den Provinzen. Dazu gehörten Ritter, die nach längerem Dienst in die Kommunen zurückkehrten oder wie in Niedergermanien lokale Eliten (Militärs, Kolonisten) oder wie in gallischen Provinzen der alte Stammesadel. Im Wesentlichen regelte
jedoch das Geld den Zugang zu Ehrenämtern (honoratioren). Es musste ein Minimalvermögen nachgewiesen werden. Die lokalen Eliten waren zumeist Grundherren
von benachbarten Gütern. Den meisten Dekurionen wurde als Anerkennung das römische Bürgerrecht verliehen. Da das Land nur von Zentralorten aus verwaltet werden konnte, bildete sich eine grundbesitzende Aristokratie heraus, die politisch alle entscheidenden Funktionen übernahm. Das verhältnismäßig einfach strukturierte politische System auf kommunaler Ebene bestand aus zwei politischen Organen:
- Der Rat hatte meist 100 auf Lebenszeit bestellte Mitglieder. Er fungierte als beratende Versammlung und entschied über die für die Stadt aufzubringenden Leistungen.
- Die Magistratur bestand aus vier bis sechs Beamten (nur den Dekurionen zugänglich). Sie wurde von den zwei „Bürgermeistern“ (duoviri) geführt. Sie war für die Rechtsprechung, Verwaltung
der Kassen, Polizei und Durchführung der Kulte zuständig. Von ihrer kapitalkräftigen Oberschicht erwarteten die übrigen Schichten die Sicherung der Lebensmittel- und Wasserversorgung, die Finanzierung aufwendiger Bauten und Spiele sowie
die Repräsentation der Stadt. Sie waren dazu verpflichtet, die Steuern einzutreiben, für deren Einhaltung sie hafteten.
Die Tatsache, dass auf dem Dekurionenstand das Funktionieren der Stadt basierte, führte auch zum Niedergang
der Städte in verschiedenen Reichsteilen. In der älteren Forschung herrschte die Ansicht vor, dass durch die Kosten für Militär und Bürokratie, die Oberschichten in der Spätantike ruiniert wurden. Sie konnten die Stadt nicht mehr versorgen und sie wurden außerdem zu Leistungen verpflichtet, die sie bis dahin freiwillig erbracht hatten. Massive Veränderungen im sozialen und
politischen Gefüge waren die Folge. Soziale Aufsteiger, wie Händler und Handwerker, hatten Zugang zu den Ämtern. Ein System der Zwangsmitgliedschaft wurde schließlich eingeführt, wonach jeder Dekurio werden musste, der das erforderliche
Mindestvermögen besaß. Neueren Forschungen nach blühten die meisten spätantiken Städte offenbar noch bis ins späte 5. und frühe 6. Jahrhundert hinein auf. Erst aufgrund von Kriegen (zum Beispiel die islamische Expansion) bzw. im Westen auch aufgrund des weitgehenden Zusammenbruchs des römischen Verwaltungssystems und einem Niedergang des
kulturellen Niveaus, kam es dann zu einem regional unterschiedlich stark ausgeprägten „Verfall“ städtischer Zentren und zum Niedergang der poleis (siehe Kastron).[14]
Darstellung einer spätmittelalterlichen Ratssitzung, die Bürger werden mit Wappen dargestellt Mit der Völkerwanderung verfielen die Städte
in Mitteleuropa weitgehend. Beginnend mit dem Alemanneneinfall von 260 waren nach und nach zunächst die rechtsrheinischen Limesstädte zerstört worden. Bis zum 5. Jahrhundert eroberten die Germanen auch die Römerstädte am Rhein. Nur noch in wenigen Städten konnten sich geringe gallorömische Restbevölkerungen halten. Die Germanen selbst mieden die Städte und die von ihnen übrig
gebliebenen Trümmerfelder als Siedlungsgebiete. Die bedeutenden Römerstädte blieben aber erhalten (zum Beispiel Trier, Köln, Regensburg, Bonn, Augsburg), wenn auch nicht in der Bausubstanz. Viele der alten Stadtkerne wurden im Frühmittelalter aufgegeben
und Neugründungen am Rand der ehemaligen Zentren etabliert. Neue Stadtbefestigungen ersetzten die alten, viel zu groß gewordenen Mauern. Wichtigstes Element der Kontinuität waren die Funktionen als Bischofssitze. Diese Städte blieben religiöse
und kulturelle Zentren, die die spätrömisch-christliche Tradition fortsetzten. Zunächst übernahmen Bischöfe viele Funktionen der ehemaligen römischen Verwaltungsbeamten. Dennoch kam es im Verlauf des Frühmittelalters
zu einem fast vollständigen Erlöschen des städtischen Lebens. Die neuen merowingischen Herrscher setzten vor allem in den Städten,
die keine Bischofssitze waren, Grafen als Verwaltungsbeamte ein, die das umliegende Territorium kontrollieren sollten und dazu oft auf die in den Städten weiter bestehenden römischen Rechtstraditionen zurückgriffen. Die städtische Selbstverwaltung
verschwand unter den Grafen zusehends. Nur in den Bischofsstädten wurden die überkommenen römischen Freiheitsrechte der Bürger von den Merowingern teilweise erhalten, um weiter von den Abgaben der Stadtbevölkerung zu profitieren. Dennoch
wanderten im Frühmittelalter verstärkt Bewohner ab, während es kaum Zuwanderung aus dem germanischen Umland gab. Das zog Verödung nach sich, zum Teil bis zu einem Stand, in dem auf ehemals bebautem Stadtgebiet Ackerbau betrieben wurde.
In der Karolingerzeit ab dem 8. Jahrhundert entstanden Klöster in den Städten, die zu neuen wirtschaftlichen Schwerpunkten wurden, ohne jedoch eine Fortsetzung alter Handelstraditionen zu werden. Die römischen Stadtbürgerrechte
und die Selbstverwaltung verschwanden in dieser Zeit vollkommen. Auch die Bischöfe herrschten nicht mehr aus der römischen Tradition heraus, sondern Kraft der vom König an sie verliehenen Rechte. Im weiteren Verlauf der karolingischen Epoche
wurden zunächst Bischofsburgen, dann zunehmend auch Königshöfe und Pfalzen in den Städten errichtet. Dazu kamen einige
wenige Neugründungen im karolingischen Kernland zwischen Seine und Rhein sowie an Flussufern und Handelswegen nach Norden, beispielsweise Gent, Antwerpen, Duisburg, Soest, Wik und Haithabu.
Magdeburg: Blick auf den Dom im Elbtal Unter den Ottonen setzte ab dem 10. Jahrhundert eine bescheidene Welle von Neugründungen ein. Um Herrschaftszentren, meist sächsische Grafensitze, bereits unter den Karolingern
errichtete Pfalzen oder neu gegründete Bischofssitze wie Magdeburg, siedelten sich Händler an, die die Oberschicht mit Waren versorgten und
sich in Gilden zu organisieren begannen. Solche Bischofs- oder Burgsiedlungen waren meist in zwei Teile mit eigenen
Befestigungsanlagen geteilt: Die urbs mit dem Herrschaftssitz und das suburbium mit der Händlerbevölkerung. Beispiele für diese Gliederung sind Frankfurt, Würzburg, Fritzlar
und Erfurt. Altstadt (Freiburg im Breisgau) Braunschweig: Altstadtrathaus mit Altstadtmarktbrunnen
Steuerhaus, Rathaus und Großzunft der ehemals freien Reichsstadt Memmingen Die Anzahl
der Städte in Mitteleuropa blieb bis 1100 mit einigen hundert noch sehr gering, oft mit einem organisch gewachsenen Stadtgrundriss, in dem es oft große Freiflächen gab, auf denen Vieh gehalten wurde. Steinhäuser begannen erst ab dieser
Zeit in den Städten zu entstehen. Auch eine Stadtmauer war kaum vorhanden, sondern meist lediglich ein Wall mit Graben. Der weitaus größte Teil entstand in den folgenden 250 Jahren im Verlauf eines allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs und
nachdem die Angriffe aus den Randgebieten des Reiches geendet hatten. In der gleichen Zeit verdoppelte bis verdreifachte sich die westeuropäische Bevölkerung, neue Anbaugebiete wurden erschlossen, neue Landwirtschaftsmethoden angewendet, Geldwirtschaft und Handel ausgedehnt. Die unter diesen Rahmenbedingungen gegründeten späten Städte werden als Gründungsstädte bezeichnet, die meist durch einen Gründungsakt entstanden und entsprechend einem Entwurf planmäßig ausgebaut wurden. Als älteste Stadt dieses Typs gilt Freiburg im Breisgau, das 1118 gegründet wurde und 1120 ein fortschrittliches Stadtrecht erhielt. Weitere Beispiele für bedeutende Gründungen
in dieser Zeit sind Leipzig (1150) und Lübeck
(1158). Die Zentren des neuen städtischen Aufschwungs lagen in Italien (befördert durch den Orienthandel im Rahmen der Kreuzzüge) und in Flandern,
wo sich eine aufstrebende Tuchindustrie entwickelte. Ab der Stauferzeit begannen Stadtgründungen zunehmend eine strategische Komponente
zu bekommen. Die Könige versuchten ebenso wie die Landesherren mit Städten die eigenen Einnahmen zu verbessern, Menschen aus konkurrierenden Territorien abzuwerben und durch Landesausbau oder Eroberungen erworbene Gebiete zu sichern. Vor allem im
Rahmen der Eroberung slawischer Gebiete im Osten im 14. Jahrhundert kam es zu einer regelrechten Stadtgründungswelle an den Orten ehemals slawischer Siedlungen. Um 1500, am Beginn der Neuzeit, bestehen als bedeutende Städte, unter anderem
die Freien Reichsstädte und Hansestädte: Die mittelalterliche Gründungsstadt ist der weitaus häufigste Typ an
Städten in Mitteleuropa. Die Welle der Stadtgründungen verebbte in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufgrund der Pestwellen und dem
daraus resultierenden Bevölkerungsrückgang. In der Folgezeit wurden nur noch wenige Städte neu gegründet.
Stadtsiegel von 1286 der ehemaligen freien Reichsstadt Memmingen Ab dem 11. Jahrhundert begann
sich aus der städtischen Grundbesitzer- und Fernhändlerschicht zunächst ein so genanntes „Meliorat“, dann das mittelalterliche Patriziat zu entwickeln. Das Patriziat bildete eine gegen sozialen Aufstieg zunehmend abgeschottete Gruppe, in der es in vielen Städten noch einmal eine Führungsgruppe „ratsfähiger“ Familien gab. Nur aus deren
Reihen durften sich Mandatsträger rekrutieren. Später wurden auch Ministeriale, die zunächst von den Stadtherren als Verwaltungsbeamte
eingesetzt worden waren, sowie Ritter aus dem Umland in das Patriziat aufgenommen. Im 13. Jahrhundert begannen verstärkte Konflikte innerhalb der Städte. Dabei zogen sich die Frontlinien zwischen dem Patriziat, das eine größere
politische Selbstbestimmung forderte, und den Stadtherren sowie zwischen Patriziat und städtischen Unterschichten. Im 14. und 15. Jahrhundert waren nahezu alle Städte von solchen, auch gewaltsam geführten, Auseinandersetzungen betroffen. Meist
endeten diese Kämpfe nicht mit einer grundlegenden Änderung der Stadtverfassung, sondern mit dem Aufrücken der rebellierenden Gruppen in das Patriziat und innerhalb des Patriziats in die ratsfähigen Schichten. Nach außen begannen
sich die Städte zunehmend in Bünden zusammenzuschließen, um so mehr politisches und militärisches Gewicht zu erlangen. Insgesamt lässt sich im Spätmittelalter ein Anwachsen der städtischen Unterschichten feststellen,
die oft außerhalb der Stadtmauern lebten. Niedere Arbeiter bildeten in dieser Zeit ebenfalls Zünfte und erhielten ein vermindertes „Kleinbürgerrecht“, das keine politischen Mitbestimmungsrechte umfasste. Nach dem Soziologen Max Weber ist die „okzidentale Stadt“ primär ein Markt für den Fernhandel (siehe auch
Stadtsoziologie). Die Stadt und das Umland waren, anders als heute, stark voneinander abgegrenzt. Die räumliche Trennung
entsprach auch der wirtschaftlichen Trennung. Das Umland versorgte die Stadt mit Nahrung und Rohstoffen (primärer Sektor) und die Stadt versorgte das Umland mit handwerklichen Erzeugnissen und Dienstleistungen (sekundärer und tertiärer Sektor).
Wichtig für das Entstehen und die Entwicklung der Städte war das „Marktwesen“.
Siedlungen, an denen ein Markt stattfand, waren oft Vorformen für die Bildung von Städten, da sich dort Händler und Handwerker niederließen und mit dem Bedürfnis nach Regeln für die Handelsabwicklung das Rechtswesen ausgebaut
wurde. Dieses Marktrecht war eine Quelle für die Entwicklung des spezifischen Stadtrechts. Dabei waren Wochenmärkte als kontinuierliche Händlertreffpunkte bedeutender als Jahrmärkte, die meist in Bischofsstädten zum Patronatsfest angesiedelt waren. Allerdings entwickelte sich nicht aus jeder Marktsiedlung eine Stadt. Im linksrheinischen Gebiet befanden sich diese Märkte zunächst
vor allem dort, wo sich bereits in der Römerzeit Händler getroffen hatten. Im Osten waren Märkte erheblich seltener, entstanden meist erst im Früh- oder Hochmittelalter und zogen erheblich häufiger Stadtgründungen nach sich als
im Westen. Unter den Merowingern und Karolingern wurden in der Regel römische Märkte fortgeführt, aber nur wenige neue gegründet. Die Karolinger begannen aber mit der rechtlichen Regelung des Marktwesens, indem sie das Münzwesen
reformierten, Marktrechte zu vergeben begannen und die Grafen zu Aufsehern über die Märkte sowie die damit verbundenen Zölle
bestimmten. Darüber hinaus gab es vor allem Lebensmittelhandel außerhalb der Städte und Märkte, die von einzelnen Grundherren ohne ausdrückliche königliche Erlaubnis betrieben wurden. Unter den Karolingern begann sich das Marktwesen
nach Osten auszudehnen, insbesondere im Sklavenhandel mit Awaren und Slawen.
Sächsische Burgen und Häfen erlangten verstärkte Bedeutung als Handelsplätze. Unter Ottonen und Saliern begann sich das königliche Marktregal durchzusetzen. Am Ende der ottonischen Epoche war Handel, der über Lebensmittel
hinausging, praktisch nicht mehr außerhalb königlich bewilligter Märkte möglich. Unter Otto dem Großen begann das
Marktrecht, insbesondere der Marktfrieden, zum persönlichen Schutzrecht für Händler und Kunden zu werden, die sich auf dem Weg zu einem Markt befanden. Unter den Ottonen stieg die Anzahl der erteilten Marktrechte sprunghaft an. Zunächst
gründeten vor allem Klöster, ab dem 12. Jahrhundert auch Landesherren verstärkt Märkte und erhielten dafür die königliche Bewilligung. Viele Städte hatten das Stapelrecht, ein Privileg, das Fernhändler zwang, ihre Waren zum Verkauf anzubieten, und leiteten die Fernhandelswege durch ihre Stadt. Das städtische „Handwerk“ organisierte sich in Kleinbetrieben mit einem Meister und ein bis zwei Gesellen, deutlich seltener mit fünf oder mehr Gesellen. Oft betrieben Handwerker zusätzlich Landwirtschaft. Zudem arbeiteten
nicht alle ausschließlich für den freien Markt. Viele waren, vor allem im frühen Mittelalter, an einen adligen Haushalt gebunden, für den sie produzierten. Die Handwerkszünfte regulierten das Wirtschaftsgeschehen, indem sie die Zahl der Handwerker und damit die Konkurrenz begrenzten, neue Produktionsmethoden verboten, Rohstoffversorgung, Herstellungs- und Verkaufsbedingung und Preise festlegten.
Zudem kamen ihnen militärische, religiöse und soziale Funktionen zu. Im Spätmittelalter entwickelte sich aber ein Übergang zur arbeitsteiligen Massenproduktion, in die auch neue Techniken Einzug hielten. Die rechtliche Stellung der mittelalterlichen Stadt war geprägt von ihrem Status als freie Reichsstadt oder Fürstenstadt, wobei der genaue Status sehr unterschiedlich sein konnte. Generell hatten die Städte das Bestreben, sich von der Herrschaft der Stadtherren, der in ihr residierenden Bischöfe und Burgvögte
(vgl. Reichsstadt Nürnberg) zu befreien, was ihnen mehr oder weniger erfolgreich gelang. Bei den Gründungsstädten
wurden diese Freiheiten, um die ältere Städte oft lange kämpften, bereits im Stadtrecht zur Gründung verankert. Viele Städte
wurden durch Handel und Handwerk sehr reich und konnten sich dadurch lange gegenüber den Stadtherren behaupten, die Städte gerne aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen unter ihre Kontrolle bringen wollten. Die mittelalterliche Stadt
stand damit in scharfer Konkurrenz zu den weltlichen und geistlichen Territorialherrschaften. In Gebieten mit starker Territorialherrschaft hatten es die Städte schwer, sich zu behaupten, so gab es im bayerischen Stammland mit Regensburg nur eine Reichsstadt, die um ihren Status kämpfen musste. Im territorial zersplitterten Franken und Oberschwaben entstanden mächtige Reichsstädte wie Nürnberg, Rothenburg, Augsburg oder Reutlingen und im Norden waren die Hansestädte wie Lübeck, Bremen, Hamburg und Rostock
starke Wirtschaftsstandorte. Grundlage der inneren Rechtsstruktur der mittelalterlichen Städte war der städtische Friede. Dieser Zustand garantierter Gewaltlosigkeit entwickelte sich bei älteren Städten aus dem Friedensrecht
der städtischen Keimzelle, dem Markt- oder Burgfrieden. Bei planmäßigen Stadtgründungen des Hoch- und Spätmittelalters
wurde der Stadtfrieden meist bei der Gründung festgeschrieben. Ursprünglich war die Garantie dieses Friedens die wichtigste rechtliche Funktion des Stadtherren. Mit der zunehmenden Bedeutung der Bürgerschaft als eigenständige Macht mit
politischen Strukturen wurde sie die Trägerin des Friedens, was eine Voraussetzung für die Emanzipation den Stadtherren gegenüber darstellte. Der Friedensbruch wurde als Bruch des Bürgereides verstanden und entsprechend streng bestraft, auch wenn beispielsweise die Verletzungen als Folge eines Angriffs nur gering waren. Zudem waren Bürger zur Verbrechensverfolgung angehalten. Um wichtige
Gebäude wie das Rathaus gab es meist zusätzliche Friedensbezirke mit verschärften Bestimmungen. Häufig wurden nächtliche Ausgangsverbote oder -beschränkungen erlassen. Im Spätmittelalter begannen sich die städtische
Friedensordnung und die städtische Gerichtsbarkeit ins Umland auszudehnen. Die Städte waren zudem wichtige Träger der Landfriedensbewegung
des 12. Jahrhunderts. Zweites Rechtsprinzip war die städtische Freiheit. Leibeigene
oder Hörige, die in die Stadtgemeinschaft aufgenommen wurden, erlangten die persönliche Freiheit. Dieses Recht war ursprünglich von den Stadtherren gewährt worden, um die Zuwanderung in die Städte und deren Funktion als Wirtschaftszentren
zu stärken. Ähnliche Freiheitsrechte wurden auch in Regionen gewährt, in denen Land urbar gemacht und dazu Bauern angelockt werden sollten. Viele Städte stellten allerdings Hürden für die Aufnahme in ihre Gemeinschaft auf, um
die Konflikte mit den umliegenden Landesherren wegen der Abwerbung von Untertanen zu verringern. Das städtische Freiheitsrecht umfasste auch die Gleichheit aller Bürger vor Gericht. Bei weitem nicht alle Bewohner einer Stadt genossen das volle Bürgerrecht
und damit die volle städtische Freiheit. Die Stadt selbst konnte in ihrem Umland auch Hörige haben. Insbesondere im Verlauf der Emanzipation von den Stadtherren organisierten Städte
auch das eigene Wach- und Verteidigungswesen. Zentrales Element war die Stadtmauer, zu deren Instandhaltung und ständigen Besetzung die Bürger
verpflichtet waren. Im Kriegsfall waren alle arbeitsfähigen Männer der Einwohnerschaft zum Verteidigungsdienst verpflichtet. Die Waffen wurden selbst bezahlt. Im Gegenzug musste die Stadt gefangen genommene Kämpfer der eigenen Seite auslösen.
Die Oberschicht stellt die Kavallerie, das städtische Schützencorps wurde zunehmend auch als Polizeitruppe eingesetzt. Für ärmere
Einwohner wurden in Zeughäusern Waffen gelagert. An der Verteidigung waren auch verbündete Adlige, Hörige der Stadt und Söldner beteiligt.
Ab dem 14. Jahrhundert entzogen sich wohlhabende Bürger zunehmend ihrer Verteidigungspflicht, indem sie Ersatzmannen stellten. Zunehmend wurden besoldete Wächter und Stadtknechte eingesetzt. Die innere Rechtsstruktur der Städte unterschied
sich erheblich von der des Umlands. Es umfasste die verliehenen Rechte und Freiheiten, beispielsweise Marktprivilegien, Münzrecht, Zoll, Steuer- oder Wehrhoheit,
und wurde im Verlauf der Entwicklung durch verschiedene Gewohnheitsrechte ergänzt und verändert. Das städtische Recht wurde in Statuten niedergeschrieben. Diese Rechtssammlungen wurde oft „Willküren“ genannt: Rechte,
die nicht althergebracht waren, sondern aus einem bewussten Willensakt gewählt, also „gekürt“, wurden. Wer den Bürgereid leistete, unterwarf sich damit auch den Willküren. Vor allem in den Neugründungswellen des
Spätmittelalters bildeten sich „Stadtrechtsfamilien“. Bei Neugründungen von Städten wurden die Rechtsordnungen bereits bestehender Städte übernommen. So wurde das Deutsche Recht in den Städten von Mittel- und Osteuropa
übernommen zum Beispiel als - Lübisches Recht (Lübeck) unter anderem in Holstein, Mecklenburg, Pommern,
Preußen, Litauen, Lettland, Estland.
- Magdeburger Recht unter anderem in Brandenburg und Sachsen mit seiner schlesischen
(Schlesien, Nordböhmen)
und polnischen (Polen, Weißrussland) Variante und dem Neumarkter Recht, oder der nördlichen Variante, dem Kulmer Recht, das sich über Posen und West- und Ostpreußen erstreckte.
- Soester Stadtrecht in über 60 Städten, vor allem in Deutschland.
- Süddeutsches Stadtrecht unter anderem in Süddeutschland, Österreich,
Südböhmen, Ungarn, Slowakei.
- Nürnberger
Recht unter anderem in Franken, Westböhmen.
Im Mittelalter entwickelten
sich mehr oder weniger abhängige Stadtstaaten oder Stadtrepubliken, Städte die sich im Heiligen Römischen Reich den Status einer Freien Reichsstadt erworben hatten
oder in Italien selbständige Staaten waren. Ein Stadtstaat ist im Gegensatz zum Flächenstaat ein Staat, der nur das Gebiet einer Stadt und sein engeres Umland umfasst. Es kann sich dabei um einen souveränen Staat oder um einen Gliedstaat innerhalb
eines Bundesstaates nach dem föderalistischen Prinzip handeln. Im Heiligen Römischen Reich wurden als Freie Reichsstadt jene Kommunen bezeichnet, die keinem Reichsfürsten, sondern direkt dem Kaiser unterstanden und auch einige Bischofsstädte, die eine gewisse Autonomie
erworben hatten. Es gab im Mittelalter 107 bis möglicherweise 115 Reichsstädte. Im Westfälischen
Frieden 1648 verloren Metz, Tull (Toul), Wirten
(Verdun) und die eidgenössischen Städte Basel,
Bern, Luzern, Mülhausen, Schaffhausen,
Solothurn, Zug und Zürich diesen Status. Bis 1679 bzw. 1681 wurden Bisanz (Besançon),
Colmar, Hagenau (Haguenau),
Kaisersberg (Kaysersberg), Landau
in der Pfalz, Münster (Munster), Oberehnheim (Obernai), Rosheim, Schlettstadt (Sélestat), Türkheim (Turckheim), Weißenburg (Wissembourg) und Straßburg von Frankreich annektiert und verloren damit ihren Status. Bis zum Reichsdeputationshauptschluss von 1803 gab es insgesamt noch 51 Reichsstädte, danach nur noch sechs Städte:
Augsburg, Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg, Lübeck und Nürnberg. Ab 1815 blieben im Deutschen Bund bzw. im Deutschen Reich
noch vier Städte und zwar Bremen, Frankfurt am Main (bis 1866), Hamburg und Lübeck (bis 1937) selbständige Stadtrepubliken bzw. ab 1866 selbständige Länder des Deutschen Reichs. In der Bundesrepublik Deutschland sind Berlin, Bremen
und Hamburg als Stadtstaaten selbständige Länder. Venedig: Wahr- und Hoheitszeichen der Serenissima: Der Löwe von St. Markus (Gemäldeausschnitt von Vittore Carpaccio, 1516) In Italien hatten die Stadtrepubliken Venedig (713/16–1797), Florenz (12. Jh.–1531), Genua (11. Jh.–1797) besondere Bedeutung. Zu erwähnen sind noch unter anderem Brescia, Como, Grosseto, Lucca, Massa Marittima, Pisa und Verona. Rom war 1354 nur kurzfristig
Stadtrepublik. In der Schweiz gingen viele Schweizer Kantone aus Stadtstaaten hervor, die zuvor Reichsstädte waren. Die frühere Reichsstadt Basel wurde 1833 als Halbkanton ein Stadtstaat. Die frühere Reichsstadt Zürich war bis 1798 als Stadtstaat eine „Freie Republik“ im Bund der Eidgenossen. Genf
wurde 1536 die Genfer Republik und 1814 Stadtrepublik bis es 1815 um ehemals französischen Landgebiete zu einem auch ländlichen Kanton mit 45 Gemeinden erweitert wurde. Weitere Stadtrepubliken waren unter anderem Nowgorod (1136–1478) und Pskow (13.–15. Jh.)
in Russland sowie Dubrovnik (Republik
Ragusa: 14. Jh.–1808) und die Republik Krakau (1815–1846). Als Freie Stadt wurde auch Danzig bezeichnet, als die Stadt von 1920 bis 1939 unter der Hoheit des Völkerbunds stand.
Zunächst wurden die Städte direkt vom jeweiligen Stadtherren und seinen Beamten beherrscht. Im 12. Jahrhundert begannen nach dem Vorbild der Städte der Lombardei diese Beamte sich zunehmend zu verselbstständigen; die Beamten kamen aus den Familien des Patriziats. Bis zum 13. Jahrhundert gab es Stadträte in nahezu allen Städten. Parallel begann ein Prozess der Übertragung
von Rechten vom Stadtherren auf den Stadtrat. Diese Rechte wurden nicht mehr im Auftrag des Stadtherren, sondern verstärkt aus dem eigenen Machtanspruch des Stadtrats heraus beansprucht, der sich aus der im Bürgereid vereinten Bürgerschaft speiste.
Nach den Ständekämpfen des 13. Jahrhunderts war dieser Prozess im 14. Jahrhundert weitgehend abgeschlossen und die Stadträte hatten sich als Regierung der Städte aus eigener Macht etabliert. Im 15. Jahrhundert bildeten sich spezialisierte
Ratsausschüsse. Neben politischen Entscheidungen reglementierte der Stadtrat auch die städtische Wirtschaft und legte Warenpreise fest. Auch die Niedere Gerichtsbarkeit ging vom bevollmächtigten Schultheiß des Stadtherren an den Rat
über. Etwas langsamer und nicht überall folgte diese Entwicklung auch für die Blutgerichtsbarkeit, die gelegentlich
an den Stadtrichter oder Bürgermeister persönlich weitergegeben wurde. Die Wahlen zum Stadtrat waren sehr unterschiedlich gestaltet. Anfangs wurde der Rat von der Bürgerschaft für kurze Perioden gewählt. Die Amtszeiten weiteten
sich aber immer mehr aus, teilweise bis zur Wahl auf Lebenszeit. Meist umfasste der Rat 12, 24 oder 36 Mitglieder, vor allem im Spätmittelalter kam es aber zur Vergrößerung dieser Zahl, in Extremfällen auf bis zu 300 Mitglieder. Ab dem
Ende des 15. Jahrhunderts kam die Bezahlung des vormals ehrenamtlichen Ratsamtes auf. Neben der Teilnahme an Ratssitzungen, in denen politische Entscheidungen gefällt wurden, bekamen einzelne Ratsmitglieder auch Ämter, diplomatische oder militärische
Aufgaben übertragen. Diese Ämter wurden meist jährlich unter den Ratsmitgliedern verteilt. Erst im 15. Jahrhundert kamen längere Amtsperioden auf. Daneben gab es Dienstämter, deren Inhaber keine Ratsmitglieder waren und von der Stadt
besoldet wurden. Mit dem Zuwachs des Schriftverkehrs und der Notwendigkeit, die Rechtsposition der Stadt nach innen und außen zu vertreten, wurden Ratskanzleien
eingerichtet, in denen anfangs meist Kleriker arbeiteten, später auch Juristen als rechtliche Berater (siehe Stadtschreiber
(Kanzleivorsteher)).
- Äußere Abgrenzung durch Stadtmauer und zugehörigem Stadtgraben/Gräfte, manchmal als Gewässer angelegt.
- Kompakte Siedlungsform mit Zentrum, Marktplätzen,
Rathaus, Bürgerhäusern, Kirchen, politisch oft in Opposition zur landesherrlichen Burg mit Burgkirche bzw. Bischofsbezirk.
- Soziale und
berufliche Differenzierung der Stadtbevölkerung in Stadtvierteln.
- Rechtliche Sonderstellung: Selbstverwaltung und eigene Gerichtsbarkeit, Bürgerrechtsprivileg.
- Ökonomische Funktion: Markthoheit (vgl. Roland), Fernhandel, Stapelrecht, arbeitsteilige Güterproduktion, Ackerbürger.
- Im Inneren war die rechtliche Stellung der Bewohner einer Stadt streng gegliedert in Bürger und Inwohner, Patrizier, in Zünften organisierte Handwerker und dem Klerus.
- Demographisch war sie auf ständigen Zuzug vom Lande angewiesen. Der Zustrom war gesichert, da ihre Bewohner durch Rechtsprechung und Zunftverfassungen eher
von Belieben der jeweiligen Herrscher freigestellt wurden, was im Sprichwort „Stadtluft macht frei“ zum Ausdruck
gebracht wurde.
- Die Wohnhäuser waren in Parzellen angeordnet.
- Wirtschaften und Wohnen war unter einem Dach untergebracht.
- Gleiches Gewerbe siedelte sich in gleichen Vierteln und Straßen an.
- Die Bautätigkeit
der Bürger wurde von der Stadt kontrolliert, zum Beispiel schrieb die Stadt den Abstand zwischen den Häusern wegen des Brandschutzes vor.
In der Zeit nach dem Mittelalter wurden nur noch wenige Städte neu gegründet, die einem der folgenden Typen zuzuordnen sind. - Bergstadt: Ab dem 12. Jahrhundert und verstärkt im 16. Jahrhundert entstehen Bergstädte aus montanwirtschaftlichen Interessen in den Mittelgebirgen und in den Alpen, insbesondere im Harz, Erzgebirge, Böhmerwald,
Schwarzwald, zum Beispiel: Clausthal-Zellerfeld (1530), Bad Lauterberg (Harz), Annaberg, Schwaz und Freudenstadt.
- Planstadt: Der Stadttyp Planstadt bezeichnet weniger die Funktion der Stadt in ihrem jeweiligen Umfeld, als vielmehr die Art ihres Entstehens.
Bei vielen Neugründungen wurde die Gelegenheit genutzt, eine ideale Stadt nach den Vorstellungen der Zeit zu bauen. Mitunter wurde auch die bestehende abgerissen und nach neuen Plänen wieder aufgebaut. Im Prinzip folgt die Planung neuer Stadtteile
und Satellitenstädte den gleichen Prinzipien. Auch der englische Begriff New Town steht für eine geplante, moderne, funktionale, neu erbaute Stadt oder Stadtteil zur Entlastung der großen Ballungszentren. Beispiele für solche Planstädte sind unter anderem:
- Deutschland: Eisenhüttenstadt,
Espelkamp, Erlangen, Freudenstadt, Halle-Neustadt, Hochdahl, Jülich, Karlsruhe, Lippstadt, Mannheim, Stadtallendorf, Wolfsburg, Neue Stadt Wulfen
- Vereinigtes Königreich: 31 New Towns
- Niederlande: unter anderem Almere, Lelystad und Emmeloord
- Frankreich: Die villes nouvelles wie Cergy-Pontoise oder Marne-la-Vallée im Pariser Ballungsraum
- Dänemark: Ørestad als neuer Stadtteil von Kopenhagen,
- Russland: zahlreiche Stadtneugründungen
- Israel: rund 30 Stadtneugründungen
- Welt: Brasília in Brasilien, Chandigarh in Indien, Canberra
in Australien
- Exulantenstadt:
Exulantenstädte, gelegentlich auch Exilantenstädte genannt, sind Gründungen durch und/oder für Glaubensflüchtlinge des 16. bis 19. Jahrhunderts. Exulantenstädte, zumeist aber Stadterweiterungen, entstanden für
- Festungsstädte, bei deren Planung sich die Stadt der militärischen Funktion als Festung unterordnen
musste, wurden im 17. Jahrhundert gegründet, als die mittelalterlichen Stadtmauern den weiterentwickelten Kanonen nicht mehr standhalten konnten. Typisch sind die sternförmigen Bastionen, die sich um die Stadt legen. Manche mittelalterliche Stadtmauer
wurde durch eine derartige Stadtbefestigung ersetzt, was die Stadt nachträglich zur Festungsstadt machte. Typische Beispiele sind die Städte Neuf-Brisach
und Orsoy. Eine Besonderheit der Festung Orsoy ist die Nutzung des Rheins
als Teil der Festungsanlage.
- Die Residenzstädte des 17. bis 19. Jahrhunderts wurden meist nach dem Vorbild von Versailles errichtet, so zum Beispiel Karlsruhe (1715) und Ludwigsburg (1718). Häufig wurden bestehende Städte um Residenzviertel mit Schloss erweitert, zum Beispiel:
Matthäus Merian: Güstrow (1653) mit Renaissanceschloss Die Renaissance definiert Stadtgrundriss und Stadtbild neu, doch bleiben etliche Stadtentwürfe unverwirklicht. Die verwirklichten werden oft als Idealstädte bezeichnet, die gebaute Wirklichkeit ideal, vor
allem in geometrischer Hinsicht, ausrichteten. Sie orientieren den Stadtgrundriss zentral auf den Hauptplatz in der Stadtmitte, auf den die Hauptstraßen sternförmig zulaufen. Um diesen konzentrieren sich die wichtigen Bauten der Stadt als einzelne,
in Anlehnung an die wiederentdeckte Antike, einfache geometrische Baukörper (Würfel, Zylinder usw.), die auf diese Weise im Stadtbild hervorgehoben werden. Dies kontrastiert zu den vorher organisch gewachsenen oder geplanten, aber dem natürlichen
Gelände angepassten mittelalterlichen Städten. | Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres sollte auf der Diskussionsseite angegeben sein. Bitte hilf mit, ihn zu verbessern,
und entferne anschließend diese Markierung. | Karlsruher Stadtansicht,1721, Kupferstich von Heinrich Schwarz Im Barock verankern die Fürsten ihren Sitz fest mit und in den vormals frühbürgerlich regierten Renaissancestädten, setzen am Hauptplatz im Stadtzentrum ihr Schloss an die Stelle der vorherigen Renaissancebauten
und sorgen für einheitliche, in Konstruktion, Höhe und Farbe auf das fürstliche Schloss hinführende, Stadtbebauung. Es entstehen dadurch gänzlich vom Barock durchdrungene Städte wie Wien (durch Maria Theresia im 18. Jahrhundert) oder Karlsruhe, aber auch Rom mit seinen Plätzen und Paris sowie Versailles geben hier Beispiele. Die durchgreifenden baulichen, rechtlichen und stadthygienischen
Erlasse der Barockfürsten bereiteten die Bewältigung und Verwaltung der viel umfangreicheren Massenerscheinungen der sich ankündigenden Industrialisierung in den Städten vor.
Die neue Gruppe der erfahrenen Verwaltungsfachleute versucht schon im Klassizismus (Ende 18., Anfang 19. Jahrhundert) und den industriellen Anfängen, die gesellschaftlichen Barrieren wie Leibeigenschaft, Zünfte und Privilegien sowie Slums oder fehlende Stadthygiene anzugehen. So entstehen in Paris Massenwohnbauten, die von anderen Städten nachgeahmt werden (zum Beispiel später Berlin, „Mietskasernen“). Vor allem durch das klassizistische England
und speziell London werden Impulse gegeben, die Natur wieder in die engen finsteren Städte einzubeziehen. In der Folge entstehen in ausgesparten Baublocks oder an Stelle von beseitigten Stadtbefestigungen („Schleifung“) Stadtparks, oder vormals
fürstliche Schlossparks werden für die Stadtbewohner geöffnet. Zunehmend setzen sich Bewegungen für durchgrünte und hygienische Wohnviertel durch, deren Realisierung aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Gang kommt. Stadtplan von München 1858 Durch die industrielle Bewegung nahm die Verstädterung
in den Hauptstädten und damaligen Industriestandorten erheblich zu. Folgende Einwohnerzahlen (in Tausend) sind von 1800 bis 1900 zu verzeichnen (geordnet nach dem Stand von 1900; dazu zum Vergleich der Bevölkerungsstand der Stadt (nicht der Agglomeration)
von 2005):[15] Dabei ist zu erkennen, dass Städte wie Istanbul, Lima, Krakau, Prag und
Rom im letzten Jahrhundert überproportional gewachsen sind, Leipzig oder Magdeburg hingegen stagnierten.
Blick über die Stadt Greiz,
die Gebäude stammen größtenteils aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs Die Industrialisierung,
gekennzeichnet vor allem dadurch, dass die Dampfmaschine den manuellen Betrieb ersetzt und in der Eisenbahn Verwendung findet, beginnt in England
bereits ab dem 18., in Belgien, Frankreich, USA und Deutschland ab dem 19. Jahrhundert sowie in Japan ab Anfang des 20. Jahrhunderts. Andere Länder folgen, teilweise bis heute. Das Industriezeitalter im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
bringt eine Urbanisierung bis hin zur verstädterten Gesellschaft mit sich. Im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche technische Basiserfindungen und ihre Weiterentwicklungen. Durch diese entstanden innerhalb weniger Jahre in den Städten neue industrielle
Arbeitsplätze. Der Bedarf an Arbeitskräften, vor allem der der Textil- und Montanindustrie, konnte mit dem lokalen Arbeitskräftereservoir nicht mehr gedeckt werden. So siedelten sich viele Industriebetriebe in Städten an, um genug Arbeiter
einstellen zu können. Begünstigt wurde dies durch Innovationen in der Verkehrstechnologie, wie der Eisenbahn und des Dampfschiffes, durch welche die verarbeitende Industrie nicht mehr an die Standorte der Rohstoffvorkommen gebunden war. Ebenso zogen
viele Arbeiter vom Land in die Städte, um dort arbeiten zu können. Diese Interdependanz trieb das industrielle Wachstum und die rasche Zunahme der Bewohnerzahlen der Städte voran. Nachdem sich die Altstädte in der ersten Phase verdichtet
hatten, kam es dann zur räumlichen Expansion. Mit Hilfe der Massenverkehrmittel (Pferdebahn, Straßenbahn, Fahrrad) ab etwa 1880 bis 1900 verstärkt sich das Außenwachstum. Fabrikanlagen und Arbeiterviertel mit Mietskasernen entstanden
in der Nähe der Altstädte. In Deutschland wurden neue Städte gegründet wie zum Beispiel Bremerhaven 1827, Oberhausen 1862, Ludwigshafen 1863, Wilhelmshaven 1873 und Wolfsburg 1938. Die bestehenden Städte wuchsen und veränderten
sich zu Städteverbundgebieten, vor allem in Bergbaugebieten wie dem Ruhrgebiet, in Oberschlesien oder im Saargebiet. Um dem entgegenzuwirken, wurden ab etwa 1900 Reformversuche gemacht und Bauzonenordnungen erlassen. Man versucht eine Auflockerung
der strengen, monoton rechteckigen Straßengrundrisse durch mehr Plätze, gewundene Straßenführungen und Durchgrünung. Gleichzeitig beginnen erste Projekte zur Sanierung der mittelalterlichen Stadtkerne. Diese sind in manchen Städten
völlig überbaut, überbevölkert und hygienisch untragbar geworden. Durch Abbruch ganzer Quartiere und Neuaufbau, zum Beispiel in Stuttgart oder Durchbruch von neuen Straßen, zum Beispiel in Straßburg oder Hamburg versuchte man,
den Mangel zu beheben. Die Gartenstadtbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts war ein noch weitergehender Reformansatz auf die Probleme der
industrialisierten Stadt, der durch den Ersten Weltkrieg allerdings nur sehr beschränkt umgesetzt wurde. 1918 bis 1933 – neuer Städtebau. Die Weimarer Republik
entwickelte ähnlich wie die Republik Österreich neue Konzepte des sozialen Wohnungsbaus, insbesondere in Städten mit großem Wachstum wie in Altona, Berlin und Hamburg.
Kommunaler bzw. genossenschaftlicher Wohnungsbau in halboffener und offener Bauweise wurde gefördert, zum Beispiel die Zeilenbauweise; der Funktionale Umbau der Stadt wurde auch vom Bauhaus geprägt. Auch die Gartenstadt war beginnend in England ein wichtiges Thema. Weitere Aufgaben waren
Stadterweiterungen nach dem Vorbild der britischen Planstadt (New Towns) um London. Neue Städte für die Industrieproduktion entstanden unter
anderem in Deutschland, zum Beispiel in Salzgitter. 1933 bis 1945 – Nationalsozialistische Stadtideologie. Die nationalsozialistische Stadtideologie
war gegen eine großstädtische „Entartung“ und für die bodenverbundene Kleinsiedlung. Sie hatte Pläne zu einer Agrarisierung, und zur Auflösung von Städten. Andererseits war eine monumentale Umgestaltung der Städte
geplant. In vielen Großstädten erfolgen weitreichende Eingemeindungen des Umlandes oder Zusammenschlüsse von Städten wie etwa Sulzbach-Rosenberg
gegen den Willen der Bevölkerung. Das Groß-Hamburg-Gesetz von 1938 geht noch stark auf Planungen der Weimarer Republik zurück.
1938 wird Wolfsburg als Arbeiterstadt für den Volkswagen-Bau gegründet. Die Realisierung größerer Pläne wurden durch den
Zweiten Weltkrieg verhindert. Durch Flächenbombardement und andere Kriegseinwirkungen wurden im heutigen Gebiet von Deutschland rund 3,5 Millionen Wohnungen sowie viele andere Gebäude zerstört. Großstädte wie Köln (70 %),
Dortmund (66 %), Duisburg (65 %), Kassel (64 %), Dresden (60 %), Kiel (58 %), Ludwigshafen (55 %), Hamburg (54 %), Mainz (54 %), Bochum, Braunschweig, Bremen, Hannover, Gelsenkirchen, Magdeburg, Düsseldorf und Essen
sowie 26 weitere Städte mit 50 bis 150 tausend Einwohner verloren mehr als 50 % ihres Wohnungsbestandes.[16]
Ein Flüchtlingsstrom von elf bis zwölf Millionen Menschen bevölkerte zusätzlich die Gebiete der heutigen Bundesrepublik.[17][18]
Bundesrepublik Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland und trotz zentralstaatlicher Lenkung auch in der DDR lassen sich unterschiedliche räumliche Muster des Wiederaufbaus
der Innenstädte erkennen: - Neuordnung des Stadtkerns mit Umlegung und teilweise neuem Straßennetz wie beispielsweise in Pforzheim,
Wesel, Hannover oder Chemnitz.
- Partielle Neuordnung mit teilweiser Umlegung und Durchbruch von Verkehrsachsen wie in Duisburg, Essen,
Dortmund, Düsseldorf, Kassel, Köln, Hamburg, Dresden, Magdeburg.
- Weitgehende Wiederherstellung der mittelalterlichen Struktur trotz starker Zerstörung wie in Nürnberg, Augsburg, München, Hildesheim, Lübeck, Rostock: Grundfläche und Kubatur der Gebäude blieb erhalten, aber moderne Architektur prägten die Neubauten.
- Wiederaufbau in den Baulücken ohne größere Neuordnung in weniger zerstörten Städten
wie in Wuppertal.
- Neu angelegte Städte und Stadtteile für Flüchtlinge, Ausgebombte und Wohnungssuchende sowie bei neuen Industrieansiedlung
wie in Espelkamp, Bielefeld-Sennestadt,
Eisenhüttenstadt.
Anfängliche Überlegungen, einige stark zerstörte Städte an anderer
Stelle neu zu errichten wurden nirgends realisiert, da die wertvolle Infrastruktur (Straßen, Kanalisation, Leitungsnetz) erhalten war.
Essen: Schneise durch den Ruhrschnellweg Deutsche Demokratische Republik In der DDR folgten die ersten Wiederaufbauprojekte sowjetischen Vorbildern. 1949 waren eigens zentralstaatlich
sogenannte „Grundsätze des Städtebaus“ definiert worden, nach
denen ab etwa 1953 in einigen ausgewählten Aufbaustädten (unter anderen Berlin, Rostock und Dresden) (in „nationaler Tradition“) teils monumental und reich verziert (Zuckerbäckerstil) innerstädtischer Wohnungsbau für Arbeiter betrieben wurde. Organisatorisch war dabei die neue sozialistische Bodenordnung mit der Aufhebung des freien Bodenmarktes und dem weitgehenden Enteignungsrecht
für die staatliche Planung nützlich, Stadtteilplanungen, ungeachtet der historischen Stadtgrundrisse, durchzuführen. Zu den städtebaulichen Prinzipien nach sowjetischem Vorbild gehörten große Magistralen und Aufmarschplätze
in den Innenstädten (Beispiel Stalinallee/Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin). Städte wurden als Ausdruck der neuen gesellschaftlichen
Ordnung verstanden: nicht Kommerz und Banken, sondern öffentliche Gebäude und Wohnungen standen im Mittelpunkt. Großwohnsiedlungen Ab etwa 1955 bis um 1975 entstanden in Westdeutschland und noch bis 1990 in der
DDR viele Großwohnsiedlungen. Allein in der DDR wurden 169 Großwohnsiedlungen mit jeweils mehr als 2500 Wohnungen
(insgesamt 1,1 Millionen Wohnungen) und weitere rund 517 größere Neubauwohnsiedlungen mit jeweils 500 bis 2500 Wohnungen (insgesamt rund 0,6 Millionen Wohnungen) errichtet, deutlich mehr als in der Bundesrepublik Deutschland.[19] Berlin, Märkisches Viertel: Senftenberger Ring Bundesrepublik Deutschland: Große Stadtentwicklungs- und Stadterweiterungsprojekte, scheinbar grenzenloses Wachstum der Ansprüche an Wohnungsgröße und -qualität: Bau von Satellitensiedlungen, zum
Beispiel Märkisches Viertel (Berlin), Langwasser (Nürnberg), Garath (Düsseldorf), Chorweiler (Köln), Neuperlach (München) und von Satellitenstädten zum Beispiel Wulfen, Erkrath-Hochdahl, Meckenheim-Merl. Die
wenig abwechslungsreiche Bebauung unter anderem führt teilweise zu geringer Attraktivität, Folge sind hohe Leerstände etc. Das Auto forciert den Bau von innerstädtischen Schnellstraßen, zum Beispiel in Hoch- und Tieflagen wie in Essen,
Duisburg, Düsseldorf, Köln. Außenbereiche: Trabantensiedlungen und Suburbanisierung. Das Leitbild war die autogerechte Innenstadt, in der alle Personen, die zur Arbeit, zum Einkauf etc. in die Stadt fahren, das neue Verkehrsmittel Auto benutzen
würden. Während für den rollenden Verkehr noch entsprechend Raum durch den Ausbau der Straßen der Platz geschaffen wurde, scheiterte der Ansatz letztendlich am Flächenbedarf für den ruhenden Verkehr. Der Bau von Parkplätzen
konnte mit dem Bedarf nicht Schritt halten. Mit dieser Erkenntnis begann die Planung neuer U-Bahn- und S-Bahn-Projekte, zum Beispiel in Stuttgart (Baubeginn 1971) sowie die Modernisierung der alten Straßenbahnen, die in den Kernbereichen wie in Hannover in den Untergrund
verlagert wurden. Die Autos wurden aus den Innenstädten verdrängt, indem die wichtigsten Einkaufsstraßen zu Fußgängerzonen
umfunktioniert wurden. In den 1970er Jahren erfolgten viele Eingemeindungen, wobei im Zuge der Gebietsreformen der Länder durch einen Verwaltungsakt mehrere Gemeinden zu neuen administrativen Einheiten von größerer Fläche und Einwohnerzahl zusammengeschlossen wurden. Beabsichtigt wurde damit eine
effektivere Verwaltung. Wenn einer der bisherigen Orte schon das Prädikat „Stadt“ trug, ging dies auch auf die neue Gebietskörperschaft über; in anderen Fällen wurde die neu entstandene Gemeinde wegen ihrer Größe
oft mit dem Titel „Stadt“ versehen, so dass schon durch diese Verwaltungsakte der Gesamtverstädterungsgrad Deutschland erhöht wurde. Einigen dieser neuen Städte ermangelte es an einem eigenen Zentrum in einem polyzentrischen Städtesystem.
Krasse Beispiele dafür sind unter anderem die Städte Lahn als Zusammenschluss von Gießen und Wetzlar (1979 wieder aufgelöst), Filderstadt oder Leinfelden-Echterdingen. In der DDR wurde der Wiederaufbau der Innenstädte aus den 1950er Jahren
durch die so genannten Zentrumsplanungen in den späten 1960er Jahren abgelöst (Beispiel: Leipziger Uni-Hochhaus). Das Hauptaugenmerk lag in den 1960er und 1970er Jahren jedoch auf den großen Stadterweiterungen in Großblock- bzw. in industrieller
Plattenbauweise (offene Zeilenbauweise fünf- bis zehngeschossig) in zunächst nur sehr wenigen Standardtypen.
Der sozialistische Wohnkomplex war
ein Neubauviertel mit etwa 10.000–30.000 Einwohnern, begrünten, offenen Hochhauszeilen, einem Zentrum, öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Sportanlagen, Poliklinik sowie Kaufhalle, Gaststätte und staatlichem Dienstleistungsgebäude.
Nachdem die Entwicklung der Städte für gut ein Jahrzehnt im Wesentlichen in raumgreifenden Stadterweiterungen am Stadtrand auf der einen Seite und radikalen Stadtumbauten mit
Verdrängung der Wohnbevölkerung in den Innenstädten auf der anderen Seite geprägt war, galt es nun, sich stärker der Sanierung von Wohnvierteln zuzuwenden. Im Bewusstsein der Planer hatte dies behutsam zu geschehen. Die Sanierung der Städte wurde ab 1969 in Modellstädten und ab 1971 bundesweit begonnen und mit dem Beschluss des Städtebauförderungsgesetzes
1971 ein Rechts- und Fördersystem eingeführt. Noch für einige Jahre blieben jedoch auch Sanierungen mit Flächenabrissen und Neubau an der Tagesordnung, bis das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 eine Wende brachte: die Rückbesinnung auf das bauhistorische kulturelle Erbe, und zwar sowohl im Westen wie im Osten Deutschlands. Die städtebauliche Erneuerung sollte die Erhaltung und Modernisierung von Gebäuden, die Revitalisierung der Zentren und Nebenzentren und die
Verbesserung des Wohnumfeldes in den betroffenen Gebieten ermöglichen. Bis 1990 waren die historischen Stadtkerne in
Westdeutschland weitgehend saniert. Die Städtebauförderung konzentrierte sich nach der Vereinigung in Deutschland vor allem auf die Städte in den neuen Bundesländern, wo der Nachholbedarf trotz gewisser Anstrengungen in den 1980er
Jahren noch immens groß war. Der Bund und die neuen Länder schufen dabei zusätzlich ein neues Förderprogramm zum städtebaulichen Denkmalschutz, um Städtebau und Denkmalschutz miteinander stärker zu verbinden. Die oft unzureichenden Mittel der Innenstadterneuerung von Stadtteilen mit industrieller Bauweise (innerstädtischer
Plattenbau) wurden durch zeitgemäße Methoden einer weitgehend erhaltenden Erneuerung abgelöst.[20] Die Aufgaben der Stadt haben sich verändert. Nach wie vor müssen Flächen für Wohn- und Gewerbenutzung bereitgestellt werden, aber andere Aufgaben erhalten immer stärkere Bedeutung. Im Aalborg Commitments von 2004 heißt
es: - „Wir haben die Vision integrativer, prosperierender, kreativer und zukunftsfähiger Städte und Gemeinden, die allen Einwohnerinnen und Einwohnern hohe Lebensqualität bieten und ihnen die Möglichkeit verschaffen, aktiv
an allen Aspekten urbanen Lebens mitzuwirken.“[21] Zum Ende des 20. und mit Beginn des
21. Jahrhunderts stellen sich für die Stadt und ihre Planer folgende Probleme und Aufgaben:
Nachfragebedingt wurden mehr Eigenheim- und Reihenhausbauten erstellt. Da die Städte die dazu notwendigen Flächen nicht bereitstellen können, erfolgte ein kleinteiliges Wachstum
im Umland der Städte (Suburbanisierung). Die Abwanderung von Bevölkerung und Gewerbe aus den Städten verschärften die Probleme in den Ballungsräumen. Im Umland war ein erheblicher Flächenverbrauch zu verzeichnen. Die ländlichen
Strukturen wurden beeinträchtigt. Da der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mit dem Außenwachstum nicht Schritt halten konnte und er in losen Siedlungsstrukturen prinzipiell im Nachteil ist, stieg das Verkehrsaufkommen durch den Individualverkehr.
Diese Entwicklung bewirkte auch, dass sich Einkaufszentren und kleinere Betriebe an die Stadtränder mit billigem Baugrund ansiedelten; Kaufkraft und Arbeitsplätze verlagerten sich. Dadurch entstanden im Umland so genannte „Speckgürtel“
mit wohlhabenden Umlandgemeinden mit Gewerbe und Handel und einer gut situierten Bevölkerung. Die zentrale Stadt musste trotz sinkender Steuereinnahmen weiterhin für die überregionale Infrastruktur und die sozialen Kosten aufkommen. Eine Anpassung des Systems der Steuer- und Abgabenverteilung zwischen den Ländern (Stadtstaatenprobleme) und in den Ländern
(Kommunaler Finanzausgleich) erfolgte nicht, oder unzureichend oder verzögert. In vielen Städten konnte seit letzter Zeit eine Rückbesinnung und Rücksiedlung zur Stadt verzeichnet werden. Abwanderungen und genereller Bevölkerungsrückgang prägen die Stadtentwicklung in Ostdeutschland schon seit etwa 1995. Diese Entwicklung
muss auch in den westdeutschen und westeuropäischen Städten spätestens ab 2020 erwartet werden. Dabei ist zu beobachten, dass die ostdeutschen Städte nicht gleichmäßig in der Fläche schrumpfen, sondern eine starke Bevölkerungsumschichtung
zwischen einzelnen Stadtteilen stattfindet. Beispielsweise nahm die Bevölkerung in der Altstadt von Erfurt zwischen 1998 und 2008 um 27 % zu, während der Plattenbau-Stadtteil Roter Berg im selben Zeitraum um 43 % zurückging. Für Erfurt und andere ostdeutsche Großstädte bedeutet dies, dass insbesondere innerstädtische Gebiete eine neuerliche Verdichtung erfahren,
während peripher gelegene Großsiedlungen völlig verschwinden könnten. Andernorts sind immer dünner besiedelte Städte und Stadtquartiere die Folge. Neue Brachflächen durch Abriss von Wohnbauten werden entweder anderen
Nutzungen zugeführt oder wieder Grünflächen. Die „perforierte Stadt“, „die Zwischenstadt“ (Thomas Sieverts)
sind Befürchtungen oder Perspektiven dieser Stadtentwicklung. Eine Antwort auf die schrumpfende Stadt ist der Stadtumbau.
Der Umgang mit bestehenden Stadtquartieren bekommt einen wachsenden Stellenwert in der Stadtplanung, da vielfach die vorhandenen Siedlungsstrukturen nicht mehr den heutigen Anforderungen genügen und planerische Maßnahmen erfordern. Der Stadtumbau
war und ist durch die hohen Leerstände in den Großwohnsiedlungen (Plattenbausiedlungen) der ostdeutschen Städte bereits eine konkrete Aufgabe, die durch Förderprogramme zum „Stadtumbau Ost“ und seit 2005
zum „Stadtumbau West“ bundesweit erweitert wurde. Die Aufwertung und der Rückbau in den betroffenen Stadtteilen sind die Ziele des Stadtumbaus. Bereits 1999 haben Bund und Bundesländer unter dem Programmtitel „Die Soziale Stadt“ ein Förderprogramm für „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“
aufgelegt. Ziel dieses Programms ist es, der sich verschärfenden sozialen und räumlichen Spaltung in den Städten gegenzusteuern. Im Vordergrund steht dabei eine Orientierung der Stadtentwicklung auf die Quartiersebene und die Einbeziehung der
betroffenen Bevölkerungsgruppen und der lokalen Akteure in den Stadtteilen (siehe Quartiersmanagement). Angestrebt wird ein
noch verstärkter ganzheitlicher Planungsansatz in der Form von Integrativen Stadtentwicklungskonzepten (ISEK) der über rein baulich-gestalterische Maßnahmen hinausgeht. Kommunale
Familienpolitik entwickelt sich zu einer der Schlüsselaufgaben von Städten. Angesichts des demographischen
Wandels ist die Ausgewogenheit des Generationenverhältnisses gefährdet. Die Familienfreundlichkeit einer Stadt hat daher für deren Nachwuchssicherung und Zukunftsoptionen große Bedeutung. Dabei muss sie den Anforderungen der
Menschen in verschiedenen Lebenssituationen und Lebensformen gerecht werden. In einer repräsentativen Befragung von Bürgermeistern im Jahr 2007 erwies sich „Familie, Jugend und Kinder“ als das wichtigste Feld kommunaler Politik.[22] Die Städte verbessern weiterhin ihre zumeist historischen Stadtzentren und zunehmend auch die Stadtteilzentren (siehe auch Städtebauförderung)
um Stadtbewohner und Besucher (Städtetourismus) anzuziehen. Der Standortwettbewerb der Städte untereinander und der Regionen nimmt zu. Sie konkurrieren als zum Beispiel Kulturhauptstadt, Sportstadt, Weinstadt, Fachwerkstadt, Residenzstadt, Seestadt, Theaterstadt usw. Durch Stadt(teil)management, durch Stadtmöblierungen, überdachte Straßen, Promenaden am Wasser, Stadt(teil)feste, Sport- und Kulturfeste, Festivals etc. wird eine
Belebung der Stadt- und Nebenzentren angestrebt. Diese Entwicklung wird sich in einer zunehmenden Freizeitgesellschaft fortsetzen. Auch im Computerzeitalter nimmt die Mobilität der Stadtbewohner zu. Das Verkehrsnetz wird deshalb weiter ausgebaut. Ökologische und ökonomische Gründe führen zu einer weiteren Verlagerung von Verkehrsbewegungen in den öffentlichen Verkehr (öffentlicher Personennahverkehr
(ÖPNV) und Bahn). Besonders an den Stadträndern, hin zu den Umlandgemeinden wird das Schienennetz von Stadtbahn, U-Bahn und S-Bahn erweitert. Kopfbahnhöfe erhalten Durchgangsanschlüsse (wie Münchner Hauptbahnhof,
Stuttgart 21) und neue ausgebaute Durchgangsbahnhöfe (wie Frankfurt (Main) Südbahnhof, Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe)
sowie neue Bahnhofsausgänge (wie Bremen Hauptbahnhof, Hannover Hauptbahnhof, Rostock Hauptbahnhof) entstanden und entstehen. die flächenmäßig drittgrößte Stadt Hessens: Oberzent, am 1. Januar 2018 durch Fusion von vier Gemeinden entstanden Die Stadt Oberzent im
Odenwaldkreis in Hessen ist beispielhaft
für den Versuch, durch Gemeindefusion der Probleme, wie z. B. der „Landflucht“, zu begegnen.[23] „Mit rund zehntausend Einwohnern ist Oberzent zwar keine Großstadt, der Fläche nach umfasst sie aber 165 Quadratkilometer
und avanciert somit zur drittgrößten Stadt des Landes – nach Frankfurt/Main und Wiesbaden. Oberzent ist freilich kein Kunstname, sondern bezeichnete schon im Mittelalter den Gerichtsbezirk in der Region …“[24] Chicago:
Deutlich heben sich die Hochhäuser der Downtown ab In den schnell wachsenden Städten Nordamerikas gibt es nur
wenige historische Stadtkerne mit typischen Merkmalen (ausgenommen zum Beispiel Boston und andere Städte des Nordostens). Sie sind geprägt von
einer starken Suburbanisierung, von einem schachbrettartigen Straßennetz, einer zunehmenden Segmentierung der Einwohnerschaft und
äußerlich durch die typische Skyline. Sie sind selten auf einen Mittelpunkt ausgerichtet. Das gleichmäßige Straßensystem der
Kolonialstädte findet sich im Südwesten unter anderem in Santa Fe, im Süden unter anderem New Orleans und im Nordosten unter anderem in New
Haven. Das Grundmuster aus Downtown, Übergangszone und Umland bildete sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts heraus. Hohe Bodenpreise und Raumenge führten ab etwa 1880 zum Bau von Hochhäusern
und Wolkenkratzern. Die USA haben einen Verstädterungsgrad von 77 % und Kanada einen von etwa 79 %. Beide Staaten gehören
damit heute zu den am stärksten verstädterten Nationen der Erde. Vor der Kolonialzeit bevölkerten Hochkulturen wie die Azteken, Maya, Olmeken, Zapoteken und Inka
das heutige Lateinamerika. Im Zentrum ihrer heute großenteils unbewohnten Städte befanden sich um Hauptplätze und Hauptwegeachsen Tempelanlagen,
Pyramiden, Paläste, Zeremonialzentren,
das Observatorium, Ballspielstätten usw., darum zumeist recht ungeordnet die Wohnstätten: Siehe unter anderem: Tenochtitlán (Azteken, Mexiko),
Chichén Itzá (Maya, Mexiko), Copán (Maya, Honduras) Palenque (Maya, Mexiko), Monte Albán bei Oaxaca (Zapoteken, Mexiko) und in einem Terrassen-, Treppen und Wegesystem wie in Machu Picchu (Inka, Peru) und die Inka-Terrassen bei Písac (Peru). Die spanischen Siedler ließen sich meist im kontinentalen Zentrum der Länder nieder. Das Zentrum der Stadt war, wie auch in Spanien, der Hauptplatz, die Plaza Mayor, mit Kathedrale, Rathaus und Regierungssitz, umgeben von Wohnvierteln als Schachbrettmuster in quadratischen Blocks (sogenannte
manzanas) von 120 m × 120 m. Im portugiesischsprachigen Raum wurden die Städte meist an der Küste gegründet, ursprünglich umgeben von Befestigungsanlagen. Es gab keine geometrischen Anordnungen.
Im 20. Jahrhundert wuchsen die Städte an den Haupt-Ausfallstraßen. Um die ausgewiesenen Wohngebiete legen sich oft Ringe von informellen
Siedlungen und Slums.
Das Modell der orientalisch-islamischen Stadt gehört zu den neueren Stadtmodellen der Stadtforschung. Nach dem Kulturerdteilkonzept lassen sich bei der Stadtentwicklung kulturraumspezifische Unterschiede in der Entwicklung von Städten feststellen. Orientalische Städte verfügen über eine mehr als 5.000 Jahre
dauernde Geschichte und zählen damit zu den ältesten Städten weltweit. Durch die politische, kulturelle und soziale Expansion
des Islams ab dem sechsten Jahrhundert wurde die orientalische Stadt zunehmend islamisch geprägt. Im 19. Jahrhundert führte der westliche
Einfluss zu einer erneuten Veränderung des Stadtbildes. Man unterscheidet daher zunächst das Modell der orientalisch-islamischen geprägten Stadt und das Modell der orientalischen Stadt unter westlichem Einfluss. Das Idealschema
der islamischen Stadt hatte als charakteristische Elemente die Hauptmoschee, daneben den Suq als Wirtschaftszentrum, die Wohnviertel mit strikter ethnischer Segregation und kleinere Subzentren mit eigener Mosche und Suq, die Stadtmauer sowie die an der Stadtmauer gelegenen Palastanlagen
und Friedhöfe.
Melbourne und Yarra River Die größten und bekanntesten Städte sind die Hauptstadt Canberra (321.300 Einwohner), eine Planhauptstadt, Sydney (4,2 Millionen Ew.), Melbourne (3,6 Millionen Ew.), Brisbane (1,8 Millionen Ew.), Perth (1,4 Millionen Ew.) und Adelaide (1,1 Mio. Ew.). In Australien wird der Status einer Stadt formell nur in einigen Staaten angewandt. Die meisten Staaten unterscheiden zwischen Citys und Towns. Als town bezeichnet man Städte, die kein Zentrum
der Bevölkerung sind, während eine city fast immer ein Zentrum der Bevölkerung ist. Die Schaffung und die Abgrenzung von Local Government Areas (Einheimische Staatliche Gebiete) ist die Aufgabe des jeweiligen Staats oder der Territorium-Regierung. In jedem Staat und dem Nordterritorium hat jedes eingetragene Gebiet einen offiziellen Status. Die verschiedenen LGA-Status sind gegenwärtig: - New South Wales: Citys (C) und Areas (A; Gebiete)
- Victoria: Citys (C), Rural Citys
(RC; Landstädte), Boroughs (B; Dörfer) und Shires (S; Landkreis)
- Queensland: Citys (C), Shires (S), Towns (T) und Island Councils
(IC; Insel-Räte)
- South Australia: Citys (C), Rural Citys (RC), Municipalitys (M; Gemeinden), District Councils (DC; Distrikt-Räte),
Regional Councils (RegC; Regional-Räte) und Aboriginal Councils (AC; Einheimischen Räte)
- Western Australia: Citys
(C), Towns (T) und Shires (S)
- Tasmanien: Citys (C) und Municipalitys (M)
- Northern Territory: Citys (C), Towns (T), Community Government Councils (CGC) und Shires (S)
Noch im 17. Jahrhundert war die Landwirtschaft Hauptbesteuerungsquelle, um die Finanznot zum Beispiel des französischen Königs zu
mildern. Ausgelöst durch die dann in England schon früh einsetzende Industrialisierung wenden sich englische Philosophen den nicht-landwirtschaftlichen Produktionsbereichen zu. Beeinflusst dadurch am Vorabend und im Zuge der Französischen Revolution
sowie eigener Industrialisierungsanfänge richten nun französische und sodann deutsche Gelehrte ihre Aufmerksamkeit immer stärker auf die Stadt als Ort sich anbahnenden industriellen und gesellschaftlichen Wandels. Karl Marx interpretierte die Stadt als Ort der Industrie, Arbeiterschaft und Angelpunkt gesellschaftlicher Umwälzung. An diesem veranschaulicht er, wie sich anfangs
auf sehr begrenztem Raum Stadtwirtschaft entwickelt in zunehmendem Widerspruch zu ihrer eigenen Enge, wie diese Enge gesprengt wird und in eine weiträumigere Stadtwirtschaft mündet. Die wiederum enthält – auf großräumigem Niveau
– den Widerspruch zur Enge, der wieder auf Sprengung und Erweiterung zu einer größeren Stadtwirtschaft hinsteuert bis zur Erweiterung auf globale Megastädte. An jenem Territorialprinzip entwickelt Marx auch seine Sicht vom Widerspruch
und dessen Lösung als vorwärtstreibende Kraft menschlicher Entwicklungen. Insgesamt bilden sich aus den Strömungen des 19. Jahrhunderts ganz unterschiedliche Betrachtungen zur Verbesserung der ausufernden Städte bis hin zu Ideen
verschiedener Architekten und Städtebauer. Die Vorstellungen haben sich bisher nur innerhalb bestimmter Grenzen realisieren lassen, da nicht die Philosophen und Soziologen und auch nicht die Städtebauer die Entwicklung der Städte wesentlich
beeinflussen, sondern die Menschen, die in einer Region siedeln, die ihnen Arbeit, Lohn, Essen und Unterkunft ermöglicht. Das führte und führt immer wieder dazu, nur reagieren zu können und zu Zweifeln in der Suche nach allgemein gültigen
Vorgehensweisen für eine lebenswerte Stadt. Der traditionelle zu eurozentrische Denkansatz könnte gewichtige Mängel haben. Eine Annahme, dass die Städte in der Welt mit der Entwicklung europäischer Städte verglichen werden
könne, entsprach nicht immer der Realität. Es gab keine wirkliche Erklärung, wann und warum Änderungen stattfanden. Eine von den gesamtgesellschaftlichen abgetrennte Sicht auf Städte ist problematisch. Sie impliziert, dass weder die
Geschichte einer Stadt noch die Kultur oder Verbindungen zu anderen Orten irgendeinen Einfluss auf die Stadt hätten. Es ist unklar, warum ein Ort als Stadt bezeichnet wird und ein anderer nicht. Eine zu starke Betrachtung der Stadtentwicklung aus dem
Blickwinkel der Stadtgeschichte entspricht nicht mehr den neueren Erkenntnissen von der Stadt mit seinen unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichtungen, von arm und reich, von traditionellen und neuen Stadtbewohnern. Dieser Punkt unterstreicht die multidimensionale
Sicht von modernen Ansätzen.
Die Verbindungen einer Stadt könnten den einzigartigen Charakter einer jeden Stadt erklären. So könnten Städte als Teile von Netzwerken gesehen werden: kulturelle, wirtschaftliche, regionale Netzwerke. Solche Netzwerke sind in Städten konzentriert und überlappen auch dort. Diese Konzentration von Verknüpfungen bedingt, dass eine
Stadt anders erlebt wird als ein Dorf. Die Netzwerke einer Stadt verbinden diese aber nicht nur mit anderen Städten, sondern auch mit dem Umland, ohne welches es nicht bestehen könnte. Mit Netzwerken ist es möglich, die funktionelle Entwicklung
von Städten zu erklären. Verschiedene Netzwerke gewinnen mit der Zeit an Bedeutung, kontrollieren sich gegenseitig und korrigieren Fehlerentwicklungen. Ein Beispiel: Vor der Ankunft der Spanischen Kolonialmacht in Mexiko waren Verbindungen zu Tenochtitlán (Mexiko Stadt) am wichtigsten, danach war eine Verbindung zu Spanien
und Madrid von größerem Vorteil. Die Konzentration von Netzwerken in Städten hilft auch, die Urbanisierung zu erklären. Es ist
der Zugang zu den Arbeitsstätten und zu bestimmten Netzwerken, der die Menschen anzieht. Da die verschiedensten Netzwerke sich in einer Stadt treffen, sammeln sich die Leute dort. Gleichzeitig bedeutet die Konzentration von Menschen die Einführung
von weiteren Netzwerken, von sozialen Verbindungen mit den Orten, von denen die Migranten kamen. Die Konzentration von Menschen steigert auch die Möglichkeit, dass neue Verbindungen geschaffen werden, denn er trifft auf eine viel größere Anzahl
Anderer, die gleich oder die anders sind. Die Offenheit von Städten in einer „Offenen Gesellschaft“ (Karl Popper) macht Städte
attraktiv, aber auch schwer überschaubar. Ein weiterer Aspekt gegenwärtiger Ansätze ist ein Blick auf interne Diversifikation in Städten. Die internen Unterschiede in einer Stadt sind mit den externen Netzwerken gekoppelt. Städte sind Orte, an denen sich Geschichten treffen, wo aus verschiedenen Kulturen und Verbindungen
etwas Neues geschaffen wird. Jede Verbindung einer Stadt zu anderen Orten funktioniert in beide Richtungen, es wird genommen und gegeben. Weder die internen Unterschiede noch die externen Verbindungen eines Ortes allein machen eine Stadt aus. Die internen
Unterschiede werden von externen Netzwerken beeinflusst. Gleichzeitig ermöglichen die vielen Netzwerke Verbindungen nach außen und damit Raum für die Schaffung von Unterschieden von innen. Divisionen und Verbindungen in Städten sind also
untrennbar, und nur wenn beide zusammen betrachtet werden, ist es möglich, eine Stadt zu begreifen. Immigration dient als Beispiel davon,
wie Divisionen und Verbindungen untrennbar sind. Migranten bringen ihre eigene Geschichte mit, wenn sie sich in einer Stadt niederlassen. Sie bringen auch
ihre Netzwerke in Form von Kontakten in anderen Ländern oder Religionen mit. Diese Netzwerke können auch bestehende Netzwerke stärken und deren Bedeutung beeinflussen. Die Geschichte, die die Migranten mitbringen dient auch dazu, mit anderen
zu identifizieren oder andere auszuschließen. Dies führt zu Segregation als auch zu Diversifikationen der Einwohnerschaft in Städten.
- Hans Paul Bahrdt: Die moderne Großstadt; Soziologische Überlegungen zum Städtebau. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1961 (= rowohlts
deutsche enzyklopädie, Band 127 DNB 450210693).
- Leonardo Benevolo: Die Geschichte
der Stadt. 7. Auflage. Campus, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-593-34906-X.
- Raimund Blödt, Frid
Bühler, Faruk Murat, Jörg Seifert: Beyond Metropolis. Eine Auseinandersetzung mit der verstädterten Landschaft. Sulgen, Zürich 2006, ISBN 3-7212-0583-9.
- Rainer Danielzyk u. a. (Hrsg.): Perspektive Stadt. Klartext, Essen 2010, ISBN 978-3-8375-0256-5.
- Ernst Egli: Geschichte des Städtebaues, Band 1–3. 1959–1967, DNB 456511733.
- Evamaria Engel: Die deutsche Stadt im Mittelalter. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37187-6.
- Edith Ennen: Die europäische Stadt des Mittelalters. Göttingen
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- Michael Gehler (Hrsg.): Die Macht der Städte. Von der Antike bis zur Gegenwart, Hildesheim
2010.
- Jean-Claude Golvin: Metropolen der Antike. Konrad Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1941-9.
- Carl Haase (Hrsg.): Die Stadt des Mittelalters. I–III, Darmstadt 1969, 1972 und 1973 (= Wege der Forschung,
243–245)
- Matthias Hardinghaus: Zur amerikanischen Entwicklung der Stadt. Lang, Frankfurt am Main 2004, ISBN
3-631-52529-X.
- Jürgen Hotzan: dtv-Atlas Stadt, Von den ersten Gründungen bis zur modernen Stadtplanung. 3. Auflage. dtv, München 2004, ISBN 3-423-03231-6.
- Le Corbusier: Entretien avec les étudiants des écoles d’architecture.
Éditions de Minuit, Paris 1957.
- deutsch von Hugo Seinfeld: An die Studenten – Die „Charte d’
Athènes“. (= rowohlts deutsche enzyklopädie Band 141), Reinbek bei Hamburg 1962, DNB
452741882.
- Vittorio Magnago Lampugnani: Die Stadt im 20. Jahrhundert. Visionen, Entwürfe, Gebautes. Wagenbach, Berlin 2010, ISBN 978-3-8031-3633-6. (2 Bände)
- Alexander Mitscherlich: Die Unwirtlichkeit
unserer Städte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1965, DNB 453395082.
- Wolfgang Müller:
Städtebau. 4. Auflage. Teubner, Stuttgart / Leipzig 1999, ISBN 3-519-35001-7.
- Lewis Mumford:
Die Stadt, Geschichte und Ausblick. (The city in history) Band 1 und 2, dtv, München 1979, 1980, ISBN 3-423-04326-1.
→ Weitere Titel: siehe Diskussionsseite
- ↑ Joachim Maschke: Die Bedeutung des Kulturtourismus
für städtische Destinationen. In: Kulturtourismus. Grundlagen, Trends und Fallstudien. R. Oldenbourg Verlag, München/Wien 1999, S. 83–104, auf S. 83.
- ↑ Walter Marquardt: Harburg – Stadt und Land. Sutton Verlag, Erfurt 2012, S. 25.
- ↑ Baedeker Reiseführer Niederlande. Verlag Karl Baedeker,
2016, S. 219.
- ↑ Der Fischer
Weltalmanach. 2007, S. 525 und 537.
- ↑ Der
Fischer Weltalmanach. 2008, S. 688.
- ↑ Kommunalverfassungsgesetz
und Kommunalwahlgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, S. 12 f. (PDF 682 KB) mi.sachsen-anhalt.de, abgerufen 10. September 2016.
- ↑ siehe Die Mitgliedsstädte des Deutschen Städtetages
- ↑ Bundesamt
für Bauwesen und Raumordnung
- ↑ Landesplanungsgesetz
der Bundesländer
- ↑ ROG, BauGB
- ↑ Vgl. zu dieser Auflistung: Jürgen Holtzan:
dtv-Atlas zur Stadt. Von den ersten Gründungen bis zur modernen Stadtplanung. München 1994, ISBN 3-423-03231-6,
S. 30/31.
- ↑ Michel Tarpin:
M. Tarpin, Colonia, Municipium, Vicus : Institutionen und Stadtformen, dans N. Hanel, C. Schucany (éd), Colonia, municipium, vicus. Struktur und Entwicklung städtischer Siedlungen in Noricum, Rätien und Obergermanien, Colloque,
Wien, 21-23.05.1997, BAR International Series, 783, Oxford, 1999, 1-10. (academia.edu [abgerufen am 1. Juli 2017]).
- ↑ RE:Pomerium – Wikisource. Abgerufen am 1. Juli 2017.
- ↑ Vgl. zusammenfassend Jens Uwe Krause, Christian
Witschel (Hrsg.): Die Stadt in der Spätantike. Niedergang oder Wandel? Akten des internationalen Kolloquiums in München am 30. und 31. Mai 2003. Stuttgart 2006, ISBN 3-515-08810-5.
- ↑ Ploetz: Raum und Bevölkerung in der Weltgeschichte. Ploetz-Verlag, Würzburg 1965.
- ↑ Der Luftkrieg über Deutschland, 1939–1945. dtv dokumente, 1963.
- ↑ Bayerischer Schulbuchverlag:
Großer historischer Atlas, Dritter Teil. S. 89.
- ↑
Ploetz: Raum und Bevölkerung. 1965, S. 186 ff.
- ↑
Vgl. Müller/Rietdorf, 2000, S. 57.
- ↑
Zur Stadterneuerung in der DDR und zu den Konflikten um Erhalt vs. Abriss in den Städten der DDR (Beispiele Rostock und
Halle) vgl. Frank Betker: „Einsicht in die Notwendigkeit!“ Kommunale Stadtplanung in der DDR und nach der Wende (1945–1994).
Stuttgart 2005, S. 311–340. Ein guter Überblick zum Städtebau in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis in die 1990er Jahre findet sich bei Thomas Topfstedt: Wohnen und Städtebau in der DDR. In: Ingeborg Flagge (Hrsg.): Geschichte des Wohnens. Band 5, Stuttgart 1999, S. 419–562 sowie Tilman Harlander: Wohnen und Stadtentwicklung
in der Bundesrepublik. In: Ingeborg Flagge (Hrsg.): Geschichte des Wohnens. Band 5, Stuttgart 1999, S. 233–418.
- ↑ Auszug aus den Aalborg Commitments 2004.
- ↑ Bertelsmann Stiftung, Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund: Beruf Bürgermeister/in. Eine Bestandsaufnahme für Deutschland. 2008, S. 52.
- ↑ Ludger Fittkau: Eine neue Stadt in
Hessen – Der Kampf gegen die Landflucht. In: Deutschlandfunk. 10. Dezember 2017 (deutschlandfunk.de [abgerufen am 26. Januar 2018]).
- ↑ Wolf Renschke: Aus vier mach eins.
Oberzent, die neue Stadt im Odenwald. In: Deutschlandfunk. 27. Januar 2018 (deutschlandfunk.de [abgerufen am 26. Januar 2018]).
Basel
Basel [ˈbɑːsəl]?/i (französisch Bâle,
italienisch Basilea, rätoromanisch
Basilea?/i)
ist eine Schweizer Grossstadt sowie Hauptort des Kantons Basel-Stadt, den sie mit den Gemeinden Riehen
und Bettingen bildet. Nach Zürich und Genf
ist Basel mit 171'513 Einwohnern die drittgrösste Stadt der Schweiz.[3] Die Grenzstadt Basel liegt am südlichen Ende der Oberrheinischen
Tiefebene und am westlichen Anfang der Hochrheinebene am Dreiländereck Schweiz-Deutschland-Frankreich und hat aus diesem Grund Vororte in allen drei Ländern. In der trinationalen Agglomeration der Stadt leben rund 830'000 Einwohner,[4] während
in der grossräumigeren Metropolregion Basel etwa 1,3 Mio. Einwohner leben. Die Bewohner Basels werden Basler genannt (bzw. Stadtbasler zur Differenzierung von den Bewohnern des Kantons
Basel-Landschaft). Die Stadt gliedert sich in das Grossbasel auf der linken (südwestlichen) Seite des Rheins
und das Kleinbasel am rechten Rheinufer. Das Zentrum Basels sind die Altstadt im Bereich Grossbasel rund um den Marktplatz – wo auch das Rathaus
(Baubeginn 1504) steht – und der über den Rhein emporragende Münsterhügel mit der Pfalz-Terrasse.
Die Mittlere Brücke verbindet die Altstadt auf beiden Seiten des Rheins. In der vom Autoverkehr befreiten Innenstadt verkehrt das Tram.[5] Im Jahr 1460 wurde in Basel die erste schweizerische Universität gegründet, an welcher über die Jahrhunderte hinweg unter anderem Erasmus
von Rotterdam, Paracelsus, Daniel Bernoulli, Friedrich
Nietzsche, Karl Jaspers, der Nobelpreisträger Tadeus Reichstein oder die Philosophin Jeanne Hersch lehrten und forschten.[6] In Basel fand 1897 ausserdem der erste Zionistische Weltkongress
unter Leitung von Theodor Herzl statt. Insgesamt fand der Kongress bis zur Staatsgründung Israels im Jahr
1948 zehn Mal in der Stadt am Rheinknie statt, mehr also als in jeder anderen Stadt der Welt.[7] Basel ist ein weltweites Zentrum der Chemie- und Pharmaindustrie, ein weltbekanntes Messezentrum sowie ein wichtiger Standort als Bankenplatz. So haben unter anderem die beiden Pharmafirmen Novartis und Hoffmann-La Roche sowie die Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich ihren Hauptsitz in Basel. Mit nahezu vierzig Museen auf dem gesamten Kantonsgebiet und einem breiten Kulturangebot, ist Basel auch für seine zahlreichen Kunst- und Kulturinstitutionen von Weltrang berühmt. Das städtische
Kunstmuseum stellt hier die gemeinhin als wichtigste erachtete öffentliche Kunstsammlung der Schweiz aus.[8]
Die Sammlung gilt mit dem im Jahr 1661 von der Stadt erworbenen «Amerbach-Kabinett» als eines der ältesten, öffentlich zugänglichen Kunstmuseen der Welt.[9]
Basel gilt heute neben anderen Schweizer Städten wie Zürich und Genf als eine der Städte mit der weltweit höchsten Lebensqualität.[10]
Der Münsterhügel Basels vom rechten Rheinufer aus betrachtet
Basel, Münsterhügel und Rheinpfalz Die im äussersten Nordwesten der Schweiz
gelegene Stadt liegt zu beiden Seiten des Rheins. Neben Teilen der Kantone Schaffhausen und Zürich gehört Kleinbasel mit dem nördlichen Teil des Kantons Basel-Stadt zu den einzigen Gebieten
in der Schweiz rechts des Hochrheins. Der Rhein ändert im Stadtbereich von Basel – beim Rheinknie zwischen dem Schweizer Jura und den Vorhöhen des Schwarzwalds – seine Flussrichtung von Ost-West nach Süd-Nord. Hier endet der Rheinabschnitt Hochrhein
und beginnt der Oberrhein. Kurz vor dieser Stelle mündet am höher gelegenen südlichen Rheinufer die Birs in den Hochrhein, welche die Grenze zum Kanton Basel-Landschaft bildet; auch der
von der Birs abgeleitete Kanal St. Alban-Teich von Süden kommend leitet Wasser in den Rhein. Unmittelbar unter der Mittleren Brücke
befindet sich die Mündung des Birsig, der damit der erste Nebenfluss des Oberrheins ist. Am flacheren nördlichen Ufer dehnen sich grosse Industriegebiete
aus, aus denen die Wiese in den Oberrhein zufliesst. Der die Stadt prägende Rhein gilt von seiner Mündung bis zur Basler Altstadt (historische Mittlere Rheinbrücke) als internationales Gewässer. Diese Verkehrsrechte erhielt die Schweiz 1868 durch die Mannheimer Akte. Dank
seiner Lage wurde Basel schon früh zum Knotenpunkt wichtiger Verkehrswege und damit ein bedeutender Handelsplatz. Die Stadt zählt deshalb zu den am dichtesten besiedelten Gebieten Europas, verfügt aber mit einer grossen Gemarkung über 320 ha Grünfläche und 71 ha Wald. Die Stadt Basel und die beiden Gemeinden Riehen und Bettingen weisen einschliesslich ihrer Wasserflächen
3694 ha auf und bilden damit den flächenmässig kleinsten Schweizer Kanton. Dennoch sind innerhalb dieses verhältnismässig kleinen Landstücks beträchtliche Höhenunterschiede vorhanden. Den tiefsten Punkt im Kanton Basel-Stadt misst man am Rheinhafen in Kleinhüningen mit 245 m, der Münsterplatz im Zentrum liegt 270 m über dem Meeresspiegel, und die höchste Erhebung liegt oberhalb Bettingen bei St. Chrischona mit 522 m – dort befindet sich auch der Fernsehturm St. Chrischona,
das höchste freistehende Bauwerk der Schweiz. Die
Nachbargemeinden von Basel sind (im Uhrzeigersinn): Die Stadt Basel hat dank der Lage im Rheintal durch die von der Burgundischen Pforte
einströmende mediterrane Luft ein äusserst mildes, sonniges Klima und im Vergleich zum Mittelland im Herbst wenig Nebel. Die Jahresmitteltemperatur liegt bei rund 11,5 °C.[11] Dies auch aufgrund der geschützten Lage wie in einem Talkessel. Es fällt vergleichsweise wenig Regen mit rund 842 mm im Jahr (Periode 1981–2010).[12] Es gedeihen auch deshalb verschiedene exotische Pflanzen- und Palmenarten ausgezeichnet. Die Sommer können sehr heiss ausfallen, während die Winter auch im Vergleich zur übrigen
Deutschschweiz meistens mild sind. Basel/Binningen 1981–2010 | Klimadiagramm | | Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Basel/Binningen
1981–2010 | Jan | Feb | Mär | Apr | Mai | Jun | Jul | Aug | Sep | Okt |
Nov | Dez | | | Max. Temperatur (°C) | 4,5 | 6,4 | 11,2 | 15,2 | 19,6 | 22,9 | 25,3 | 24,7 | 20,3 | 15,2 | 8,7 | 5,2 | Ø | 15 |
Min. Temperatur (°C) | -1,1 | -0,5 | 2,5 | 5,1 | 9,2 | 12,4 | 14,5 | 14,2 | 10,9 | 7,4 | 2,7 | 0,1 | Ø |
6,5 | Temperatur (°C) | 1,6 | 2,7 | 6,6 | 10,0 | 14,2 | 17,4 | 19,7 | 19,1 | 15,1 | 10,9 | 5,5 | 2,6 | Ø |
10,5 | | Niederschlag
(mm) | 47 | 45 | 55 | 64 | 99 | 86 | 91 | 80 | 78 | 73 | 59 | 66 | Σ | 843 |
| Sonnenstunden (h/d) | 2,3 | 3,1 | 4,0 | 5,1 | 5,7 | 6,5 | 7,2 | 6,8 | 5,3 | 3,6 | 2,4 | 1,7 | Ø | 4,5 | | Regentage (d) | 9,3 | 8,4 |
9,8 | 10,2 | 12,4 | 10,9 | 10,2 | 9,9 | 8,8 | 10,1 | 10,0 | 10,4 | Σ | 120,4 | |
Luftfeuchtigkeit (%) | 81 | 76 | 70 | 68 |
72 | 71 | 70 | 72 | 77 | 81 | 82 | 82 | Ø | 75,2 |
T e m p e r a t u r | | | | |
| | | | | | | | Jan | Feb | Mär | Apr | Mai | Jun | Jul | Aug | Sep | Okt |
Nov | Dez | N i e d e r s c h l a g | 47 |
45 | 55 | 64 | 99 | 86 | 91
| 80 | 78 | 73 | 59 | 66 | |
Jan | Feb | Mär | Apr | Mai | Jun | Jul | Aug | Sep | Okt | Nov | Dez | | Basel und Rheinknie von nordwestlicher Sicht aus der Vogelperspektive Basel liegt in einer
vom Rhein geschaffenen Senke, die von drei niederen bis mittleren Gebirgszügen umgeben ist, im Westen befinden sich die französischen Vogesen, im Osten der deutsche Schwarzwald, im Süden,
Südwest und -ost Ausläufer des Juras. Diese Senke hat wie oben erwähnt Auswirkungen aufs Klima der Stadt und Region. In Basel
beginnt somit die Oberrheinische Tiefebene. Die drei Platten des Schwarzwaldes, der Vogesen und des Juragebirges stossen in der Basler Senke aneinander und ihre fortlaufende Bewegung bewirkt eine potentielle Erdbeben-Gefahr. Basel ist eines der meistgefährdeten Erdbebengebiete der Schweiz.[13] Eines der grössten Erdbeben der Schweiz ereignete sich 1356 in Basel und forderte mehrere
hundert Tote. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts wurde die Idee geboren, mittels Geothermie Energie eines eingepressten unterirdischen Wasserreservoirs
in einer Tiefe von 5000 Metern unter der Stadt nutzbar zu machen. Die Betreiber unterschätzten jedoch die Erdbebengefahr. Nach Probebohrungen in den Jahren 2007 und 2008 musste das Projekt Deep Heat Mining Basel wegen einzelner Erdstösse
gestoppt[14] und das Gestein näher untersucht werden.[15][16] Im Januar 2012 kam es zu einem
Strafverfahren gegen die Betreiber des Projekts, das in einem Freispruch resultierte.[17]
Die Stadt Basel kennt keine politischen Bezirke oder Stadtteile, sondern gliedert sich zu statistischen Zwecken nach Wohnvierteln, den sogenannten
Quartieren. Es gibt 19 dieser Quartiere, die sich links und rechts des Rheins verteilen. - Linksrheinische Quartiere → Grossbasel: Altstadt Grossbasel, Vorstädte, Am Ring, Breite, St. Alban/Gellert, Gundeldingen, Bruderholz, Bachletten, Gotthelf, Iselin und St. Johann
- Rechtsrheinische
Quartiere → Kleinbasel: Altstadt Kleinbasel, Clara, Wettstein, Hirzbrunnen, Rosental, Matthäus und Klybeck sowie Kleinhüningen (1893
eingemeindet)
Quartier | Hektar | | Quartier | Hektar | Altstadt Grossbasel | 37,63 | Altstadt Kleinbasel | 24,21 | Vorstädte | 89,66 | Clara | 23,66 | Am Ring | 90,98 | Wettstein | 75,44 | Breite | 68,39 | Hirzbrunnen |
305,32 | St. Alban | 294,46 | Rosental | 64,33 | Gundeldingen | 123,19 | Matthäus | 59,14 | Bruderholz |
259,61 | Klybeck | 91,19 | Bachletten | 151,39 | Kleinhüningen | 136,11 |
Gotthelf | 46,62 | Stadt Basel | 2275,05 | Iselin | 109,82 | Riehen | 1086,10 |
St. Johann | 223,90 | Bettingen | 222,69 | | Kanton Basel-Stadt | 3583,84 | Jedes der Quartiere ist zusätzlich in Wohnbezirke unterteilt.
Einige Wohnbezirksnamen stehen in der Umgangssprache synonym für das Quartier, z. B. Wohnbezirk Kannenfeld (Quartier St. Johann), Lehenmatte (Quartier Breite) oder Gellert, Dreispitz und St. Jakob (Quartier St. Alban). Eine inoffizielle, stadtweit
bekannte Bezeichnung für Teile der Quartiere Bachletten und Gotthelf ist das Neubad. Die Herkunft des Namens Basel ist nicht eindeutig geklärt. Es wird angenommen, dass
der Name römischer Herkunft ist. Der frühere keltische Name des Ortes ist unbekannt. Wahrscheinlich leitet sich der Name vom gut belegten römischen Personennamen Basilius ab. Ortsnamen, die auf einen suffixlosen Personennamen zurückgehen, sind in der Westschweiz relativ häufig. Es handelt sich dabei meist um elliptische Wendungen, bei denen das ursprüngliche lateinische Gattungswort weggelassen wurde. Basel dürfte also eine elliptische Bildung aus einem ursprünglichen Ortsnamen vom Typus villa Basilis
sein.[18] Wer dieser namensgebende Basilius war, ist unbekannt. Es gab auch andere
Erklärungsansätze, zum Beispiel die Herleitung vom griechischen Basileus, König, (wovon sich auch der lateinische Personenname ableitet)
oder von Basilika; 1786 führte Peter
Ochs gar zwölf verschiedene Deutungen des Namens auf.[19] Alle diese alternativen
Erklärungsversuche werden heute aber verworfen.[18] Die älteste bekannte
Quelle, die den Namen Basel erwähnt, stammt vom römischen Historiker Ammianus Marcellinus, der berichtet,
dass Kaiser Valentinian im Jahr 374 mit seinen Truppen bei Basilia gelagert habe.[20]
Eine Handschrift der Diözese Basel, deren Alter unbekannt ist und die lediglich auf «vor 1461» datiert wird, erwähnt den Namen Basel in einem Bericht über Ereignisse, die in den Jahren 237/238 stattgefunden haben («Basileam
applicuerunt»).[21] Es ist aber unklar, ob daraus geschlossen werden darf, dass der
Name um 237 bereits in Gebrauch war. Die keltischen Namen sowohl der Siedlung Basel-Gasfabrik (s. u., Abs. Latènezeit) als
auch der Siedlung auf dem Münsterhügel sind unbekannt. Zwar erwähnt Marcellinus in seinem Bericht über Valentinian eine keltische Ortsbezeichnung Robur («quod appellant accolae Robur»), doch ist unklar, was
genau dieser Name bezeichnet: das rechtsrheinische Kastell, eine Flur, die Siedlung auf dem Münsterhügel oder noch etwas anderes.[18] Aus dem lateinischen Basilia bildete sich später zunächst die italienische Variante Basilea heraus, welche heute in fast allen romanischen Sprachen gebräuchlich ist;
einzige Ausnahme bildete die altfranzösische Variante Basle, die heute noch im englischsprachigen Raum verbreitet ist und aus welcher die heutige französische Schreibweise Bâle entstand. Die germanische Variante
setzte sich früh durch und ist mit wenigen Ausnahmen auch in den übrigen (ost)europäischen und aussereuropäischen Sprachen gebräuchlich; nur die westslawischen Sprachen sowie die griechische Sprache benutzen eine Variation des romanischen
Namens. Eine Besonderheit stellt das isländische Exonym Buslaraborg dar; es stammt aus dem um 1194 veröffentlichten Leiðarvísir des Mönchs Níkulás Bergsson und ist bis heute im isländischen Sprachgebrauch verbreitet.
Funde aus der Altsteinzeit sind in der Schweiz äusserst selten, da die Spuren während der letzten Eiszeit von den Gletschern zerstört
wurden. Lediglich die Region um Basel blieb in der letzten Eiszeit unvergletschert. Die älteste Spur menschlicher Anwesenheit in der Region ist ein 18 cm langer und gut 1 kg schwerer Faustkeil aus Silex, der 1974 bei Pratteln gefunden wurde. Während der Fund ursprünglich auf ein Alter von etwa 400'000 bis 300'000 Jahre datiert wurde, könnte er nach neueren Untersuchungen auch «lediglich» etwa 120'000 Jahre alt sein.[22] So oder so ist dieser Faustkeil das älteste erhaltene Werkzeug der Schweiz. Der Faustkeil
wurde also – je nach angenommenem Alter – von einem Homo heidelbergensis oder einem Neandertaler hergestellt. Der älteste menschliche Fund auf basel-städtischem Boden ist ein Faustkeil aus Silex, der in Bettingen gefunden wurde. Sein Alter wird auf 40'000 bis 60'000 Jahre geschätzt, er wurde also von einem Neandertaler hergestellt. Klimatisch dürften in der Region damals Bedingungen wie heute in Alaska geherrscht haben,
die Landschaft wurde von Grasland und Gruppen von Bäumen bestimmt. Die Neandertaler waren nicht sesshaft, sondern Jäger, die jahreszeitlich ihrer Beute folgten. Nach der letzten Eiszeit setzte um 9600 v. Chr. eine bis heute andauernde Warmphase ein. Die zuvor offene Landschaft verwandelte sich in Wälder.
Zweifellos lebten auch in der Mittelsteinzeit Menschen in Basel, doch sind aus jener Zeit in der Region keine Spuren erhalten. Ab dem 7. Jahrtausend v. Chr. änderte sich das Leben der Menschen in Mitteleuropa grundlegend. Die sesshafte bäuerliche Lebensweise
mit Viehzucht und Ackerbau verdrängte die nomadische Lebensweise der Jäger und Sammler. Die Schweiz war eines der letzten Rückzugsgebiete der mittelsteinzeitlichen Jäger und Sammler. Die ältesten gefundenen jungsteinzeitlichen Siedlungen
in der Region wurden um 5400 v. Chr. an verschiedenen Orten im Baselbiet errichtet. Deren Bewohner gehörten zur sogenannten Bandkeramik-Kultur.
In Basel-Stadt gibt es rund 50 jungsteinzeitliche Funde. Besonders in Riehen und Bettingen konnten die Siedlungsplätze recht genau eingegrenzt werden. Eine Siedlung am Rand des Schwarzwaldausläufers auf der heutigen Flur Riehen-Bischoffhöhe
wurde auf etwa 3900 v. Chr. datiert. Bis heute (2008) gibt es aber keine detaillierten archäologischen Untersuchungen. Die Fundstellen befinden sich immer auf fruchtbaren Böden in leichter Hang- oder Terrassendlage, die Überschwemmungsgebiete
von Rhein, Birs, Birsig und Wiese wurden gemieden. Nebst Ackerbau und Viehhaltung wurde auch immer noch die Jagd und das Sammeln von Wildfrüchten betrieben, was besonders bei schlechten Ernten überlebenswichtig war. Die Entdeckung der Bronze löste im 2. Jahrtausend v. Chr. weitreichende Veränderungen aus. Während das Kupfer in den Alpen verfügbar
war, musste das Zinn von weit her, vermutlich hauptsächlich aus England, importiert werden. So entwickelte sich ein gut organisierter Fernhandel. Die Kulturen und Glaubensvorstellungen glichen sich an: Begräbnisstätten und die Form von Gegenständen
glichen sich in ganz Mitteleuropa. Die Gesellschaft blieb dabei hauptsächlich bäuerlich. Um Basel gab es in der Bronzezeit (2000
– 800 v. Chr.) etliche Höfe und Dörfer. Sie lagen alle in der Nähe des Rheins, was dessen Bedeutung als Verkehrsachse widerspiegelt. Auch dürfte der Fischfang, vor allem während der Lachszüge, eine Bedeutung für die
Ernährung gehabt haben. Heute ist vom Holz der Häuser kaum noch etwas übrig und man kann diese Orte nur noch anhand von Scherbenfunden identifizieren. Die älteste bekannte bronzezeitliche Siedlung in der Region gehört in die Zeit um
1550 v. Chr. Sie befand sich in Kleinhüningen auf einer hochwassergeschützten Terrasse und war etwa 5000 m² gross. Weitere Siedlungen gab es im heutigen Kleinbasel und im «Dalbeloch». Um 900 v. Chr. entstand auf der Nordspitze
des Münsterhügels, dem Martinskirchsporn, die erste befestigte Siedlung Basels. Der auf drei Seiten steil abfallende Hügelsporn des Münsterhügels zwischen Rhein und Birsig drängt sich als natürliche Festung für eine Besiedlung geradezu auf. Die Siedlungsfläche betrug
etwa 7000 m². Ein 9 Meter breiter und 3 Meter tiefer Absperrgraben konnte nachgewiesen werden, besser erhaltene Fundstellen an anderen Orten legen nahe, dass hinter dem Graben auch ein holzarmierter Wall stand. Befestigte Siedlungen an topografisch
herausragenden und verkehrsgünstigen Lagen waren in der Bronzezeit verbreitet. Besonders in der Spätbronzezeit entstanden vielerorts gut zu verteidigende Höhensiedlungen. Der Siedlung auf dem Martinskirchsporn vorgelagert war ein 200
Meter breites, durch einen weiteren Graben gesichertes Vorglände. Funde von Brandschutt mit verziegeltem Lehm lassen darauf schliessen, dass die Siedlung einem Feuer zum Opfer fiel.
Ab 800 v. Chr. wurde in Mitteleuropa Eisen wichtig. Die bisherigen Handelsverbindungen wurden durch solche zu Eisenvorkommen, z. B. im Jura, ersetzt. Die Kontrolle der Eisenvorkommen sowie auch der Salzvorkommen lag in den Händen einer kleinen,
sehr reichen Oberschicht. Nach dem Tod wurden sie prunkvoll in riesigen Grabhügeln betattet, die man im Gelände noch heute erkennt (z. B. Hardhäuslischlag in der Muttenzer Hard südlich des «Waldhauses»). Von den Griechen
wurden diese Menschen Kelten, von den Römern Gallier genannt. Mit beiden standen sie in lebhafter Handelsverbindung. Die ältere Eisenzeit (Hallstattzeit, 800 – 450 v. Chr.) zeichnet sich in Basel vor allem durch eine
Fundleere aus. Bei Pratteln und Muttenz sind Siedlungen an beherrschender Stelle am Rande des Rheintals bekannt, und auch im weiteren Umland wurden Siedlungsspuren aus dieser Zeit gefunden. Es ist zwar anzunehmen, dass es auch in Basel Gehöfte gab, doch
konnten sie bis heute nicht nachgewiesen werden. Um 450 v. Chr. kam es zu sozialen und kulturellen Umwälzungen in den keltischen Gesellschaften. Die Sitte der grossen Grabhügel wurden
aufgegeben und es entstanden Flachgräberfelder. Die Menschen wohnten in Gehöften und verstreuten Weilern. Immer wieder brachen Leute auf, um sich anderswo niederzulassen. Besonders die Gegend südlich der Alpen war attraktiv, für
den Raum Basel war das Rhonetal und die burgundische Pforte ein wichtiger Weg zur mediterranen Welt. Es entstand ein Güter- und Kulturaustausch mit den Griechen, Etruskern und schliesslich Römern. Die neuen Ideen aus dem Mittelmeerraum führten
zu gesellschaftlichen Veränderungen. Die Latènezeit (450 – 50 v. Chr.) gehört zu den fundreichsten Epochen der Basler Geschichte. Um 150 v. Chr. entstand im Raum des heutigen Novartis-Campus eine grosse Siedlung, die bis 80 v.
Chr. bewohnt war. Entdeckt wurde sie 1911 auf dem Areal der damaligen Gasfabrik, entsprechend wird sie in der archäologischen Literatur «Basel-Gasfabrik»
genannt. Die Siedlung war unbefestigt und erstreckte sich über etwa 150'000 m². Die rechtwinklige Anlage der Strassen deutet auf einen planmässigen Siedlungsbau hin. In der Siedlung lebten über 500 Personen. Die Lage auf der
untersten Terrasse des Prallhangs des Rheins schützte die Siedlung vor Hochwasser, gewährte aber dennoch einen guten Zugang zum Rhein. Bemerkenswert ist, dass die Siedlung genau auf der Linie Elsässer Belchen–Kienberg-Burg liegt, die im Belchen-System eine Peillinie für die wichtigen keltischen Festtage Samhain und Imbolc ist.[23]
Die archäologischen Funde zeugen von Wohlstand und regen Handelsbeziehungen. Weinamphoren aus dem Mittelmeergebiet, Keramik aus Böhmen und Bernstein aus dem Baltikum zeigen, dass die Siedlung eine wichtige Drehscheibe des keltischen Fernhandels
war. Die gefundenen Münzen weisen auf ein Geldsystem hin, das sich an mediterranen Vorbildern orientiert. Funde zeugen davon, dass in der Siedlung hoch qualifizierte Handwerker arbeiteten, die die benötigten Rohstoffe teilweise importieren mussten.
Nach 100 v. Chr. führten innerkeltische Konflikte und das Vordringen germanischer Stämme aus Nordosten zu einer Phase der Unsicherheit. Gleichzeitig wurde auch das römische Imperium immer bedrohlicher. Ein verstärkter Schutz scheint
am Oberrhein ab 80 v. Chr., also noch vor Caesars Feldzügen, ein grosses Bedürfnis gewesen zu sein. Entlang des Rheins
entstanden befestigte Siedlungen, unbefestigte Grosssiedlungen wurden dagegen aufgegeben. Damals entstand eine befestigte Siedlung auf dem Münsterhügel, während Basel-Gasfabrik aufgegeben wurde. Die Siedlung auf dem Münsterhügel
war auf der Südseite mit einem mächtigen Wall (Caesar nannte diese Wälle Muri Gallici) und einem tiefen Graben gesichert.
Der Graben ist in der Topografie noch immer sichtbar (Bäumleingasse). Der Verlauf der keltischen Strasse entsprach der heutigen Ritter- und Augustinergasse. Die Bauweise der Strasse lässt auf Know-how aus dem Mittelmeerraum schliessen. Das Siedlungsgebiet
umfasste rund 55'000 m² und war somit auch für die damalige Zeit nicht besonders gross. Die ältere Siedlung Basel-Gasfabrik war rund dreimal so gross gewesen. Früher wurde angenommen, dass die Rauriker die Siedlung in der Rheinebene
im Jahr 58 v. Chr. verliessen, um zusammen mit den Helvetiern nach Gallien auszuwandern, und dass die Siedlung auf dem Münsterhügel entstand, nachdem sie von Caesar in der
Schlacht bei Bibracte geschlagen und in ihre Heimat zurückgeschickt worden waren.[24] Diese Ansicht gilt heute als überholt. Mit der Eroberung Galliens durch Caesar um 52 v. Chr. geriet auch die Region Basel unter römische Kontrolle. Die befestigte Siedlung auf
dem Münsterhügel war für die Kontrolle der Einfallsachsen ideal. Auch nach der Unterwerfung Galliens durch Caesar bestanden die keltischen Strukturen der Siedlung vorerst weiter. Keltische Adlige regierten im Auftrag Roms vom Münsterhügel
aus die umliegende Region. Dank der Konzentration von Handel, Handwerk und Herrschaft funktionierte die gut befestigte Siedlung (von den Römern wurden solche befestigten Siedlungen Oppida genannt) als regionales Zentrum. Verschiedene Funde lassen vermuten, dass einzelne römische Militärpersonen oder ein kleines römisches Truppenkontingent stationiert waren, um die Kontrolle über
die keltischen Alliierten sicherzustellen. Erst zu Beginn der augusteischen Epoche (also ab etwa 30–20 v. Chr.) wurden die spätkeltischen Bauten auf dem Münsterhügel abgerissen. Auch die umfangreiche Befestigungsanlage wurde niedergelegt
und es entstand ein sogenannter Vicus, eine römische dörfliche Siedlung. Die neu gegründete Koloniestadt Augusta Raurica, die am Knotenpunkt von mehreren Handelswegen lag und wo auch eine Brücke über den Rhein stand, war nun das administrative, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Region. Im frühen
1. Jahrhundert n. Chr. erstreckte sich der Vicus auf dem Münsterhügel über die Ruine des keltischen Befestigunswalls bis zum heutigen St. Alban-Graben. Das Zentrum des Vicus lag im Vorgelände des Münsterhügels an der Gabelung
der von Augusta Raurica kommenden Fernstrasse (Rittergasse zum Münsterhügel, Freie Strasse zur Schifflände). Die Anbindung an die Verkehrswege war nun wichtiger als die militärische Sicherung, der überregionale Verkehr wurde zu einer
wichtigen Erwerbsgrundlage. Vom 1. bis zum Ende des 3. Jahrhunderts stand Basel aber im Schatten von Augusta Raurica mit seinen Theatern,
Bädern, Tempelanlagen und dem Forum. In der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. verlegten die Römer die Grenze des Imperiums nach Norden. Damit war die Nordwestschweiz keine Grenzregion mehr. Es folgte die relativ friedliche Zeit
der Pax Romana mit einer wirtschaftlichen und kulturellen Blüte. Zuwanderer aus dem Mittelmeerraum liessen sich nördlich der Alpen nieder.
Die einheimische keltische Bevölkerung übernahm römische Sitten und Ernährungsgewohnheiten. Ab ca. 250 n. Chr. folgte eine Zeit innenpolitischer Krisen. Zudem kam es zu Bedrohungen von aussen. Germanische Völker, so etwa die Alamannen, drangen in die reichen römische Provinzen ein und überfielen die Bevölkerung. Die Grenze des Imperiums wurde wieder an den Rhein
zurückverlegt. Um 270/280 n. Chr. wurde der Münsterhügel mit einer Umfassungsmauer befestigt. Die Wohnsitze im Vorgelände wurden aufgegeben, deren Bewohner zogen entweder hinter die Befestigung oder wanderten ab. Dort, wo früher der
Murus Gallicus gestanden hatte, wurde eine neue Befestigungsmauer mit Graben errichtet. Für den Bau wurden Teile von abgebrochenen, teilweise repräsentativen
Bauten und sogar Grabsteine verwendet, was auf eine akute Bedrohungslage hinweist. Im 4. Jahrhundert wurde die Befestigung auf dem Münsterhügel Teil des ausgeklügelten Grenzsicherungssystems entlang des Rheins. Im Zusammenhang
mit diesem letzten grossen römischen Festungsbauprogramm wird der Name Basel zum ersten Mal genannt: Laut dem römischen Historiker Ammianus Marcellinus lagerte Kaiser Valentinian im Jahr 374 mit seinen Truppen bei Basilia.[20] Nach den Westgoteneinfällen in Italien im Winter 401/402 zog Rom einen Grossteil der Truppenkontingente
aus den nordalpinen Provinzen ab. Damit begann hier das Ende der römischen Herrschaft. Die Romanen, die Nachfahren der gallo-römischen Bevölkerung, waren nun weitgehend auf sich selbst gestellt. Die Sicherung der Grenzen besorgten teilweise
Alamannen und Franken als Föderierte Roms. Mit dem Tod des römischen Heermeisters Aetius endete um 454 die militärisch gestützte Macht der Römer nördlich der Alpen. Ein Teil der romanischen Bevölkerung wanderte ab, viele blieben aber hier und arrangierten sich mit den neuen germanischen
Nachbarn. Eingang des Olsbergerhofs an der Rittergasse 27. Das im Barockstil umgebaute Haus geht auf das Jahr 1389 zurück. Ende des 5. Jahrhunderts fiel Basel an die Franken, die sich ebenfalls in und um Basel niederliessen. Eine kontinuierliche Besiedlung Basels ist jedoch erst wieder ab dem 7. Jahrhundert archäologisch gesichert. In diese Zeit fällt die erste inschriftliche
Nennung Basels auf einer dort geprägten Goldmünze (Basilia fit). In der ersten Teilung des Frankenreichs fiel Basel in den Herrschaftsbereich von Lothar I. Mit dem Vertrag von Meerssen fiel Basel 870 an das Reich Ludwig des Deutschen, kam aber um 926/935 an das Königreich Hochburgund. 917 wurde die Stadt Basel durch die Magyaren zerstört und geplündert;
zu den Todesopfern zählte auch der damalige Bischof. 1006/32 wurde Basel dem römisch-deutschen Reich
angegliedert. Bereits im frühen 7. Jahrhundert ist ein Bischof bezeugt, der wie seine Nachfolger wohl bereits die Herrschaft in der Stadt ausübte. Der Bischofssitz
war aus dem durch die Alamannen verwüsteten Augusta Raurica nach Basel verlegt worden. Unter Bischof Haito entstand in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts eine erste Kathedrale auf dem Münsterhügel, die dann durch einen 1019 geweihten frühromanischen Bau ersetzt wurde.[25] 1091 wurde der Kornmarkt der Stadt, der heutige Marktplatz,
erstmals erwähnt. Gegen 1100 erhielt die Stadt die erste Stadtmauer; weitere folgten in der Mitte des 13. und gegen Ende des 14.
Jahrhunderts. Unter Bischof Heinrich von Thun erfolgte um 1225 der Bau der ersten Basler Rheinbrücke und in der Folge entstand die Stadt Kleinbasel zur Brückensicherung. Karte der historischen Entwicklung des Gebiets der Basler Kantone Mehrere schwere Schicksalsschläge
musste die Stadt im 14. Jahrhundert verkraften. 1348 starb annähernd die Hälfte der Bevölkerung während einer Pestepidemie, in deren Folge
die jüdische Bevölkerung auf einer Rheininsel bei Birsfelden verbrannt wurde, was als Basler Judenpogrom in die Geschichte einging, und nur acht Jahre später (1356) ereignete sich das Basler
Erdbeben. Das bis heute schwerste Erdbeben Mitteleuropas forderte zwar nur wenige Opfer, doch der anschliessende Grossbrand legte
grosse Teile der Stadt in Schutt und Asche. Dabei wurde auch die Stadtchronik vernichtet, die ab 1357 mit dem Roten Buch –
dem heute ältesten Buch der Stadt – wieder neu angelegt wurde. Infolge eines Aufruhrs vom 26. Februar 1376, der als Böse
Fasnacht in die Geschichte einging, wurden der Stadt Basel vom habsburgischen Herzog Leopold III. harte Sanktionen auferlegt.[26][27] In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts beginnt die städtische Selbstverwaltung durch einen urkundlich ab 1185/90 belegten Rat aus Rittern und Bürgern, der
mit Schultheiss, Bürgermeister (ab 1253) und Stadtschreiber die Geschicke der Gemeinde lenkte. Der Bischof als Stadtherr
ernannte zunächst den Rat und einen Vogt. Erste Konflikte um die Kontrolle der Stadt entschied der Bischof Mitte des 13. Jahrhunderts zu seinen Gunsten. Versuche der Habsburger, die Stadt in ihren Herrschaftsbereich einzugliedern scheiterten im 14. Jahrhundert,
spalteten jedoch die Bürgerschaft in zwei Parteien: Die pro-Habsburgischen «Sterner» und die anti-Habsburgischen «Psitticher».[28] Die Bürgerschaft von Grossbasel erwarb 1392 von Bischof
Friedrich von Blankenheim die Stadt Kleinbasel für 29'800 Gulden. In dieser Zeit erwarb sich die Stadt vom Bischof auch pfandweise die wichtigsten Regalien (Münz- und Zollrecht, Schultheissengericht usw.). Basel wurde damit zwar faktisch unabhängig vom Bischof, konnte aber dessen nominelle Oberherrschaft bis um 1500 nicht ablösen.
So bestimmten zwar die Bürger die Inhaber wichtiger Ämter, die feierliche Amtseinsetzung erfolgte jedoch weiter durch den Bischof. Basel galt deshalb nicht als freie Reichsstadt.[28] Eine wichtige Rolle im politischen und sozialen Leben Basels spielten die Zünfte, die in zwei Gruppen, die Herrenzünfte und die Handwerkerzünfte aufgeteilt waren. Im Rat waren seit
1337 neben vier Rittern und acht sog. Achtburgern (lehensfähige Bürgerschaft) 15 Vertreter der Zünfte vertreten. Zu letzteren stiessen 1382 noch die 15 Zunftmeister. Die Zünfte bildeten überdies in der Stadtregierung unter ihrem Oberzunftmeister
ein eigenes Kollegium das grosses politisches Gewicht hatte. Das Konzil von Basel, das 1439 den Gegenpapst Felix V. wählte (→ Papstwahl am Basler Münster), tagte von 1431 bis 1449 in der Stadt. Um 1433 begann die Papierfabrikation in Basel. Ein eidgenössisches Kontingent unterlag 1444 in der Schlacht bei St. Jakob einem französischen Söldnerheer. Die Universität, die erste im Gebiet der heutigen Schweiz, wurde 1460 durch Papst Pius II. gestiftet. 1471 verlieh
Kaiser Friedrich III. der Stadt das Messeprivileg. Um diese Zeit wurde in Basel auch der Buchdruck eingeführt. In der Folge kam es zu einem kulturellen
Aufschwung: Neben dem Humanisten Erasmus von Rotterdam weilten auch Paracelsus, Sebastian Brant und Hans Holbein der Jüngere in Basel. Um 1400 begann die Stadt Basel durch die Erwerbung bischöflicher Herrschaften durch Pfand
oder Kauf ein eigenes Territorium aufzubauen, vorerst jedoch nicht sehr erfolgreich. Es gelang zwar einige Herrschaften im Sisgau zu gewinnen, der Versuch der Expansion ins Laufental und über den Hauenstein (Olten) scheiterte jedoch. Gegenüber der
Eidgenossenschaft verhielt sich Basel ambivalent. Während sie in den Burgunderkriegen auf Seiten der Eidgenossen kämpfte, blieb
sie im Schwabenkrieg neutral. Zwischen Solothurn und Basel entstanden zeitweise heftige Konflikte um die Herrschaftsrechte im Sisgau, vor allem
wegen Dorneck. Den eigentlichen Abschluss der Bildung des Territoriums der Stadt Basel bildete der Erwerb von Pratteln 1525, wodurch die Herrschaftsgebiete
verbunden wurden. Bis zum Ende des Stadtstaates 1798 konnten nur noch kleinere Erwerbungen gemacht werden.[29]
Nach dem Schwaben- bzw. Schweizerkrieg 1499 wandte sich Basel der Eidgenossenschaft zu, der es
am 13. Juli 1501 als elfter Ort beitrat. Eine Änderung in der Ratsverfassung, die den Zünften die Vormachtstellung sicherte, erfolgte 1521. Gleichzeitig erfolgte die einseitige völlige Emanzipation von der Herrschaft des Bischofs, indem
nun die Besetzung der Ämter auch formell durch den Rat vorgenommen wurde. Der in Basel wohnhafte Humanist Erasmus von Rotterdam
liess hier 1516 und 1519 das griechische Neue Testament mit seiner lateinischen Übersetzung drucken. Sowohl der deutsche Reformator Martin Luther
als auch der englische Geistliche William Tyndale nutzten die zweite Ausgabe als Grundlage für ihre Bibelübersetzungen. Johannes Oekolampad arbeitete 1515 bis 1516 bei Erasmus und kehrte dann 1522 als Pfarrer und Professor nach Basel zurück, wo er der wichtigste
Reformator der Stadt wurde. 1525 feierte er mit seiner Gemeinde das erste evangelische Abendmahl, 1526 erschien seine Gottesdienstordnung und 1528 heiratete er Wibrandis Rosenblatt. Nach einem Bildersturm und Zunftaufstand trat Basel 1529 zur Reformation über. Am 12. Mai 1529 siedelten die Domherren und Kapläne, welche nicht zur Reformation wechselten oder auf ihre Nebenpfründen zogen, nach Freiburg im Breisgau um. Am 28. August 1529 schloss das Domkapitel mit der Stadt Freiburg einen Vertrag über die rechtlichen und steuerlichen Belange, den Erwerb von Häusern, Kapitel- und Amtshaus sowie über die Benützung des Münsters. Damit war Basel nicht mehr der
Sitz des Bischofs und auch nicht mehr des Domkapitels und wurde es auch nie wieder. Verwaltungssitz des Domkapitels war ab 1587 das Stürtzelsche
Haus, heute Basler Hof genannt. 1585 erwarb die Stadt im Vertrag von Baden auch formal alle bischöflichen Herrschaftsrechte in der Stadt und
über ihr Herrschaftsgebiet und wurde damit endgültig unabhängig. 1535 kam der verfolgte Johannes Calvin aus Frankreich
und fand Aufnahme in Basel. Er schrieb hier seine Institutio Christianae religionis (deutsch: Unterricht in der christlichen Religion), eine der wirkungsvollsten evangelischen Schriften, die 1536 in Basel gedruckt wurde.[30] Basel war (ähnlich wie Genf) 1530 bis 1700 für italienische und französische evangelische Glaubensflüchtlinge
wichtiger Zufluchtsort und neue Heimat geworden. Die zugewanderten Familien waren aber nicht nur eine Last für die Stadt, sondern auch eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereicherung durch ihre Bildung und Kenntnisse in Seidenproduktion und -handel
und in der Textilfärberei, die sie mitbrachten und in der Stadt ansiedelten.[31] 1543 erschien
in Basel das erste komplette Lehrbuch der menschlichen Anatomie De Humani Corporis Fabrica (Über den Bau des menschlichen Körpers)
von Andreas Vesalius (1514–1564), das in der Offizin von Johannes Oporinus gedruckt wurde.[32] Das Gymnasium wurde 1589 in der Nachfolge der Lateinschule des Domstifts gegründet (heute Gymnasium am Münsterplatz). Während eines Zeitraums von 50 Jahren wurde Basel von fünf schweren Pestepidemien heimgesucht: Von 1563 bis 1564 starben in der «Grossen Sterbendt» 4000 Einwohner –
ein Drittel der damaligen Stadtbevölkerung. Die Pest kehrte in den Jahren 1576–1578 (etwa 800 Tote), 1582–1583 (etwa 1200 Tote), 1593–1594 (etwa 900 Tote) und ein letztes, aber vernichtendes Mal 1609–1611 (etwa 3600 Tote) zurück.
Gliederung des Stadtstaates Basel im 18. Jahrhundert 1648 vertrat der Basler Bürgermeister
Johann Rudolf Wettstein die Eidgenossenschaft am Friedenskongress in Münster und erreichte die Anerkennung der Eidgenossenschaft durch die damaligen Grossmächte. Frankreich bedrohte Basel jedoch ab 1681 durch die Festung Hüningen direkt an der Stadtgrenze. Die Stadt Basel verwaltete ihr Herrschaftsgebiet durch vom Rat eingesetzte Landvögte. Es bestanden die Ämter Farnsburg, Homburg, Kleinhüningen, Liestal, Münchenstein, Riehen und Waldenburg. Konflikte zwischen der städtischen Herrschaft und der Landbevölkerung eskalierten in den Bauernkriegen 1525 und 1653 sowie im Rappenkrieg 1591–1594, die Stadt schlug diese Aufstände jedoch blutig nieder. Der Ankauf des Amerbachschen
Kunstkabinetts, des Grundstocks aller städtischen Sammlungen, insbesondere des Kunstmuseums, erfolgte 1662. Die Gründung des
Handelshauses Johann Rudolf Geigy ist auf 1758 datiert, 1795 beendete der Friede von Basel den Krieg zwischen Frankreich, Spanien und Preussen Am 20. Dezember 1790 hob der Grosse Rat von Basel als Reaktion auf die Französische Revolution im städtischen Herrschaftsgebiet die Leibeigenschaft auf. Nach der Durchreise Napoleons am 24. November 1797 kam es trotzdem im Januar
in der Landschaft zu Aufständen und zum Sturm auf die Landvogteischlösser Waldenburg, Farnsburg und Homburg. Darauf übernahmen die reformerisch und revolutionär gesinnten «Patrioten» um den Oberstzunftmeister Peter Ochs die Macht und erklärten die Gleichberechtigung aller Kantonsbürger. Die Basler Nationalversammlung, eines der ersten Parlamente der Schweiz,
setzte sich zu gleichen Teilen aus je 20 Vertretern der Stadt und der Landschaft zusammen und leitete weitreichende Reformen ein.[33] Mit dem Inkrafttreten der Helvetischen Verfassung am 12. April 1798 löste sich dieses Parlament auf und der alte Stadtstaat Basel hörte formell auf zu existieren. Basel war nun theoretisch eine normale Gemeinde
des Kantons Basel der Helvetischen Republik, bildete jedoch einen eigenen Distrikt. Als Folge der Einführung des einheitlichen
Bürgerrechts in der Helvetischen Republik wurde auch in Basel die Einwohnergemeinde («Munizipalität») von der Bürgergemeinde getrennt. Der Anteil der Bewohner der Stadt, die Mitglied der Bürgergemeinde waren, sank deshalb bis
1815 auf noch 37 %, während 1779 noch 51 % der Einwohner das Bürgerrecht innehielten.[34]
Als 1815 der Wiener
Kongress die ewige bewaffnete Neutralität der Schweiz anerkannte, wurde
das ehemalige Fürstbistum Basel zwischen Bern und Basel aufgeteilt: Der Jura und das Laufental gingen an Bern, während Basel die ehemaligen bischöflichen Vogteien Birseck und Pfeffingen zugesprochen wurde.
Im August 1815 feierte Basel Erzherzog Johann von Österreich, der die Festung Hüningen, von der aus Basel immer wieder beschossen und erpresst worden war, zur Kapitulation gezwungen hatte und auf Bitte der Basler Bürger auch gleich schleifte.[35] Am 4. August 1819 fand die letzte Hinrichtung
statt (Baselland: 1851). Drei Mitglieder einer Räuberbande wurden am Erdbeergraben vor dem Steinentor enthauptet. Der Hinrichtung wohnten 20'000
Schaulustige bei, mehr als Basel damals Einwohner hatte. 1814 wurde die politische Vorherrschaft der Stadt über die Landschaft wiederhergestellt, in dem die Stadt ein unverhältnismässiges Übergewicht an Sitzen im Grossen Rat erhielt.
Im Jahr 1833 wehrten sich die Landgemeinden (Baselbiet) nach längerem Widerstand erfolgreich gegen die Dominanz der Stadt. Nach der Schlacht an der Hülftenschanz, welche die Stadt verlor, konstituierten sich die Landgemeinden als eigener Halbkanton Basel-Landschaft, nur die rechtsrheinischen Gemeinden Riehen,
Bettingen und das 1907 in die Stadt eingemeindete Kleinhüningen verblieben bei Basel und bildeten fortan den Halbkanton Basel-Stadt (→
Basler Kantonstrennung). 1832 erreicht das erste Personen-Motorschiff Basel (MS Stadt Frankfurt). Der erste
Zug der Schweiz fuhr 1844 von Saint-Louis her in Basel ein. 1849 erfolgte der Bau der Museen an der Augustinergasse, und nach 1859 wurden die Stadtmauern geschleift; nur einige der grösseren Tore wie das Spalentor blieben erhalten. Vom 26. bis zum 29. August 1897 fand der von Theodor Herzl und David Farbstein organisierte erste Zionistische Weltkongress in Basel statt. Auf dem Kongress wurde die «Schaffung einer öffentlich und gesetzlich gesicherten Heimat für das jüdische Volk in Palästina» beschlossen. Zu diesem Zweck wurden ein Fonds und eine
«jüdische Bank» (später Bank Leumi) gegründet. Insgesamt fand der Zionistische Weltkongress zehn Mal in Basel statt, mehr
als in irgendeiner anderen Stadt weltweit.
Aufnahme der Mittleren Brücke, 1950er-Jahre Basel wurde während der
Industrialisierung zu einer der bedeutendsten Industriestädte der Schweiz. Um 1900 wurde Basel vom Kantonsstatistiker im internationalen
Vergleich als «eindeutige Fabrikstadt» bezeichnet. Die Stadt zählte noch bis um 1980 überdurchschnittlich viele Arbeiter.[36] Zu den bedeutendsten Ereignissen der Basler Geschichte zählt der in Vorahnung der kommenden Ereignisse ausserordentlich anberaumte Internationale Friedenskongress der Sozialisten im November 1912. Die beiden Weltkriege erlebte Basel durch seine
grenznahe Lage intensiver als die anderen grossen Städte in der Schweiz. Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln war immer sichergestellt, aber schwieriger als in der inneren Schweiz. Der Streikparole des Landesstreiks von 1918 folgte in Basel fast die ganze Arbeiterschaft.[37]
Am Nationalfeiertag, dem 1. August 1919, kam es nach Streiks der Färber zu Unruhen, bei denen das Militär auf Demonstranten schoss. Es waren fünf Tote zu beklagen.[38] In den Dreissigerjahren wurde die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Bank der Zentralbanken, in Basel domiziliert. 1939 kaufte und rettete das Kunstmuseum Basel 21 «entartete» Kunstwerke aus Deutschland, Werke von Paula Modersohn-Becker (3), André
Derain (2), Marc Chagall (2), Franz
Marc (2), Oskar Kokoschka, Emil
Nolde, Paul Klee, Otto Dix, Max Beckmann, Lovis Corinth
(2), Oskar Schlemmer (2), Georg
Schrimpf (2) und Ernst Barlach.[39] Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, am 4. März 1945,
wurde der Güterbahnhof Wolf in Basel irrtümlich von den Westalliierten bombardiert.[40] Die Schäden blieben gering. Der Flughafen Basel-Mülhausen
wurde 1953 als binationaler Flughafen eingeweiht. 1993 wurde er trinational, der Name ist nunmehr offiziell Basel Mulhouse Freiburg. Seine zweitausendjährige
Stadtgeschichte feierte Basel 1957. Die Regio Basiliensis für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wurde 1963 gegründet.
1966 erhielten die Frauen das kantonale Stimmrecht. 1969 scheiterte die Wiedervereinigung von Basel-Stadt und Basel-Landschaft am Nein der Stimmberechtigten in Basel-Landschaft. In den 1970er Jahren häuften sich die Hausbesetzungen in Basel. Das Fernheizkraftwerk Volta ging 1980 in Betrieb. Am 1. November 1986 ereignete sich im nahen Schweizerhalle
ein schwerer Chemieunfall, der für die Bevölkerung glimpflich ausging. Der Rhein wurde jedoch vom
Löschwasser verseucht. 1989 wurde das Basler Übereinkommen zur Kontrolle der grenzüberschreitenden Abfallwirtschaft in Basel zur Unterschriftsreife gebracht. In den 1990ern erfolgte die Fusion von Sandoz und Ciba-Geigy zu Novartis
sowie des Schweizerischen Bankvereins und der Schweizerischen Bankgesellschaft zur UBS. Erstmals seit 1950 gibt es in Basel wieder eine linke Regierungsmehrheit,
als es 2004 durch die Stadtwahlen rot-grün wurde. 2006 erhielt Basel-Stadt eine neue Verfassung,[41]
mit der unter anderem der Grosse Rat von 130 auf 100 Mitglieder reduziert wurde und das Amt eines Regierungspräsidenten
eingeführt worden ist. 2014, mitten im Ukraine-Konflikt, fand in Basel das Ministertreffen der in diesem Jahr von der Schweiz präsidierten Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit rund 1‘200 Delegierten aus 57 Staaten statt. 2015 wurde Basel der Ehrentitel «Reformationsstadt Europas» durch die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa verliehen.[42] Die Stadt Basel (Einwohnergemeinde)
zählt ohne die beiden Landsgemeinden 171'513 Einwohner (31. Dezember 2017) und belegt damit hinter Zürich und Genf den dritten Rang in der Schweiz.[3]
Der Kanton Basel-Stadt hingegen zählt insgesamt 193'908 Einwohner.[3] Die trinationale Agglomeration Basel zählt insgesamt 830'000 Einwohner in der Schweiz,
Deutschland und Frankreich.
Tabelle zur Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Basel (Zahlen ab 1900 inkl. Kleinhüningen):[43]
Einwohnerentwicklung von Basel Jahr | Einwohner
der Gemeinde Basel | | Jahr | Einwohner der Gemeinde Basel | 1774 | 15'040 | 1910 | 132'276 | 1815 | 16'674 | 1920 | 135'976 |
1835 | 21'219 | 1930 | 148'063 | 1847 | 25'787 | 1941 | 162'105 | 1850 | 27'170 | 1950 | 183'543 | 1860 | 37'915 | 1960 |
206'746 | 1870 | 44'122 | 1970 | 212'857 | 1880 | 60'550 | 1980 | 182'143 | 1888 | 69'809 | 1990 | 178'428 | 1900 |
109'161 | 2000 | 166'558 | Tabelle zur Bevölkerungsentwicklung der trinationalen Agglomeration Basel:[44] Jahr | Agglomeration Basel, Einwohner | in der Schweiz | in Deutschland | in Frankreich | Einwohner
ganze Agglomeration Basel | 2000 | | 479'308 | 188'553 | 63'306 | 731'167 | 2014 | | 532'185 | 206'267 | 92'306 | 830'758 |
Das durch die Industrialisierung typische und kontinuierliche Bevölkerungswachstum im 19. Jahrhundert fand auch
in Basel statt. Durch diesen raschen Anstieg wuchs die Stadt hinter Zürich zur zweitgrössten in der Schweiz an. Durch die engen Kantons-
und Landesgrenzen konnte die Stadt Basel mit der Ausnahme von Kleinhüningen nicht durch Eingemeindungen wachsen, wie das bei den anderen grossen Schweizer Städten der Fall war. Mit der Industrialisierung entstand eine Oberschicht der alteingesessenen
Bürger (Daig), die bis ins 20. Jahrhundert ihre Abgeschlossenheit bewahrte und die ursprüngliche Form des Baseldeutsch sprach. Während die Einwohnerzahl der trinationalen
Agglomeration kontinuierlich steigt, nahm seit 1970 die Bevölkerung der Kernstadt infolge der Suburbanisierung merklich
ab. Im Zeitraum von 1970 bis 2005 verliessen über 51'000 Schweizer Bürger Basel und zogen in das angrenzende Umland. Im gleichen Zeitraum zogen
zwar rund 12'000 Ausländer in die Stadt, die Nettoabnahme von 39'000 Einwohnern führte trotzdem dazu, dass die Stadt Genf Mitte der 1990er Jahre Basel
in Bezug auf die Einwohnerzahl überholte. Die Abwanderung steuerlich potenterer Bevölkerungsgruppen war zeitweise in Verbindung mit dem Steuerwettbewerb
unter den Kantonen für den Stadtkanton ein besonderes Problem.[45] Im Jahr 1529 setzte sich in Basel unter der Mitwirkung von Johannes Oekolampad die Reformation durch, die schnell wichtige Persönlichkeiten wie den Stadtschreiber Caspar
Schaller für sich gewinnen konnte. Unter dem Druck des revolutionären Frankreich, welches
die Schweiz von 1798 bis 1815 kontrollierte, wurde 1798 offiziell die Glaubensfreiheit gewährt. Im Jahre 1910 wurde die Trennung von Kirche und Staat vollzogen sowie die christkatholische Kirche neben der evangelisch-reformierten Kirche als öffentlich-rechtliche
Körperschaft anerkannt. 1972 erfolgte dies auch für die römisch-katholische Kirche sowie die Israelitische Kultusgemeinde. Infolge der Trennung von Kirche und Staat wird in Basel-Stadt die Erhebung der Kirchen- bzw. Kultussteuer direkt durch
die vier öffentlich-rechtlich anerkannten Körperschaften und nicht durch die Steuerverwaltung vorgenommen. Heute zählt Basel über 300 christliche und nichtchristliche Religionen, Kirchen, Freikirchen und andere religiöse Gemeinschaften. Zu den nichtchristlichen Religionen, welche in Basel vertreten sind, gehören die jüdische Gemeinde, der Islam, die Aleviten,
die Hindus, die Sikhs, die Buddhisten und neuere religiöse Bewegungen. Basel hat sich damit von einer rein reformierten zu einer multireligiösen Stadt entwickelt.[46] Ausserordentlich ist, dass nahezu die Hälfte der Basler Gesamtbevölkerung, also knapp 45 %
sich heute als konfessionslos bezeichnen und somit mit keiner religiösen Institution verbunden sind.[47] In Basel bilden die Konfessionslosen die grösste Gruppe.
Evangelisch-reformierte Pauluskirche Die Stadt Basel ist traditionell reformiert geprägt.
Sie ist eine der zehn Schweizer Städte, die 2017 vom Evangelischen Kirchenbund
das Etikett «Reformationsstadt» verliehen bekommen haben.[48] Die Evangelisch-Reformierte Kirche Basel ist als öffentlich-rechtliche Körperschaft mit eigener Steuerhoheit ausgestattet, welche jedoch selbstständig, also nicht direkt mit dem Staat zusammen, wie in anderen Kantonen, eingetrieben werden müssen. Damit ist sie finanziell und organisatorisch
unabhängig vom Kanton. Obwohl durch die zunehmenden Kirchenaustritte auch die dominierende Stellung der Evangelisch-Reformierten Kirche zurückgeht, nimmt sie am sozialen und kulturellen Leben der Stadt nach wie vor grösseren Anteil. Ein soziales
Netzwerk mit Einrichtungen für die Seelsorgestellen, Drogenberatung oder den Gassenküchen wird durch die Kirche aufrechterhalten. Zu den sichtbaren Zeichen der Evangelisch-Reformierten Kirche im Kanton Basel-Stadt gehören 85 Kirchen, Gemeinde-, Pfarrhäuser und Sigristenwohnungen. Zahlreiche Baudenkmäler prägen das Gesicht der Stadt, wie das Basler Münster als Wahrzeichen von Basel und die Innenstadtkirchen St. Leonhard,
St. Martin, St.
Peter und die Theodorskirche.[49] Die Predigerschule Basel existierte von 1876 bis 1915.
Heutzutage ist in Basel die Gruppe der Katholiken mit 17,9 % die grösste Konfession.[50] Die Römisch-katholische Kirche Basels zählt insgesamt 7 Pfarreien, fünf davon sind deutsch-, eine französisch- (Paroisse catholique du Sacré-Cœur de Bâle) und eine weitere italienischsprachig (Parrocchia cattolica di lingua italiana S. Pio X di Basilea). Die
Pfarreien zusammen mit den kantonalen Diensten bilden das Dekanat, das einen Teil des Bistums Basel darstellt. Das Bistum Basel hat seinen Sitz trotz des Namens nicht in Basel, sondern in der Kantonshauptstadt Solothurn.
Der Religionsunterricht wird gemeinsam mit der Evangelisch-Reformierten Kirche organisiert und finanziert. Neben der grösseren
Römisch-katholischen Kirche Basels gibt es seit 1873 die kleinere Christkatholische Kirche.
Beide katholischen Kantonalkirchen sind seit dem Jahr 1973 als öffentlich-rechtliche Körperschaften mit eigener Steuerhoheit ausgestattet.
Die ersten Menschen jüdischen Glaubens siedelten sich in Basel bereits urkundlich gesichert im 12. Jahrhundert an. Die erste Synagoge stand am Rindermarkt. Ausgrabungen in Augusta Raurica zufolge könnte die Ansiedlung von Juden sogar auf das 2. Jahrhundert zurück datiert werden.[51] Die Gründung der heutigen Israelitischen Gemeinde Basel
(IGB) geht auf das Jahr 1805 zurück, nachdem sich als Folge des Basler Judenpogrom über vierhundert Jahre keine
Juden in Basel niederliessen, mit damals etwa 70 Mitgliedern.[52] Heute umfasst sie in der Stadt
und der Umgebung rund 1000 Mitglieder[53] und ist damit die zweitgrösste der Schweiz.[54] Sie erhielt 1972 durch eine kantonale Volksabstimmung als erste nicht-christliche Glaubensgemeinschaft in einem Kanton der Schweiz die Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaft und ist nunmehr den beiden sogenannten Landeskirchen gleichgestellt.[55][56]
Sie führt heute neben der Synagoge, auch bekannt als Grosse Synagoge, diverse Schulen und die öffentliche Karger-Bibliothek.[57] Neben der Israelitischen Gemeinde Basel gibt es seit 1927 eine sogenannte Austrittsgemeinde,
die streng orthodoxe Israelitische Religionsgesellschaft Basel (IRG) mit einer eigenen Synagoge an der Ahornstrasse.[58]
Daneben gibt es Migwan, die Liberale Jüdische Gemeinde der Stadt Basel, welche im Jahr 2004 gegründet
wurde.[59] Im Jahr 2014 wurde die neue Synagoge am Herrengrabenweg 50 in Basel eingeweiht. Nun
ist Migwan die dritte Mitgliedsgemeinde der «Plattform der Liberalen Juden der Schweiz PLJS».[60]
Zudem steht in Basel das Jüdische Museum der Schweiz, welches eine kostbare Sammlung jüdischer
Kulturgüter zeigt.[61] Das Museum feierte im Jahr 2016 sein 50-jähriges Bestehen und
war das erste jüdische Museum innerhalb des deutschsprachigen Raums, das nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet wurde.[62] Seit einigen Jahren befindet sich in Basel ausserdem eine Sektion der Chabad Lubawitsch Organisation. Im Jahr 2012 wurde das
Haus «Feldinger Chabad Center» mit der Synagoge eingeweiht.[63] Johann Ludwig Burckhardt (Scheich Ibrahim) Seit den 1960er Jahren gibt es durch Einwanderung aus muslimischen Ländern, vor allem
der Türkei, dem Maghreb und dem Kosovo einen wachsenden muslimischen Bevölkerungsanteil,
der heute schätzungsweise knapp 10 % der Stadtbevölkerung umfasst, in den Kleinbasler Quartieren deutlich mehr (siehe untenstehende Tabelle). In Basel bestehen zurzeit 13 Moscheen und Gebetsräume, welche jeweils auch nach Sprachzugehörigkeit
organisiert sind.[64][65]
Im Jahr 1997 wurde die «Basler Muslim Kommission» gegründet, welche sich als Dachorganisation der sunnitischen Vereine beider Basel versteht. Im Jahr 2004 setzte sich die Vereinigung öffentlich dafür ein, dass Helal-Schlachtungen
in der Schweiz jeweils gesetzeskonform vonstatten gehen könnten. Seit Mai des Jahres 2016 hat Sohail Mirza das Präsidentenamt inne. Neben jenen muslimischen Bürgern, die aus islamisch-geprägten Ländern stammen, gibt es auch Schweizerinnen
und Schweizer mit nicht-muslimischem Hintergrund, die jeweils zum Islam übertreten und einen wichtigen Bestandteil der islamischen Gemeinden der Stadt darstellen. Beispielshalber ist hier historisch der Übertritt Johann Ludwig Burckhardts (alias Scheich Ibrahim), welcher von 1784 bis 1817 lebte und als erster Muslim Basels gilt, zu nennen. Als erster
Bürger Mitteleuropas machte er zusätzlich auch die Hadsch nach Mekka.[66] Tabelle der Konfessionszugehörigkeit
der Kantonsbevölkerung in Prozent (Quelle: Volkszählungen,[67] Statistisches Amt Basel
Stadt[50]) Jahr | Evangelisch- Reformiert | Römisch- katholisch | Übrige Christen[A 1] | Jüdisch | Muslime | Andere Religionen | Konfessionslos[A 2] | Keine Angaben | 1950 | 63,3 |
31,3 | 1,4 | 1,3 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 1960 | 59,9 | 35,8 | 1,3 | 1,1 | 0,0 | 0,3 | 1,6 | 0,0 | 1970 | 52,7 |
40,7 | 1,1 | 0,9 | 0,2 | 0,2 | 3,2 | 1,0 | 1980 | 44,4 | 35,5 | 1,2 | 0,9 | 1,1 | 0,3 | 13,9 | 1,9 | 1990 | 32,1 |
25,4 | 1,8 | 0,8 | 4,0 | 0,5 | 34,5 | 0,3 | 2000 | 26,5 | 24,9 | 2,8 | 0,8 | 6,7 | 1,2 | 31,0 | 5,1 | 2016 | 17,4 |
17,9 | 5,3 | 0,7 | 7,5 | 2,1 | 47,5 | 1,4 | Konfessionszugehörigkeit in Prozent nach Quartier (2013) (Quelle: Statistischer Atlas Basel-Stadt):[68] Quartier | Evangelisch- Reformiert | Römisch- katholisch | Christ- katholisch | Ost- kirchliche | Jüdisch | Islamisch | Andere Religionen | Konfessionslos | Altstadt Grossbasel | 21,8 | 14,4 | 0,8 | 0,8 |
0,7 | 0,8 | 3,5 | 56,8 | Vorstädte | 18,0 | 15,8 | 1,0 | 1,8 | 1,4 | 2,3 | 3,9 | 54,8 | Am Ring | 17,9 | 15,4 | 0,8 |
2,1 | 2,9 | 3,1 | 3,9 | 52,9 | Breite | 15,8 | 15,2 | 0,6 | 2,3 | 0,1 | 10,3 | 4,3 | 50,4 | St. Alban | 21,4 | 15,7 |
0,5 | 1,9 | 0,8 | 5,1 | 3,3 | 50,3 | Gundeldingen | 13,3 | 14,4 | 0,5 | 3,6 | 0,1 | 13,9 | 5,2 | 47,3 | Bruderholz | 25,2 |
17,8 | 0,4 | 1,4 | 0,5 | 2,5 | 2,5 | 49,2 | Bachletten | 23,8 | 17,3 | 0,5 | 1,2 | 1,5 | 3,1 | 2,2 | 49,9 | Gotthelf |
18,7 | 16,5 | 0,5 | 1,7 | 1,9 | 3,5 | 3,6 | 53,0 | Iselin | 14,2 | 16,3 | 0,5 | 3,1 | 0,7 | 10,7 | 5,5 | 48,7 | St.
Johann | 13,1 | 14,0 | 0,7 | 2,7 | 0,2 | 13,5 | 5,2 | 49,1 | Altstadt Kleinbasel | 15,0 | 15,0 | 1,0 | 1,9 | 0,3 | 5,0 | 3,1 | 57,8 |
Clara | 10,4 | 11,7 | 0,8 | 4,7 | 0,0 | 12,1 | 8,0 | 48,9 | Wettstein | 19,3 | 16,0 | 0,5 | 1,1 | 0,2 | 4,5 | 3,4 |
54,2 | Hirzbrunnen | 19,9 | 18,6 | 0,3 | 1,1 | 0,1 | 7,8 | 2,7 | 51,2 | Rosental | 8,7 | 15,8 | 0,4 | 2,2 | 0,2 | 20,5 |
8,3 | 42,6 | Matthäus | 10,3 | 12,1 | 0,6 | 4,3 | 0,1 | 15,0 | 6,7 | 48,8 | Klybeck | 9,5 | 11,5 | 0,4 | 3,2 | 0,0 |
21,4 | 5,7 | 45,8 | Kleinhüningen | 10,2 | 12,2 | 0,4 | 4,4 | 0,0 | 20,5 | 6,6 | 44,1 | |
Riehen | 26,1 | 16,8 | 0,3 | 0,9 | 0,1 | 2,9 | 2,9 | 49,8 | Bettingen | 33,1 | 14,5 | 0,1 | 1,2 | 0,3 | 0,5 | 4,4 | 45,8 |
Der Grund für die scheinbare Inkonsistenz der quartierweise ausgewiesenen Zahlen mit denen für den Gesamtkanton ist eine unterschiedliche Erhebungsmethode.
Regierung und Verwaltung der Stadtgemeinde Basel werden durch den Kanton Basel-Stadt wahrgenommen. Die Einwohnergemeinde Basel verfügt somit weder über eine eigene Exekutive noch eine eigene Legislative. Stattdessen werden diese Funktionen vom Regierungsrat (Exekutive) respektive dem Grossen Rat (Legislative) des Kantons ausgeübt.
Diese für Basel etablierte Lösung der Zusammenlegung der Gemeindebehörden mit den Kantonsbehörden ist in der Schweiz einzigartig. Einbürgerungen, die in der Schweiz Aufgabe der Gemeinde sind, werden von der Bürgergemeinde vorgenommen.
Bei den Nationalratswahlen 2015 betrugen die Wähleranteile in der Stadt Basel: SP 35,1 %, FDP/LDP 20,4 %, SVP 16,8 %, Grüne 12,1 %, CVP 6,0 %, glp 5,0 %, EVP 1,9 %, BDP 1,1 %.[69]
| Blasonierung: «In Silber ein schwarzer Baselstab.»[70] Livreefarben sind Weiss und Schwarz. Das Wappen der Stadt Basel sowie des Kantons
Basel-Stadt ist ein nach links (heraldisch rechts) gerichteter schwarzer Krummstab auf weissem Feld, Baselstab genannt. Drei Querbalken (für das bischöfliche Priester-, Hirten- und Lehramt) unterbrechen diesen Stab, der nach unten breiter wird und in drei Zacken ausläuft. Das Sinnbild
des Baselstabs ist der gekrümmte Hirtenstab der Bischöfe. Schildhalter sind Löwen, wilde Männer, Engel und seit dem 15. Jahrhundert auch Basilisken – das sind Drachen mit Hahnenkopf und Schlangenschwanz. | Wappenbegründung:
Das Wappen tauchte erstmals im 11. Jahrhundert auf, damals noch in der Form eines Holzstabs mit oben goldener Krümme. Die heutige Form des schwarzen Stabs stammt aus dem 12. Jahrhundert und entspricht dem Wappen der Bischöfe von Basel, und zwar nachweislich seit 1384.[71] Seit dieser Zeit hat sich das Wappen nicht mehr verändert und blieb das Wappen der Stadt und bei der Trennung der Landschaft von der Stadt später auch das Wappen des Kantons. |
Basel kommt aufgrund seiner zentralen Lage in West- resp. Mitteleuropa eine besonders wichtige und bevorzugte handelsgeografische Bedeutung zu. Der Lebens- und Wirtschaftsraum am Dreiländereck umfasst rund 1,3 Millionen Einwohner und
650 Tausend Erwerbstätige. Basel ist nach der Stadt Zürich der zweitgrösste Wirtschaftsstandort der Schweiz und zählt vor den Kantonen Zug und Genf das höchste BIP pro Kopf des Landes.[73][74][75] Basel ist eines der weltweit wichtigsten Zentren pharmazeutischer Betriebe, wie der Novartis AG, Hoffmann-La Roche AG, Syngenta AG und der Lonza Group. Wertmässig fallen über 94 % der baselstädtischen Warenexporte
auf den Chemie- und Pharmabereich.[76] Zusammen mit den Fabrikationsstätten im benachbarten
Schweizerhalle stellt Basel 20 % des Schweizer Exports
und erwirtschaftet ein Drittel des Sozialproduktes. Neben der Chemie sind die Industriezweige Maschinenbau, Metallveredelung, Textilverarbeitung sowie die Nahrungs- und Genussmittelproduktion angesiedelt. Die jahrhundertelange Tradition in der Papierherstellung
und im Buchdruck hat dazu geführt, dass mehrere Verlage
in Basel beheimatet sind. Seit 1917 hat sich aus der Schweizer Mustermesse, einer nationalen Leistungsschau, ein europaweit bedeutender
Messestandort entwickelt. Das Messezentrum Basel trägt jedes Jahr zahlreiche weltbekannte Fachmessen und Kongresse aus, unter
anderem die «Art Basel», die weltweit grösste Messe für zeitgenössische Kunst, und die «Baselworld», die weltweit grösste Uhren- und Schmuckmesse. Ebenfalls traditionell begründet ist die Bedeutung Basels als Bankenplatz. Neben zahlreichen Bank- und Versicherungshäusern hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hier ihren Sitz. Die
Schweizer Nationalbank (SNB) hat in Basel eine Vertretung. Die Handelskammer beider Basel ist ein Wirtschaftsverband für Basel-Stadt und Basel-Landschaft.
Liste der grössten Unternehmen mit Hauptsitz in Basel Die «Segmantas-Liste» der 500 grössten Schweizer Unternehmen des Jahres 2017, führt mit Blick auf den Kanton Basel-Stadt folgende Resultate an:[77] Rang | Unternehmen | Branche | Umsatz
in Mrd. CHF | 01 | Roche Holding AG | Pharma | 50,756 | 02 | Novartis AG | Pharma | 47,790 | 03 | Coop-Gruppe |
Einzelhandel | 28,322 | 04 | Syngenta AG | Agrochemie | 12,598 | 05 | Transgourmet Schweiz | Grosshandel | 08,551 |
06 | Panalpina Welttransport Holding | Logistik | 05,196 | 07 | Swiss International Air Lines | Fluggesellschaft | 04,799 | 08 |
Lonza Group | Pharma/Chemie | 04,132 | 09 | Bell Food AG | Fleischverarbeitung | 03,346 | 10 | Manor AG | Einzelhandel | 02,500 |
Hauptsitz des Pharmaunternehmens Hoffmann-La Roche, der Roche-Turm Diese Liste lässt Banken, Finanzdienstleister und Versicherungen aus, jedoch ist Basel nach Zürich das zweitgrösste Finanzzentrum der Deutschschweiz. Die UBS hat einen ihrer Standorte in Basel, auch die Basler Kantonalbank, die Bank Cler, die Bank CIC, die WIR Bank und die Versicherungen Bâloise,
Helvetia, Sympany
und Pax. Weitere Banken und Versicherungen in Basel sind die Privatbanken
Bank La Roche & Co, Baumann & Cie, Banquiers, J. Safra Sarasin, E. Gutzwiller & Cie. Banquiers, Dreyfus Söhne & Cie., Banquiers, Trafina Privatbank und Scobag Privatbank. Hinzu kommen verschiedene Treuhand- und Immobilienunternehmen wie Pax-Anlage, die STG Schweizerische Treuhandgesellschaft und Warteck Invest. Die Standorte dieser Unternehmen
konzentrieren sich um den Aeschenplatz, wo bis 1998 auch die Basler Börse lag. In Basel ist der Verband der Schweizerischen Bankiervereinigung ansässig, der 1912 gegründet wurde,[78] sowie der Verband Schweizerischer Kantonalbanken.
In der Nähe des Bahnhof SBB ist zudem der Sitz der Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich. Chemie- und Pharmakonzerne sind ebenfalls in Basel beheimatet, unter anderem Novartis, eine Firmenfusion, welche 1996 aus der Sandoz und Ciba-Geigy
hervorging, Roche, Basilea Pharmaceutica, Acino Holding und Syngenta, ein im Jahre 2000 entstandener Spin-out der Agrarsparten von Novartis. Auch die Ciba AG, ein Spin-out der Ciba-Geigy, war in Basel ansässig, bevor
sie 2008 von dem deutschen Chemiekonzern BASF übernommen wurde und Basel zu einer Zweigstelle von BASF wurde. In Basel ist der Sektor Transport und
Logistik durch die Firmen Panalpina und SBB Cargo
vertreten. Die grösste schweizerische Fluggesellschaft Swiss sowie Jet Aviation haben ebenfalls ihren Sitz in Basel (früher auch die 2002 aufgelöste Crossair und die 2012 in Konkurs gegangene
Hello). Bedeutende Gross- und Einzelhandelsunternehmen wie die Kaufhauskette Manor, der Hersteller von Raucherbedarfsartikeln Oettinger Imex AG, der grösste Fleischproduzent der
Schweiz Bell sowie das Einzelhandelsunternehmen Coop sind in Basel beheimatet. Daneben haben die mch Messe Schweiz AG, das Life-Sciences-Unternehmen Lonza Group
AG, das Haustechnikunternehmen Sauter, die Modekette Tally
Weijl, der Reisedetailhändler Dufry, der Mineralöl- und Autohändler Fritz Meyer Holding und der Implantatehersteller Straumann ihren Sitz in Basel.
Basel hat eine Vielzahl
geschichtsträchtiger Gastbetriebe und Hotels. Das Hotel Les Trois Rois, in Grossbasel neben der Mittleren Brücke direkt am Rhein, ist eines der ältesten verbrieften Hotels Europas (erste
Erwähnung 1681 als Gasthof Drei Könige). Zahlreiche Persönlichkeiten der Geschichte sind im Les Trois Rois abgestiegen (Theodor Herzl, Johann Wolfgang Goethe, Voltaire, Pablo Picasso, Thomas Mann, Marc Chagall, Richard Wagner, The Rolling Stones.
Giacomo Casanova schrieb in seinen Memoiren («Histoire de ma vie»): «Wir kehrten bei dem berüchtigten Imhoff ein, der uns die Haut über die Ohren zog; aber die ‹Drei Könige› waren das beste Gasthaus der
Stadt.»). Das Luxushotel gehört zu den führenden Hotels in Europa. Der klassizistische Bau aus dem Jahr 1844 (Architekt: Amadeus Merian)
wurde 2004–2006 umfassend renoviert, rekonstruiert und erweitert. Als Messestandort verfügt Basel über zahlreiche weitere Hotels, überdurchschnittlich viele davon im 4- und 5-Sterne-Bereich. Das älteste Wirtshaus von Basel
ist der Gasthof zum Goldenen Sternen, welcher urkundlich 1346 das erste Mal erwähnt wurde und seit 1412 als eine der 13 Herrenwirtschaften den Gästen Speis und Trank anbot. Im Jahr 1501 wurden die Gesandten der zehn Orte der damaligen
Eidgenossenschaft zum Willkommenstrunk empfangen. Nach einer Strassenverbreiterung der Aeschenvorstadt wurde diese Wirtschaft im Jahr 1963 abgebrochen, aber 10 Jahre später auf Initiative des früheren Sternen-Wirtes Jost Müller im St. Alban-Tal
wieder aufgebaut. Spitzengastronomie wird unter anderem in den Restaurants Cheval Blanc (Koch Peter Knogl) und Stucki
(Köchin Tanja Grandits) geboten. Zu den bekanntesten Cafés der Stadt gehört das Grand Café Huguenin am Barfüsserplatz. Weitere historische Basler Restaurants sind das Restaurant Atlantis am Klosterberg, die Hasenburg und das Gifthüttli in der Grossbasler
Altstadt. Die Gründung der Universität Basel im Jahr 1460 brachte der Stadt und auch dem Druckgewerbe und Verlagswesen grossen Aufschwung. Zu
den Papiermachern kamen über 50 Drucker, darunter so berühmte wie Petri, Amerbach und Froben. 1468 erschien eine lateinische Bibel, welche mit beweglichen Lettern von Bertold Ruppel
gesetzt wurde. 1488 gründete Johannes Petri seinen Verlag, der heute das älteste bestehende Druck- und Verlagshaus ist (heute: Schwabe AG).
Mit dem berühmtesten aller Basler Drucker, Johann Froben, wurde nach 1500 Basel zu einem der führenden Verlags- und Druckorte Europas.
Heute zählt Basel über 15 Sachbuch- und Literaturverlage, neben Schwabe beispielsweise den Birkhäuser Verlag,
den Wissenschaftsverlag S. Karger, den Schweizerischen Ärzteverlag, den Christoph Merian Verlag, den Lenos Verlag, Urs Engeler Editor,
den Münsterverlag, den Brunnen Verlag und den Hungerkünstler Verlag. In Basel und der näheren Umgebung
erscheinen diverse Zeitungen: Die von der Basler Zeitung Medien herausgegebene Basler Zeitung (BaZ) ist die grösste Tageszeitung der Nordwestschweiz. Neu entstand 2010, nach
dem umstrittenen Besitzerwechsel bei der Basler Zeitung, die wöchentlich (jeweils freitags) erscheinende TagesWoche. Daneben gibt es auch noch
die bz Basel sowie die Riehener Zeitung als unabhängige Wochenzeitung für die beiden baselstädtischen Gemeinden Riehen und Bettingen. Regionale Nachrichten erscheinen auch in den Gratiszeitungen 20 Minuten und Blick am Abend. Ein breites Informationsangebot bietet auch die Webzeitung OnlineReports. Auch Radiosender sind in Basel vertreten: Neben der Sendung Regionaljournal Basel des öffentlich-rechtlichen Radiosenders SRF gibt
es in der Region Basel die zwei privaten Radiosender Radio Basilisk und Energy Basel sowie das nicht-kommerzorientierte Radio X. Radio SRF betreibt in Basel ein Radiostudio,
aus dem der Sendebetrieb von Radio SRF 2 Kultur abgewickelt wird. Ausserdem bedient der Fernsehsender Telebasel die Stadt und die Nordwestschweiz mit eigenen Programmen.
Seit dem Mittelalter ist Basel ein bedeutender Handels- und Umschlagplatz für den Warenverkehr zwischen dem Mittelmeer und der Nordsee. Die Fahrt auf dem Rhein zwischen Basel und Rotterdam beträgt 832 km und dauert für heutige Motorschiffe flussab zwischen drei und
vier Tagen, flussauf etwa eine Woche. Die Fahrt zwischen Basel und Strassburg wird durch den Rheinseitenkanal erleichtert. Durch diesen Kanal umgehen die Schiffe die gefährlichen Stromschnellen
von Istein. Die Mannheimer Akte aus dem Jahr 1868 gewährleistet der Schweiz die vollen Verkehrsrechte. Der Rhein
gilt bis zur Mittleren Brücke in Basel als internationales Gewässer. Rund 12 % des gesamten schweizerischen Imports werden in den Rheinhäfen
umgeschlagen, im Jahr 2010 waren dies 5.5 Millionen Tonnen. In und um Basel gibt es vier Häfen, davon liegt nur der Rheinhafen Kleinhüningen
auf dem Stadtgebiet, die zwei linksrheinischen Hafenteile in Birsfelden und Muttenz-Au liegen auf basellandschaftlichem Boden. Die drei Hafenteile sind als die Schweizerischen Rheinhäfen organisiert, beide Kantone – Basel-Stadt und Basel-Landschaft –
sind an dieser Anstalt öffentlichen Rechts beteiligt. Der älteste Schweizer Rheinhafen St. Johann ist seit dem 1. Januar 2010 nicht mehr in Betrieb. Ein weiterer Rheinhafen liegt wenige Kilometer nördlich von Basel im deutschen Weil am Rhein.
Die Konkurrenz der schnelleren Eisenbahn führt 1843 zur Einstellung des Personenverkehrs auf dem Rhein nach Mainz. Basel ist Register-
und Heimathafen aller in der Schweiz immatrikulierten Hochseeschiffe und -yachten. Auf dem Stadtgebiet befinden sich drei Fernbahnhöfe. Der Bahnhof Basel SBB (Centralbahnhof) ist mit etwa 135'000 (Stand 2016) Reisenden pro Tag der grösste Bahnhof in Basel und der sechstgrösste der
gesamten Schweiz.[79] Er befindet sich südlich der Innenstadt. Von dort fahren die nationalen
Linien nach Zürich, Bern und Luzern, unterschiedliche S-Bahnlinien, sowie internationalen Linien nach Deutschland, Frankreich, Italien und in die Niederlande. Vom französischen Bahnhof Basel SNCF (Elsässerbahnhof), der zum selben Gebäudekomplex gehört, verkehren einige Linien von Basel nach Frankreich und Belgien. Der
im Nordosten der Stadt gelegene Badische Bahnhof (Basel Bad Bf) wird von der Deutschen Bahn betrieben. Hier halten sämtliche Züge von und nach Deutschland und den Niederlanden, hier beginnen auch die Hochrheinstrecke in Richtung Singen, die Oberrheinbahn nach Karlsruhe Hbf und die durch die S-Bahn Basel bediente S-Bahnlinie (Wiesentalbahn) nach Zell im Wiesental. Daneben existieren die S-Bahn-Haltestellen Basel-St. Johann (an der Bahnlinie Basel SNCF Richtung St. Louis) und Basel-St. Jakob (an der Linie Basel SBB Richtung Muttenz, wobei diese Station normalerweise nur von Extrazügen während Veranstaltungen im Stadion St. Jakob-Park
bedient wird) und seit 2006 Basel-Dreispitz (an der Linie Basel SBB Richtung Delémont).
In Basel befindet sich zudem seit 1955 der Sitz der Eurofima, der grössten Organisation europäischer Eisenbahnen. Derzeit wird über
den Bau einer unterirdischen Tunnelstrecke durch die Basler Innenstadt diskutiert («Herzstück»). Dabei soll der Bahnhof SBB mit dem Badischen Bahnhof verbunden werden, um ein für die gesamte Region attraktiveres S-Bahn-Netz zu schaffen.
Geplant sind mehrere Tiefbahnhöfe in der Innenstadt, sowie ein weiterer Ast in Richtung Basel-St.Johann und Flughafen (siehe öffentlicher Nahverkehr) Der erste Flughafen von Basel wurde 1920 auf dem Sternenfeld-Areal auf dem Gemeindegebiet von Birsfelden
gebaut (Flugplatz Basel-Sternenfeld). In den 1930er Jahren wurde klar, dass der Flugplatz an diesem Standort nicht
im erforderlichen Mass wachsen konnte, um den zukünftigen Anforderungen der Luftfahrt zu genügen. Es entstand die Idee eines binationalen Flughafens auf französischem Gebiet. Die französische Regierung stimmte zu, doch der Ausbruch des
Zweiten Weltkriegs unterbrach die Verhandlungen. Nach dem Krieg wurde die Idee zügig wieder aufgenommen, und bereits am 8. Mai 1946, nach nur zweimonatiger Bauzeit und noch vor der Ausarbeitung eines Staatsvertrags, wurde auf dem Gebiet der französischen
Gemeinde Blotzheim der Flughafen Basel-Mulhouse eröffnet. Natürlich konnte in dieser kurzen Zeit nur die elementarsten Einrichtungen erstellt
werden, der weitere Ausbau bis zum «fertigen» Flughafen erstreckte sich dann über viele Jahre. 1987 führte der Flughafen das Markenzeichen EuroAirport Basel Mulhouse Freiburg ein. Im Jahr 2016 betrug das Passagieraufkommen 7,31 Millionen. Das Streckennetz umfasste im Linienverkehr 62 Destinationen in 30 verschiedenen Ländern, die von 25 Fluggesellschaften
bedient wurden. Der Euro-Airport Basel ist damit, nach Zürich und Genf, der drittgrösste Schweizer Flughafen. Die Stadt Basel ist Knotenpunkt wichtiger Strassenverbindungen nach Deutschland und Frankreich. Durch Basel verlaufen die beiden hochrangigen
Europastrassen 25
und 35 (A2 und A3 bzw. A5 und A35 in Deutschland/Frankreich) in Nord-Süd-Richtung. Gleichgerichtete Europastrassen der
Kategorie A verlaufen sonst in der Regel in grösserem Abstand zueinander. Aus Luzern bzw. Zürich verbindet die A2 bzw. die A3 (E 25 und E 35) über die Ost- und die Nordtangente die deutsche A 5 (E 35) Richtung Karlsruhe und die französische
A 35 (E 25) Richtung Mülhausen und Strassburg. Des Weiteren existieren die Stadt-Autobahnen A18 und A22, welche die Vororte im Kanton Basel-Landschaft mit Basel verbinden. Die A98 bzw. die A861, die komplett auf deutschem Gebiet verlaufen dienen als Umfahrung
für die massiv überlastete Osttangente. Fünf Strassen- und eine Eisenbahnbrücke verbinden die beiden Teile Basels über den Rhein. In Flussrichtung sind das die Schwarzwaldbrücke (Autobahn- und Eisenbahnbrücke), die Wettsteinbrücke, die
Mittlere Brücke, die Johanniterbrücke sowie die doppelstöckige Dreirosenbrücke. Insbesondere in Grossbasel durchziehen drei Strassenzüge in konzentrischer Ringform das Stadtgebiet. Viele Strassen in den Quartieren sind rechtwinklig angeordnet. Der Stadtkern
ist weitestgehend als Fussgängerzone vom Autoverkehr befreit. Mit Stand März 2018 wurde auf 56 Prozent des innerstädtischen
Strassennetzes eine Tempo-30-Zone eingerichtet.[80] In Basel gibt es eine Velostrasse, welche als Pilotprojekt
vom Bundesamt für Strassen errichtet wurde.[81] Netzplan des Basler Trams von 2017 Die öffentlichen Verkehrsmittel in Basel sind
in den Tarifverbund Nordwestschweiz (TNW) integriert. Wichtigstes städtisches Verkehrsmittel ist die Strassenbahn Basel, dort das Tram genannt, die gemeinsam von den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) und der Baselland Transport AG (BLT) betrieben wird. Zwischen
1941 und 2008 verkehrte ausserdem der Trolleybus Basel in der Stadt, der durch Autobusse ersetzt wurde. Die Basler Tramlinien verkehren je nach Tageszeit und Strecke alle
sechs- bis dreissig Minuten. Das sogenannte Umweltschutz-Abo erschliesst sämtliche öffentliche Verkehrsmittel der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft
sowie Teile der Kantone Solothurn (Bezirk
Dorneck-Thierstein), Aargau (Fricktal: Bezirke Rheinfelden und Laufenburg) und Jura (Gemeinde Ederswiler). In den Jahren 2005 bis 2007 fand eine Kontroverse über die Zukunft der
Trolleybusse statt; die Absicht der BVB, diese abzuschaffen und sie durch Erdgasbusse zu ersetzen, wurde in einer Volksabstimmung am 17. Juni
2007 relativ knapp gutgeheissen. Die S-Bahn Basel verbindet die Agglomeration mit der Kernstadt und damit auch die drei Länder miteinander.
Derzeit wird über den Bau einer unterirdischen Bahnstrecke diskutiert, die den Badischen Bahnhof mit dem Bahnhof SBB über mehrere Tiefbahnhöfe verbinden soll. Aufgrund schlechter Verbindungen und vieler sogenannter Sackgassen im S-Bahnnetz ist
dieses derzeit den Passagiermengen nicht gewachsen. Das sogenannte Herzstück Basel soll diesem Problem Abhilfe schaffen. Geplant ist ausserdem ein weiterer Ast in Richtung Bahnhof Basel-St.Johann, sowie ein Bahnanschluss des Flughafens. Für
die Überquerung des Rheins stehen fünf Brücken für den Individualverkehr, eine Eisenbahn- und eine Fussgängerbrücke zur Verfügung (Basler Rheinbrücken). Ausserdem lässt sich der Rhein mit vier Fussgängerfähren
überqueren. Basel ist eine humanistisch geprägte Universitätsstadt. Es bestehen
einige bedeutende Angebote für die höhere Ausbildung. Einerseits ist dies die 1460 gegründete Universität Basel
mit 12'873 Studierenden (2017)[82] und Doktorierenden in verschiedenen Fakultäten (Theologie, Rechtswissenschaften, Medizin, Geisteswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Naturwissenschaften,
Psychologie). Internationalen Ruf geniessen unter anderem, neben der Universität im Allgemeinen, das Biozentrum der Universität Basel und das ETH-Departement für Biosysteme D-BSSE, das seit 2006 im Bereich der Systembiologie und der synthetischen Biologie forscht und mit der Universität assoziiert ist. Weiter ist die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) erwähnenswert, mit der Hochschule
für Gestaltung und Kunst (HGK), der Pädagogischen
Hochschule, der Hochschule für Soziale Arbeit und der Hochschule für Wirtschaft. Hinzu kommt die Musik-Akademie der Stadt Basel mit der Musikschule, der Musikhochschule (ab 2006 Bestandteil der FHNW) und der Schola Cantorum Basiliensis,
sowie die Volkshochschule beider Basel für die Erwachsenenbildung. Eine weitere Hochschule ist die evangelikale Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel. Basel ist neben dem Humanismus auch
für seine mathematische Forschung bekannt. Neben Leonhard Euler ist besonders die Gelehrtenfamilie Bernoulli zu nennen, die in Basel über Jahrhunderte hinweg Mathematik lehrte und Forschung betrieb. 1910
wurde hier die Schweizerische Mathematische Gesellschaft gegründet. Im 20. Jahrhundert
lehrte der russische Mathematiker Alexander Markowitsch Ostrowski an der Universität Basel.
In Basel findet jährlich eine der weltweit bedeutendsten Kunstmessen,
die Art Basel, sowie die Basel World, eine der wichtigsten Uhren- und Schmuckmessen, statt. Einige weitere bekannte Sehenswürdigkeiten sind der Zoo Basel,
das Basler Münster, sowie die Altstadt und die zahlreichen Museen in Basel und den Vororten. Paul Sacher gründete bereits in den 1930er Jahren die Schola Cantorum Basiliensis, die zum Zentrum der Erforschung und Pflege Alter Musik wurde. Das Musical Theater Basel an der Messe bietet regelmässig
Vorführungen an. Neben dem Sinfonieorchester Basel (Chefdirigent Dennis Russell Davies) haben sich in jüngster Zeit auch einige spezialisierte Orchester einen Namen gemacht wie die basel sinfonietta, Capriccio Basel, das Ensemble Phoenix sowie das Kammerorchester Basel, das mit Christopher
Hogwood einen reputierten ersten Gastdirigenten hat. Das Collegium Musicum Basel besteht seit 1951, das Neue Orchester, wurde 1982 gegründet. Bläsermusik pflegen das Blasorchester der Region Basel sowie die Knabenmusik Basel 1841. Neben den grossen
Oratorienchören wie dem Basler
Gesangverein und dem Basler Bach-Chor bestehen auch zahlreiche kleinere, meist auf A-cappella-Musik spezialisierte Kammerchöre. International bekannt sind die Basler Madrigalisten
und die Knabenkantorei Basel (KKB). Alle drei Jahre findet in Basel das Europäische Jugendchorfestival statt. Basel verfügt über eine Musikakademie mit Unterabteilungen wie die Schola Cantorum Basiliensis, aus
der das Barockorchester La Cetra entstand, und die Musikhochschule. Auch die Paul-Sacher-Stiftung hat ihren Sitz in Basel. Musikwissenschaftliches Seminar der Universität Basel, Petersplatz Weit über
die Schweiz hinaus bekannt sind die traditionellen Basler Pfeifer und Tambouren der Basler Fasnacht. In Sachen Militär- und Marschmusik
findet mit dem Basel Tattoo die zweitgrösste Tattoo-Veranstaltung der Welt jährlich in Basel statt. Überregional bekannt
sind die Jazzmusik-Anlässe Baloise Session
(ehemals AVO Session), Em Bebbi sy Jazz und Jazzfestival Basel. Der Jazzclub The bird’s eye im Lohnhof am Kohlenberg wird zu den besten Europas gezählt.[83] Der Blues wird am Rheinknie ebenfalls
gepflegt, stellvertretend genannt seien hier das im Jahr 2000 gegründete Blues Festival Basel und das summerblues im
Kleinbasel. Das Sonic in der St. Jakobshalle gilt als das grösste Techno-Dance-Event der Schweiz. Basel ist ferner eine Stadt mit bedeutender Orgelkultur, die acht Kirchen mit historischen Orgeln besitzt. Die Basler Musikszene brachte bereits mehrere national und international bekannte Bands hervor, zum Beispiel die Lovebugs, Myron und Dankner.
Ausserdem kommen bzw. kamen der Sänger und Schauspieler Martin Schenkel und die Sängerin Nubya aus Basel. Black Tiger war der erste in der Schweiz, der auf Mundart rappte. Die Hip-Hop-Band
Brandhärd kommt aus der näheren Umgebung von Basel. Das IMFLUSS Festival findet jährlich von Ende Juli bis Mitte August am Rheinufer statt.
Als grösstes Mehrspartentheater der Schweiz verfügt das Theater Basel über ein festes Opern-, Schauspiel- und Tanzensemble sowie einen Opernchor. Bei Opern- und Tanzproduktionen versehen sowohl das Basler Sinfonieorchester als auch andere Klangkörper aus der Region (La Cetra
Barockorchester Basel, Kammerorchester Basel, Basel Sinfonietta, Ensemble Phoenix Basel) die Orchesterdienste. Das Theater Basel verfügt
über zwei Bühnen im 1975 eröffneten Hauptbau an der Kreuzung Theaterstrasse/Klosterberg sowie über eine weitere Bühne im 2002 eröffneten Schauspielhaus an der Steinentorstrasse 7. Die Kaserne Basel ist wichtigster Auftrittsort für Gruppen der Freien Tanz- und Theaterszene auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt und zeigt regelmässig Gastspiele von Gruppen aus dem In- und Ausland. Das in Birsfelden
(Kanton Basel-Landschaft) gelegene Theater Roxy sowie der in Dornach (Kanton Solothurn) domizilierte Theaterbetrieb neuestheater.ch sind für die Basler Freie
Tanz- und Theaterszene als Produktions- und Auftrittsorte ebenfalls von grosser Bedeutung. Der Bereich des Kinder- und Jugendtheaters wird durch das junge theater Basel, das Vorstadttheater Basel, das Basler Kindertheater sowie durch die Arbeit freier Gruppen geprägt. Ungewöhnlich vielfältig ist das Angebot an Privat- und Kleintheatern. An Betrieben mit festen Spielstätten
sind hier auf dem Territorium der Stadt Basel die Baseldytschi Bihni, das Häbse Theater, die kleinkunstbühne rampe, das Theater Fauteuil
(mit Tabourettli), die TheaterFalle Basel, das Theater Arlecchino, das Theater im Teufelhof, das Theater Lo Studiolo, die Theatergarage sowie auf dem Territorium der Gemeinde Riehen das Kellertheater Riehen (ehemals
Atelier-Theater) zu nennen. Auch das Musical Theater Basel bietet immer wieder Theater- und Tanzgastspiele. Neben der kontinuierlichen Arbeit der oben genannten Betriebe setzen einige Festivals zusätzliche Akzente, zu nennen sind das Theaterfestival
Basel (früher „Welt in Basel“), die Treibstoff Theatertage und das Basler Figurentheaterfestival (alle im biennalen Rhythmus) sowie
das jährlich stattfindende Tanzfest Basel. Hinzu kommen die pluridisziplinären Festivals wildwuchs und Culturescapes, welche einen
signifikanten Anteil von Theater- und Tanzproduktionen am Gesamtprogramm aufweisen. Auch das Jugendkulturfestival Basel
weist einen steigenden Anteil von Beiträgen aus den performativen Künsten auf. Eingang zum Museum der Kulturen, Münsterplatz Das Kunstmuseum Basel (grösstes Kunstmuseum der Schweiz) ragt dabei als die älteste städtische Kunstsammlung der Welt überhaupt heraus. Schwerpunkte des Museums liegen bei Künstlern der Renaissance sowie des 19. und 20. Jahrhunderts. Werke ab etwa 1960 werden im Museum
für Gegenwartskunst ausgestellt. 1967 kam es in Basel zu einem Bilderkauf auf Seiten der Bürgergemeinde von zwei bedeutenden Werken von Pablo
Picasso aus der Staechelin-Stiftung. Die Stadtbevölkerung, welche über den Erwerb zu entscheiden hatte, nahm das Anliegen in einer berüchtigten Abstimmung an und finanzierte somit den Plan. Picasso entschloss sich darauf, der Stadt
weitere vier Werke seiner Sammlung zu vermachen.[84] In der Folge wurde zu Ehren Picassos ein
Platz unweit des Kunstmuseums nach diesem benannt. Weitere bedeutende Kunstsammlungen sind unter anderem das Museum Tinguely und die private
Fondation Beyeler, die in einem von Renzo
Piano entworfenen Haus in Riehen Bilder und Plastiken vor allem der klassischen Moderne zeigt. Das Schaulager wurde 2003 eröffnet und ist vom Konzept her eine Mischung zwischen öffentlichem Museum, Konservatorium
und Kunstforschungsinstitut. Nennenswert sind auch viele andere der insgesamt über 30 Museen, wie etwa das Antikenmuseum,
das Architekturmuseum, das Naturhistorische Museum und das Museum der Kulturen (früher Museum für
Völkerkunde). Daneben gibt es eine Vielzahl kleinerer Sammlungen und Museen, wie beispielsweise die Anatomische Sammlung der Universität, die
im Anatomischen Museum zu sehen ist, das Pharmazie-Historisches Museum der Universität Basel, das Jüdische
Museum der Schweiz und das Spielzeugmuseum in Riehen sowie das Spielzeug Welten Museum. Auf deutscher
Seite in Weil am Rhein, unweit der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz, befindet sich ausserdem das von Frank Gehry entworfene Vitra Design Museum. Städtische Museen gewähren am ersten Sonntag im Monat freien Eintritt. Neben den vielen Museen gibt es in
Basel auch zahlreiche nicht institutionelle Ausstellungsräume und Offspaces für zeitgenössische Kunst
und andere kulturelle Veranstaltungen.[85] So ist auch der wahrscheinlich älteste Offspace
der Schweiz, der Ausstellungsraum Klingental, in Basel ansässig.[86] Die Archäologische Bodenforschung ist eine kantonale Fachstelle, die sich um das archäologische
Erbe des Kantons bemüht.[87] Sie gibt regelmässig Jahresberichte und Fachzeitschriften
wie die sogenannten Materialhefte heraus.[88] An verschiedenen Orten der Stadt hat die
Fachstelle sogenannte Infostellen eingerichtet, um kompetent über die archäologischen Ausgrabungen Basels zu informieren. Der grösste Teil dieser Stellen befindet sich direkt bei den Grabungsstätten und ist öffentlich zugänglich.[89] Öffentlich zugängliche Ausgrabungen befinden sich beispielsweise bei der Aussenkrypta des Basler Münsters, wo 1947 Überreste keltischer
und römischer Herkunft sowie solche aus dem Mittelalter gefunden wurden; die Krypta selbst stammt aus der Zeit von Bischof
Haito und wird auf 805 bis 823 datiert. Weiter befindet sich eine Infostelle beim ehemaligen Verwaltungsgebäude am Münsterplatz, bei einer Ausgrabung
fand man Reste der spätgotischen St. Johanneskapelle von 1386, jedoch auch Überreste einer romanischen Kirche von 1100 und sogar solche einer römischen Strasse. Ein drittes Beispiel ist der wiederentdeckte Hafner-Ofen
von 1830, dessen Ausgrabungsstelle am Klosterberg zu besichtigen ist. Am Gerbergässlein schliesslich, fand man Zeugnisse einer Gerberei aus dem Mittelalter.[90] Basel selbst wurde dem bekannten Archäologen Karl Schefold zur Heimat, der sich hier 1936 in klassischer Archäologie habilitierte. Er hat bei diversen Ausgrabungen mitgewirkt und einige nennenswerte Werke zur Archäologie verfasst. Auf dem Münsterberg erhebt sich das 1019 im Beisein von Kaiser Heinrich II. und Kaiserin
Kunigunde geweihte Basler Münster als Denkmal romanischer und gotischer Baukunst in rotem Sandstein. Nebst mittelalterlichen Bauten (der Ackermannshof[91]), barocken Stadtpalais (zum Beispiel Wildt’sches
Haus, der Markgräflerhof, der Spiesshof[92] und Stadthaus[93]), Exempeln
für den Historismus (Pauluskirche,
Elisabethenkirche, Haus der Allgemeinen Lesegesellschaft), des Jugendstils (Küchlintheater und Hotel Krafft), Zeugnissen der frühen Moderne mit Bauten von Karl Coelestin Moser (Betonkirche St. Antonius 1925–1927), Hans Bernoulli, Hannes Meyer oder Hans Schmidt, sind in den 1980er und 1990er Jahren Bauten der Basler
Büros Herzog & de Meuron, Diener & Diener oder Morger & Degelo dazugekommen. Auch international bekannte Architekten
wie Mario Botta (Zweitgebäude der BIZ, Museum Tinguely) oder Richard Meier haben in Basel gebaut. Seit den 1990er Jahren gilt Basel – auch dank den internationalen Erfolgen des Architekturbüros Herzog & de Meuron – als bedeutendes Zentrum der Gegenwartsarchitektur. Neun Träger des Pritzker-Preises, der international renommiertesten Auszeichnung für Architekten, haben in Basel gebaut, die Vororte mit eingerechnet, sind es sogar zwölf. Das 68 Meter hohe Lonza-Haus von Hans Rudolf und Otto Suter aus dem Jahr 1962 ist ein markantes Hochhaus in Basel und wird oft mit dem Mailänder Pirelli-Bau verglichen. Zum Bezugszeitpunkt war das Hochhaus das höchste Basels. Die nüchterne, feingliedrige Fassade des Hauses brachte ihm den Spitznamen Rasierapparat ein. Der 105 Meter hohe Messeturm mit 31 Etagen war bis 2010 das zweithöchste Nutzgebäude der Schweiz. Er wurde von der
Architektengemeinschaft Morger & Degelo konzipiert und zwischen Juli 2001 und Oktober 2003 erbaut. Der Mitte 2015 fertiggestellte Roche-Turm
(Bau 1) überragte Anfang 2014 bereits den Messeturm und ist mit 179 Metern Höhe im Umland weithin sichtbar. Das höchste freistehende Gebäude der Schweiz ist der 250 Meter hohe Fernsehturm auf St. Chrischona bei Basel. Für besondere Verdienste um den Ortsbildschutz erhielt Basel vom Schweizer Heimatschutz im Jahre 1996 den Wakkerpreis. Eines der bedeutendsten Denkmäler in der Stadt ist das Strassburger Denkmal.
2020 wird der Höhe- und Schlusspunkt der seit 2010 in verschiedenen Projekten entwickelten grenzüberschreitenden Internationalen
Bauausstellung (IBA) der trinationalen Metropolregion Basel sein.[94] Aus einem Studentenfilmclub (1930) war der
Grundstock der Filmsammlung Bächlin-Schmidt-Schmalenbach in das Schweizerische Filmarchiv übergegangen. Die in Basel 1939, 1943 und 1945 durchgeführten Filmwochen können als eines der ersten Filmfestivals der Welt bezeichnet werden – nur das Festival
von Venedig startete früher.[95] Mit Regierungsratbeschluss vom 1. August 1945
ging das Filmarchiv in den Besitz des Kantons Basel-Stadt über; dort hatte man es der Schulmaterialzentrale angegliedert. Nach einem interkantonalen Aufruf zur Rettung und Finanzierung, der erfolglos blieb, fand sich im Stadtrat von Lausanne ein Fürsprecher für die Übernahme des Archivs. Die Filme waren in den Kellerräumen
der Basler Kantonalbank am Blumenrain eingelagert. Heute werden sie im Schweizer Filmarchiv in Lausanne aufbewahrt. Der Verein Le Bon Film fand nach Jahrzehnten endlich eine feste eigene Spielstätte, das Stadtkino. Es befindet sich im ehemaligen Gipsskulpturensaal der Kunsthalle.
Die Gipsskulpturen sind in einem Fabrikgebäude in Neu-Allschwil abgestellt. Mit finanzieller Hilfe der Christoph Merian Stiftung
wurde das schwarz ausgeschlagene 100-Plätze-Stadtkino möglich. Nachdem verschiedene pharmazeutische und chemische Unternehmen in Basel ihre eigenen Filmproduktionseinheiten aufgegeben hatten, zerfiel die lokale Produktion. Der mit drei Oscars
dekorierte Arthur Cohn stammt aus Basel, lokal gibt es eine minimale Filmherstellung im Rahmen von Kursen an der Hochschule für Gestaltung.
Die 1980 gegründeten Krienser Filmtage, heute VIPER (Video Performance) genannt, sind seit einigen Jahren in Basel beheimatet. Die Basler Kinotheater bieten auf 30 Bildwänden eine Vielfalt von Lichtspielen an. Basel hat viele kleinere und
grössere Kinos im gesamten Stadtgebiet verteilt. Die grösste Ansammlung an Kinos findet sich entlang der Steinenvorstadt. Viele der Filme werden im
Originalton mit Untertitel gezeigt. Im Herbst 2006 wurde das Multiplex-Kino «Pathé Küchlin» mit 8 Sälen und
2300 Plätzen im Herzen der Stadt eröffnet. Zusätzlich bietet Basel seit 2007 in den ersten drei Wochen im August Open-Air-Vorstellungen auf dem Münsterplatz mit 2000 Plätzen pro Vorstellung. Das nach dem Hauptsponsor benannte
Programm wurde 2013/14 vom Swisslos-Fonds gefördert.[96]
Im Jahre 2000 wurde das Literaturhaus
Basel eröffnet, das erste Haus dieser Art in der Schweiz. Seit 2003 findet jährlich im November die «BuchBasel», ein
Buch- und Literaturfestival statt.
Kostümierte während der Basler Fasnacht Die Basler Fasnacht ist die grösste Fasnacht der Schweiz und gleichzeitig die einzige protestantische Fasnacht der Welt.[97] Ihr Auftakt bildet der Morgestraich, der am Montag nach Aschermittwoch morgens um vier Uhr in der Früh beginnt. Die Fasnacht zieht jedes
Jahr zehntausende Besucher an und geniesst weltweit grosse Bekanntheit. Nach drei Tagen und Nächten endet sie am Donnerstagmorgen um vier Uhr mit dem so genannten Endstreich. Während dieser 72 Stunden kann man auf den Strassen der Basler Innenstadt
Cliquen, Guggenmusiker,
Waggiswagen und Chaisen bestaunen.
Am Montag- und Mittwochnachmittag findet jeweils der Cortège, ein Umzug aller Aktiven, statt. Am Dienstagnachmittag ist die Kinder- und Familienfasnacht und abends dann das grosse Guggen-Konzert. Zur Fasnacht gehören auch die Schnitzelbänke (Büttenreden),
die in Versform und gesungen im Basler Dialekt in Restaurants und Bars der Stadt vorgetragen werden. Traditionelle Speisen zur Fasnacht sind die Mehlsuppe,
die Ziibelewaie sowie die Käswaie.
Wandgemälde mit Leu, Wild Maa und Vogel Gryff Abwechselnd im Turnus von drei Jahren,
am 13., 20. oder 27. Januar, erlebt Basel alljährlich das Fest der Drei Ehrengesellschaften Kleinbasels
(→ Vogel Gryff). An diesem Tag treten die drei personifizierten Schildhalter Vogel Gryff, ein Greif in schwerem Schuppenpanzer, der Wild Maa, ein tännchenschwingender Wilder Mann, und der Leu, ein Löwe, auf. Sie ziehen durch Kleinbasel und führen dabei allerorts ihre traditionellen Tänze vor. In Basel gibt es zahlreiche Sportclubs, vor allem im Fussball. Der FC Basel ist der Fussballclub
einer ganzen Region und gleichzeitig der international erfolgreichste Fussballclub der Schweiz. Der EHC Basel spielte bis 2008 in der höchsten
Eishockey-Liga der Schweiz. Die Fechtgesellschaft Basel ist eine der ältesten der Schweiz und brachte unter anderem Olympiasieger Marcel Fischer hervor. Auch im Tennis gibt es Erfolge zu nennen, Roger Federer und Patty Schnyder stammen aus Basel, bzw. dem Baselbiet. Basel ist auch Schauplatz der Swiss Indoors, einem internationalen
Tennisturnier der ATP-Tour. Der St. Jakob-Park ist das grösste Stadion der Schweiz und regelmässig Schauplatz im internationalen
Fussballgeschehen, so an der Fussball-Weltmeisterschaft 1954, der Fussball-Europameisterschaft 2008, bei Auftritten des FC Basel in internationalen Wettbewerben, den wichtigsten Länderspielen der
Schweizer Nationalmannschaft und 2004 als Spielort im Benefizspiel zwischen den «Zidane & Friends» und «Ronaldo & Friends». Des Weiteren werden der St. Jakob-Park und die St. Jakobshalle für Konzerte genutzt.
1954 war Basel einer von sechs Spielorten der Fussball-Weltmeisterschaft 1954. 1969 fand hier auch die 5. Gymnaestrada statt. Weiter war die St. Jakobshalle 1986 einer der Austragungsorte der Handball-Weltmeisterschaft,
1998 von Spielen der Eishockey-Weltmeisterschaft (Weltmeister Schweden, Schweiz 4. Schlussrang) und war 2006 einer
von fünf Austragungsorten der Handball-Europameisterschaft. Basel wurde als einer der Spielorte der Fussball-EM
2008 ausgewählt, weil das Stadion St. Jakob-Park bereits über die für einen solchen Grossanlass notwendige Infrastruktur verfügte. Im St. Jakob-Park fanden die drei Spiele der Schweiz (darunter das Eröffnungsspiel), zwei
Viertel- und ein Halbfinale statt. Das Stadion verfügt über eine Kapazität von etwa 40'000 Zuschauern und ist damit das grösste Stadion der Schweiz. Im Tennis ist Basel jeweils Schauplatz der Swiss Indoors. Seit 1991 ist die St.-Jakobshalle der Austragungsort für die Swiss Open im Badminton. Basel ist Austragungsort der seit 2000 stattfindenden European Skateboard Championships, welche die Europameisterschaft im Skateboardfahren darstellt. Sie wird jährlich auf der Kunsteisbahn St. Margarethen
ausgetragen. Seit 2010 findet jeweils im November mit dem Basel Head ein Achter-Verfolgungsrennen auf dem Rhein statt. Der europäische Kontinental-Fussballverband, die UEFA,
wurde 1954 in Basel gegründet. Basel ist Sitz der International Handball Federation.
Im Fussball ist die Stadt mit dem FC Basel
in der höchsten Schweizer Spielklasse, der Super League, vertreten. Der FC Basel ist 20-maliger Schweizer Meister und zwölfmaliger Cupsieger. Daneben qualifizierte sich der FCB fünfmal für die UEFA Champions League,
in der er sich als erster Schweizer Verein für die Achtelfinals qualifizierte. Ein weiterer Verein mit Teilnahmen im Schweizer Profifussball war der FC Concordia Basel, welcher bis zum Lizenzentzug 2009 in der Challenge League, der zweithöchsten Liga, vertreten
war und aktuell fünftklassig spielt. Der BSC Old Boys Basel, der für den heutigen Schweizer Erstligisten BSC Young Boys Namens- und Farbgeber war, spielte früher ebenfalls in der höchsten Spielklasse und stand in mehreren Endspielen um die Schweizer
Meisterschaft von denen jedoch keines gewonnen wurde. Momentan ist «OB» in der neuen dritten Schweizer Liga, der 1. Liga Promotion
vertreten. Ebenfalls erstklassig und in mehreren Finals um die Meisterschaft vertreten war der FC Nordstern Basel. Zudem erreichte
Nordstern zweimal den Cupfinal, ging jedoch in beiden Fällen gegen den FC Lausanne-Sport als Verlierer vom Platz. Dabei kassierte
Nordstern 1935 mit 0:10 die höchste Finalniederlage im Schweizer Cup. Der FC Nordstern spielt heute siebtklassig.
Der fünfte ehemals erstklassige Teilnehmer, der FC Black Stars Basel, stellt nach dem FC Basel und dem BSC Old Boys Basel die Nummer drei in der
Stadt dar und spielt in der vierten Liga, der 1. Liga Classic. Der Ski-Club Basel wurde 1904 gegründet und damit einer
der ältesten Skiclubs der Schweiz. Im Eishockey sind der EHC Basel und der EHC Basel-Kleinhüningen in der 1. Liga vertreten. Die Handballer des RTV 1879 Basel konnten im
Jahr 1984 ihren bisher einzigen Schweizer Meistertitel feiern und vertreten die Stadt nach dem zwischenzeitlichen Abstieg seit 2003 wieder in der höchsten Spielklasse (Swiss Handball League). Im Basketball sind die Starwings Basket Regio Basel der momentan einzige erstklassige
Vertreter der Deutschschweiz. Weitere Vereine sind unter anderem der Judo Club Basel, 1935 gegründet und somit einer der ältesten
Judo Clubs in der Schweiz, der Basler Ruder-Club (gegründet 1884), der Rhein Club Basel (gegründet 1883) in dem man das Flachboot Weidling
fahren lernt, das europäische Ultimate-Frisbee-Topteam Freespeed Basel, der Schachclub Birsfelden Beider Basel (Schweizergruppenmeister 2006), sowie der Beachsoccer-Verein BSC Scorpions Basel, welcher nebst der Schweizer Meisterschaft und dem Schweizer Cup auch die Champions League mehrmals
gewinnen konnte. Die Scorpions sind somit einer der erfolgreichsten Beachsoccer-Vereine Europas. Als Stadtgründer gilt Lucius Munatius Plancus
(87 v. Chr.–15 v. Chr.), der nach dem in Gaeta aufgefundenen Grabstein im Jahre 44 v. Chr. die Kolonie Augusta Raurica (heute: Augst) gegründet
hat. Die archäologischen Zeugnisse setzen allerdings bereits im Jahr 6 v. Chr. ein, weshalb die Gründung heute nicht mehr klar nachweisbar ist. Jakob Meyer zum Hasen wurde in 1482 Basel geboren und verbrachte sein ganzes Leben bis 1531 dort, dazu war er von 1516 bis 1521 Bürgermeister der Stadt. Bekannt wurde er, weil er der erste Bürgermeister aus den
Reihen einer Zunft war und die Darmstädter
Madonna bei Hans Holbein dem Jüngeren in Auftrag gab. Ein weiterer bedeutender Bürgermeister
Basels war Johann Rudolf Wettstein (1582–1666), welcher in den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden unaufgefordert die Position der Schweizer
Eidgenossenschaft vertrat und 1648 die Loslösung der damaligen Schweiz vom Heiligen Römischen Reich Deutscher
Nation erreichte. Die Anwältin und Frauenrechtlerin Iris von Roten (1917–1990) wurde in Basel geboren, und prägte
die Emanzipationsbewegung der Frauen im 20. Jahrhundert der Schweiz mit ihrem Werk Frauen im Laufgitter massgeblich.
Als eine der wenigen Frauen ihrer Zeit studierte sie an den Universitäten Bern, Genf und Zürich und wurde in den Rechtswissenschaften promoviert. Von 1943 bis 1945 arbeitete sie als Redaktorin für die Zeitschrift Schweizer Frauenblatt. Nach dem Erscheinen
von Simone de Beauvoirs Werk Das andere Geschlecht fing sie an, ein eigenes Buch zu schreiben, welches 1958 erschien.
Edouard Probst, der erste Schweizer Teilnehmer beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans, wurde 1898 in Basel geboren und starb 1974 in dieser Stadt. Der gebürtige Elsässer
Serge Lang (1920–1999) wirkte in Basel zunächst als Film-, später als Sportjournalist, der sich vor allem
mit dem alpinen Skisport und dem Radsport
befasste. Nachhaltige Bekanntheit erlangte er als Erfinder und einer der Gründerväter des alpinen Skiweltcups.[98] Marcel
Ospel (* 1950) ist ein Schweizer Manager und ehemaliger Verwaltungsratspräsident der UBS. Er ist Bürger von Basel und bekannt für sein Einkommen, welches in den Schweizer Medien als sehr hoch gehandelt wird. Im Grounding-Skandal der
Swissair hatte er die Rolle als Ansprechpartner der Banken inne. Basel hat eine Reihe von Sportgrössen hervorgebracht. Aus der Stadt sind
dies folgende Athleten: die Fussballer Gottfried Dienst, ehem. Fussballschiedsrichter und Karl Odermatt, ehem. Fussballer; Emil Handschin, ehem. Eishockeyspieler, oder die Fechterin Gianna Hablützel-Bürki, Europameisterin und Doppel-Silbermedaillengewinnerin an den Olympischen Spielen in Sydney
(2000). Andere Sportgrössen wie der Fechter Marcel Fischer (Biel), Olympiasieger 2004, die Fussballnationalspieler
Alexander Frei, Marco Streller und die Yakın-Brüder Murat und Hakan (Münchenstein) sowie die Tennisspielerin Patty Schnyder (Bottmingen) werden mit Basel in Verbindung
gebracht, obschon sie eigentlich aus dem Kanton Basel-Landschaft stammen oder, wie Marcel Fischer oder der Tennisspieler
Roger Federer, dort lange lebten.
Der niederländische Philologe, Philosoph und Humanist Erasmus von Rotterdam (1466 bzw. 1469–1536) verbrachte den Herbst seines Lebens in Basel. Er gilt durch seine kritischen theologischen Schriften als Vorreiter der Reformation. Theophrastus Bombast von Hohenheim,
bekannt unter dem Namen Paracelsus (1493–1541) war ein Arzt, Alchemist, Mystiker, Laientheologe und Philosoph. Er war durch seine Heilungserfolge
legendär, hatte aber auch beissende Kritik zu verkraften. In Basel hatte er studiert und war ein Jahr als Stadtarzt tätig. Johannes Heussgen oder bekannter unter Johannes Oekolampad (1482–1531) war Reformator in Basel und starb ebenda. Er genoss hohes Ansehen, aber
hatte nie eine solch einflussreiche Stellung wie Huldrych Zwingli in Zürich, da Basel Bischofssitz war. Durch Oekolampads Bemühungen
wurde aber immerhin 1528 die Glaubensfreiheit für Reformierte in Basel genehmigt. Als weiterer Reformator
und Begründer des Calvinismus ist Johannes
Calvin (1509–1564) zu erwähnen, der mehrere Jahre in Basel lebte und hier sein Hauptwerk Institutio
Christianae Religionis erstmals veröffentlichte. Später wurde er Reformator von Genf. Calvins Ruf hat durch seine Befürwortung von
Hexenverbrennungen arg gelitten. Sein anfänglicher Mitstreiter und späterer Gegner Sebastian Castellio lebte seit 1544 in Basel. Ebenfalls 1544 zog der in den Niederlanden verfolgte Täufer David Joris
nach Basel, wo er bis zu seinem Tod 1556 unter dem Namen Johann von Bruck unerkannt lebte. Andreas Vesalius (1514–1564)
veröffentlichte 1543 in Basel das erste komplette Lehrbuch der menschlichen Anatomie De Humani Corporis Fabrica (Über den Bau des menschlichen Körpers). Die Familie Bernoulli hat über mehrere Generationen hinweg bedeutende Persönlichkeiten in Mathematik
und Physik und anderen naturwissenschaftlichen Zweigen hervorgebracht. Acht Mitglieder der Familie waren Professoren, andere Familienmitglieder wandten sich mit Erfolg gesellschaftswissenschaftlichen oder künstlerischen Disziplinen zu. Der mathematische
Lehrstuhl war 105 Jahre lang von einem Bernoulli besetzt.[99] Jakob I Bernoulli (1655–1705) war Mathematiker und Physiker. Er war zeitlebens in Basel beheimatet. Jakob Bernoulli hat wesentlich an der Entwicklung der
Wahrscheinlichkeitstheorie sowie zur Variationsrechnung und zur Untersuchung von Potenzreihen mitgearbeitet. Daniel Bernoulli (1700–1782)
war Mathematiker und Physiker und Neffe von Jakob. Mit Arbeiten zur Riccatischen Differentialgleichung
wurde er europaweit bekannt. Der nach Daniel Bernoulli benannte Bernoulli-Effekt
ist von grosser Bedeutung in der Aerodynamik. Als einer der bedeutendsten Mathematiker überhaupt gilt Leonhard Euler (1707–1783). Euler wurde in Basel geboren und studierte dort. Seine Leistungen im Bereich der Mathematik sind immens und unbestritten,
so wird er zum Beispiel als Erfinder der heute in der Mathematik gängigen Symbolik angesehen. Mit über 800 Publikationen gilt er zudem als der produktivste Mathematiker überhaupt. 2007 wurde der 300. Geburtstag von Euler mit einem öffentlichen
Festakt, Ausstellungen, Symposien, und Publikationen gefeiert.[100] Der Kulturhistoriker
und Humanist Jacob Burckhardt (1818–1897) war zeitlebens in Basel ansässig. Seinen Schwerpunkt legte er auf Europas Kunstgeschichte,
er erlangte hohe Anerkennung durch seine Werke, vor allem durch Die Zeit Constantins des Grossen von 1857. Der Mediziner, Anatom sowie Zoologe, Geologe und Paläontologe Ludwig Rütimeyer (1825–1895)
erforschte die vorweltliche Fauna der Schweiz, wirkte von 1855 bis 1894 an der Universität Basel und wurde 1867 Ehrenbürger von Basel. An ihn erinnern die Rütimeyerstrasse und der Rütimeyerplatz. Einer der bekanntesten deutschsprachigen
Philosophen und Moralkritiker, Friedrich Nietzsche (1844–1900), lebte und wirkte von 1869 bis 1879 in Basel, als Professor
für klassische Philologie.[101] Zwar schrieb er die meisten seiner bekannten Werke erst,
als er seinen Beruf krankheitsbedingt niedergelegt und Basel wieder verlassen hatte. Verbunden blieb er mit Basel aber durch seinen Freund Franz Overbeck,
der dort weiterhin als Professor für Kirchengeschichte wirkte. Der schweizerische Psychoanalytiker und Psychiater Carl Gustav Jung (1875–1961) hat in Basel-Kleinhüningen seine Jugendjahre verbracht, und anschliessend ab 1895 an der Universität Basel sein Medizinstudium absolviert. Der evangelisch-reformierte Theologe Karl Barth (1886–1968) lebte und wirkte in Basel. Er gilt im Bereich der europäischen evangelischen Kirchen aufgrund seiner theologischen Gesamtleistung als «Kirchenvater des 20. Jahrhunderts».
Karl Jaspers (1883–1969), herausragender Vertreter der Existenzphilosophie, lehrte ab 1948 an der Basler Universität. Er ist heute auf dem Friedhof
am Hörnli begraben. Die Wissenschafter Tadeus Reichstein (Chemie) sowie Werner Arber (Biologie) waren Professoren an der Universität Basel, als sie mit dem Nobel-Preis geehrt wurden. Albert Hofmann (1906–2008) Schweizer Chemiker und Professor, Entdecker der halluzinogenen Wirkung des LSD, lebte und wirkte in Basel.
Urs Graf der
Ältere (etwa 1485 bis 1529) war ein Glasmaler, Kupferstecher und Goldschmied der Renaissance, dessen Werke eine hohe Qualität besitzen und ausser den Glaswerken bis heute erhalten sind. Er verbrachte den zweiten Teil seines Lebens in Basel. Ein bedeutender Maler der Renaissance war ohne Zweifel auch Hans Holbein der Jüngere (1497 oder 1498–1543), der sich selbst als Basler bezeichnete, obschon er nur von 1515 bis 1523 in Basel lebte. Holbein malte die Darmstädter Madonna oder den Totentanz. Der Basler Maler, Zeichner und Kunstkenner Johann Rudolf Huber wurde in Basel, Bern, Venedig und Rom ausgebildet. Er war in Basel, Stuttgart, Durlach, Bern, Neuenburg, und Solothurn tätig
und gilt als der bedeutendste Schweizer Maler des Hochbarock. Der Schriftsteller, Dichter und Prälat Johann Peter Hebel wurde 1760 in Basel geboren, wo seine Eltern in Diensten der Basler Patrizierfamilie Iselin standen. Er verlebte seine Kindheit zur Hälfte
in Hausen im Wiesental, zur Hälfte in Basel und besuchte dort zeitweise das Gymnasium am Münsterplatz. Hebel verfasste
später unter anderem das Gedicht Erinnerung an Basel,[102] dessen Text die Grundlage
für das Baslerlied bildet. Die Basler Hebelstiftung pflegt heute das Andenken Hebels in Basel. Arnold Böcklin (1827–1901)
war Maler, Zeichner, Grafiker und Bildhauer in Basel. Er gilt als einer der bedeutendsten bildenden Künstler des 19. Jahrhunderts in Europa. Das Werk Die Toteninsel stammt von ihm, auch ein spätes Selbstbildnis gehört zu seinen Hauptwerken. Sein wichtigster Schüler, der Fin de Siècle-Künstler Hans Sandreuter (1850–1901) schuf hier zahlreiche Werke, unter
anderem die Fassade der «Bärenzunft» und die Wandarbeiten der «Schmiedezunft» in Altbasel. Der Historien- und Genremaler Johann Baptist Weißbrod (1834–1912) wirkte ab 1870 in Basel. Hermann Hesse (1877–1962)
war ein deutsch-schweizerischer Dichter, Schriftsteller und Maler. Seine bekanntesten Werke sind Der Steppenwolf, Siddhartha und Das Glasperlenspiel. 1946 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Er lebte von 1881 bis 1886 und dann wieder von 1899 bis 1904 in Basel und erhielt später, im Jahre 1924, das Schweizer Bürgerrecht. Der
Maler Alfred Heinrich Pellegrini (1881–1958), war auch Wandmaler. Er wurde in Basel geboren Sohn von Isidor.
1896 tritt er in die kunstgewerbliche Abteilung der Allgemeinen Gewerbeschule in Basel ein. In München war tätig als Lehrer an der
Kunstgewerbeschule, Mitglied der Neuen Secession.[103] Der Architekt Hannes Meyer (1889–1954) wurde in Basel geboren,
lehrte am Bauhaus und hatte ein bewegtes Leben mit Stationen in der Schweiz, Deutschland, Russland und Mexiko. Ihm sind vor allem Werke im Bereich des Siedlungsbaus zu verdanken. Für den Literaturkritiker
und Übersetzer Walter Widmer (1903–1965) war Basel der Lebensmittelpunkt, und 1938 wurde hier sein Sohn, der Schriftsteller Urs Widmer geboren. Die in Basel geborene Schweizer Künstlerin Irène Zurkinden (1909–1987) prägte das künstlerische Milieu der Stadt über Jahrzehnte hinweg entscheidend mit. Ab 1942 nahm Zurkinden an den Ausstellungen der Gruppe 33 teil. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre und in den frühen 1940er Jahren entstanden surrealistisch inspirierte Arbeiten. Das Kunstmuseum Basel ehrte sie 1985 mit einer umfassenden Retrospektive ihres
Werkes. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Zurkinden wieder abwechselnd in Basel und Paris und unternahm längere Reisen nach Marokko (1948), Spanien (1950/51) und Italien (1952/53). Sie entwarf in diesen Jahren Kostüme und Bühnenbilder für das
Stadttheater Basel und erhielt vermehrt Illustrationsaufträge für Bücher. Für die
in Berlin geborene Künstlerin Meret Oppenheim (1913–1985) wurde Basel mit der Emigration aus Deutschland im frühen Kindheitsalter
zeitlebens zu einem wichtigen Bezugs- und Schaffenspunkt. Sie war unter anderem zusammen mit André Breton, Luis Buñuel und Max Ernst eine
der wichtigsten Vertreterinnen des magischen Surrealismus. Neben dem Anfertigen von zahlreichen Figuren, Statuen und Kunstinstallationen
anderer Art ist sie auch für die Fotografien Man Rays, die im Jahr 1933 in ihrem Bildzyklus Érotique voilée
erschienen und ihr den Ruf der «Muse der Surrealisten» einbrachten, berühmt. Der Bildhauer Paul Suter
(1926–2009) hatte in Basel ein Atelier. Er gilt als einer der grossen Schweizer Stahlplastiker nach dem Zweiten Weltkrieg. Etliche seiner grossen Stahlskulpturen sind in Basel an öffentlichen Strassen und Plätzen zu finden. Einer der
bekanntesten Schweizer Filmproduzenten ist Arthur Cohn (* 1927), welcher in Basel geboren wurde. Cohn erlangte in Hollywood durch seine Produktionen Ruhm und Ehre, so ist er als einziger nicht-amerikanischer Produzent mit einem Stern in der Hollywood Walk of Fame vertreten. Seine bekanntesten Produktionen sind Central Station,
Ein Tag im September, Hinter der Sonne und Die Kinder des Monsieur Mathieu. Die Schauspielerin
Marthe Keller (* 1945) wurde in Basel geboren. Sie zählt gemeinhin zu den erfolgreichsten Schweizer Schauspielerinnen auf der internationalen
Bühne. Zu Beginn des Jahres 2012 wurde Marthe Keller von der französischen Regierung in den Rang eines Ritters der französischen Ehrenlegion
erhoben.[104] Jacques Herzog (* 1950) und Pierre de Meuron (* 1950) bilden zusammen
das bekannte Architekturbüro Herzog & de Meuron mit Sitz in Basel. Ihre Bauwerke erreichen weltweit Bekanntheit und
Anerkennung, so beispielsweise der St. Jakobpark in Basel, die Allianz Arena in München oder das als «Vogelnest» bezeichnete Nationalstadion Peking.
1957 wurde Dani Levy in Basel geboren. Er ist als Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur äusserst erfolgreich, seine Filme wie Meschugge und Alles auf Zucker!
liefen am Filmfestival Cannes und an der Berlinale, wo er für letzteren Film auch Preise erhielt. Sein Film Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler
lief im Frühjahr 2007 in den deutschsprachigen Kinos. - Zeitreisen durch 50'000 Jahre Basel. Christoph Merian Verlag, Basel 2009, ISBN 978-3-85616-466-9.
- C. H. Baer, François Maurer, R. Riggenbach: Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt. Band I. Geschichte und Stadtbild. Befestigungen. Areal und Rheinbrücke;
Rathaus und Staatsarchiv (= Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 3). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 1932, OCLC 471688374.
- Rudolf Friedrich Burckhardt: Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt.
Band II: Der Basler Münsterschatz (= Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 4). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. E. Birkhäuser, Basel 1933, OCLC 25786436. (unveränd. Nachdr. 1982, ISBN 3-7643-1389-7)
- Hans Bertschi: Basler Stadtführer. F. Reinhardt, Basel 2000, ISBN 3-7245-1131-0.
- Bernard Degen, Philipp Sarasin: Basel (-Stadt). In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Toni Föllmi, Klaus Brodhage: Basel und seine Kultur. F. Reinhardt, Basel 2002, ISBN 3-7245-1231-7.
- Peter
Habicht: Basel – Mittendrin am Rande. Eine Stadtgeschichte. Christoph Merian Verlag, Basel 2008, ISBN
978-3-85616-326-6 (2. Auflage. 2013, ISBN 978-3-85616-610-6).
- Andreas Heusler: Geschichte der Stadt Basel. 6. Auflage. Frobenius, Basel 1917; 1969, DNB 573978492.
- Georg Kreis, Beat
von Wartburg (Hrsg.): Basel. Geschichte einer städtischen Gesellschaft. C. Merian, Basel 2000, ISBN 3-85616-127-9.
- Fritz Meier: Basler Heimatgeschichte. Heimatgeschichtliches Lesebuch von Basel. 5. Auflage. Lehrmittelverlag des Kantons Basel-Stadt, Basel 1974, DNB 201615657.
- Andreas Urs Sommer: Eine Stadt zwischen Hochorthodoxie und
Aufklärung. Basel in frühneuzeitlichen Transformationsprozessen. In: Theologische Zeitschrift. Jg. 66, Heft 1, 2010, S. 44–61 (stellt eingehend die geistesgeschichtliche Entwicklung Basels von 1620 bis 1780 dar; OCLC 883684679
für den Aufsatz).
- René Teuteberg: Basler Geschichte. 2. Auflage. Hrsg. von der Christoph-Merian-Stiftung
aus Anlass ihres 100-jährigen Bestehens. Merian, Basel 1988, ISBN 3-85616-034-5.
- R. Moosbrugger-Leu,
F. Maurer, G. P. Marchal, H.-J. Gilomen, F. Geldner: Basel. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 1,
Artemis & Winkler, München/Zürich 1980, ISBN 3-7608-8901-8, Sp. 1505–1516.
- Thomas
Lutz: Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt. Basel-Stadt. Band VI: Die Altstadt von Kleinbasel. Profanbauten (= Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 103). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK). Bern 2004, ISBN 3-906131-78-5.
- Anne Nagel, Brigitte Meles, Martin Möhle: Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt. Basel-Stadt. Band VII: Die Altstadt von Grossbasel. Teil I: Profanbauten
(= Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 109). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK). Bern 2006, ISBN 3-906131-84-X.
- Christian Wurstisen: Baßler Chronick (= Bibliotheca Palatina.
H2037/H2043). Sebastian Henricpetri, Basel 1580, OCLC 312373054 (eingeschränkte Vorschau in
der Google-Buchsuche).
- Die Erstellung einer aktualisierten und umfassenden Stadtgeschichte Basels ist im Zeitrahmen 2017 bis 2024 geplant.[105]
Neuburg an der Donau
Neuburg an der Donau (amtlich: Neuburg a.d.Donau) ist eine Große
Kreisstadt und der Sitz der Kreisverwaltung des oberbayerischen Landkreises Neuburg-Schrobenhausen.
Neuburg liegt nordöstlich von Augsburg und westlich von Ingolstadt an der Donau, die sich hier teilt und eine bewohnte Donauinsel bildet, die Leopoldineninsel. Ein Abschnitt ist das Bauerwasser. Nördlich von Neuburg liegt das Naturschutzgebiet Finkenstein. Zur Stadt
Neuburg an der Donau gehören die Orte Altmannstetten,
Auschlösschen, Bergen, Bittenbrunn, Bruck, Bürgerschwaige, Eulahof, Feldkirchen, Forsthof, Gietlhausen, Gnadenfeld (Kahlhof), Grünau,
Hardt, Heinrichsheim,
Herrenwörth, Hessellohe, Joshofen, Laisacker,
Marienheim, Maxweiler, Ried, Rödenhof,
Rohrenfeld, Rothheim,
Sehensand, Zell
und Ziegelau. Neuburg an der Donau | Klimadiagramm | | Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Neuburg an der Donau
| Jan | Feb | Mär | Apr | Mai | Jun | Jul | Aug | Sep | Okt | Nov | Dez |
| | Max. Temperatur (°C) |
1 | 3 | 9 | 14 | 18 | 22 | 23 | 23 | 20 | 13 | 6 | 2 | Ø | 12,9 | Min. Temperatur (°C) |
−6 | −4 | −1 | 2 | 6 | 9 | 11 | 10 | 7 | 3 | 0 | −4 | Ø | 2,8 | | Niederschlag (mm) |
41 | 43 | 39 | 48 | 70 | 104 | 92 | 80 | 57 | 48 | 47 | 46 | Σ | 715 | |
Regentage (d) | 17 | 15 | 13 | 14 | 15 | 16 | 15 |
15 | 13 | 13 | 14 | 15 | Σ | 175 | | Luftfeuchtigkeit (%) | 83 | 82 | 75 | 72 | 72 | 74 | 75 | 77 | 79 | 82 | 86 | 87 | Ø |
78,7 | T e m p e r a t u r | | | | | | | | | |
| | | Jan | Feb | Mär |
Apr | Mai | Jun | Jul | Aug | Sep | Okt | Nov | Dez | N i e d e r s c h l a g | 41 | 43 | 39 | 48 | 70
| 104 | 92 | 80 | 57 | 48 | 47
| 46 | | Jan | Feb | Mär | Apr | Mai | Jun | Jul | Aug | Sep | Okt | Nov | Dez |
| Panorama des Karlsplatzes
Oberes Tor (Bürgertor, Rotes Tor)
Bereits in vorgeschichtlicher Zeit befanden sich hier Höhensiedlungen. Darauf weisen urnenfelderzeitliche Befunde[2] (1300–800 v. Chr.), späthallstattzeitliche Keramik (620–450 v. Chr.) und Keramik der Frühlatènezeit 450–380 v. Chr. hin. Außerdem fanden sich Reste eines vorgeschichtlichen Grabenwerks.[3]
→ Hauptartikel: Kleinkastelle von Neuburg Während der frühen römischen Kaiserzeit,
im 1. Jahrhundert n. Chr. bestand am Westende der Felsformation des Stadtberges höchstwahrscheinlich ein kleines Holz-Erde-Lager,[4] das mit einer Kette weiterer Anlagen die Donaugrenze sicherte. Mit der Vorverlegung des Limes über die Donau wurde dieses Kleinkastell aufgegeben. Das zu der Garnison gehörende Lagerdorf,
das sich am Fuß des Berges befand, entwickelte sich weiter. Während der Spätantike, nach den Zerstörungen durch einfallende Germanen, zogen die Bewohner auf den Burgberg. Über dem frührömischen Lager wurde ein kleines Steinkastell
aus Gußmauerwerk errichtet, das wohl bis in das frühe 5. Jahrhundert bestand.[5] Neuburg war unter Bischof Simpert von
Augsburg (778 bis 809) kurze Zeit Bischofssitz,
dann Hauptort einer Pfalzgrafschaft, deren Inhabern die Vogtei
über das Reichslehen Neuburg zustand. Sie kam im 10. Jahrhundert an die Grafen von Scheyern und somit an Bayern. 1505
entstand das Herzogtum Pfalz-Neuburg mit Neuburg als Residenzstadt. Unter Pfalzgraf Ottheinrich wurde Neuburg 1542 evangelisch, 1616/17 wurde die Gegenreformation durchgeführt. Im 30–jährigen Krieg wurde die Stadt zwischen 1632 und 1634 im Verlauf der Kämpfe um Regensburg mehrmals von durchziehenden schwedischen Truppen, die hier die Donau überwanden, erobert und besetzt und dann von bayerischen Truppen zurück erobert[6] 1717–1718 war Neuburg für ein Jahr de facto Residenz der Kurpfalz, bevor
der neue Kurfürst Karl III. Philipp seinen Hof nach Heidelberg verlegte. Nachdem die Linie Pfalz-Neuburg 1742 ausgestorben war, trat die Linie Pfalz-Sulzbach
die Erbfolge in der Kurpfalz und in Pfalz-Neuburg an. 1777 erbte die Linie Pfalz-Sulzbach Bayern, das Fürstentum
Neuburg wurde 1808 aufgehoben und in den Altmühlkreis eingegliedert. In der Folge musste sich Neuburg mit einer etwas geminderten
Bedeutung abfinden. Die Stadt im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben und Neuburg (seit 1837) hatte die Funktion eines Zentrums für
das ländliche Umland und wurde später zum wichtigen Behördensitz. Bis 1932 bestand das Landgericht Neuburg an der Donau. Das örtliche
Flurbereinigungsamt zog 1966 nach Regensburg, das Kreis- bzw. Staatsarchiv für Schwaben 1989 nach Augsburg um. Überregional einen Namen hatte auch das Neuburger Gymnasium mit Studienseminar. Lange Zeit war Neuburg allerdings in erster Linie als Militärgarnison bekannt (so
in der Zeit der Monarchie bis 1918 für das 15. bayerische Infanterieregiment),
an dessen 2085 im Ersten Weltkrieg Gefallene ein Denkmal in der Fünfzehnerstraße erinnert. Besonders die Garnison
galt neben den anderen staatlich unterhaltenen Einrichtungen während vieler Jahrzehnte als unverzichtbares Stimulans für die Wirtschaft der Kleinstadt.
Die Industrie blieb daneben relativ schwach entwickelt. Bemerkenswert war eigentlich nur die Ausbeutung und Verarbeitung der am nördlichen Stadtrand
lagernden Kieselerdevorkommen durch zwei Betriebe. Erst die Zeit nach 1945 brachte einen fühlbaren Aufschwung des verarbeitenden Gewerbes, besonders
in den Bereichen Glas- und Baustoffindustrie
sowie Kartonagen. Seit den 1950/60er Jahren hatte noch die Textilindustrie mit mehreren Betrieben Bedeutung als Arbeitgeber; sie ist heute nicht mehr anzutreffen. Dagegen besteht die Filiale eines Unternehmens zur Herstellung von Leonischem Draht als Autozulieferer weiter. Bedingt durch den Zuzug von etwa 4000 Heimatvertriebenen
setzte nach dem Zweiten Weltkrieg eine umfangreiche Bautätigkeit der öffentlichen Hand und von Privatleuten ein. Die Bebauung der Stadt erweiterte sich in diesen Jahren bedeutend, besonders durch die neuen Siedlungen im Osten und Süden. Im Mai 1961 wurde auf dem Fliegerhorst Neuburg das Jagdgeschwader 74 (seit 2013 Taktisches Luftwaffengeschwader 74) der Luftwaffe der Bundeswehr in Dienst gestellt. Bis zum 30. Juni 1972 war Neuburg an der Donau eine kreisfreie Stadt
und gehörte zum Regierungsbezirk Schwaben. Mit Inkrafttreten der bayerischen Landkreisreform am 1. Juli 1972 entstand
aus dem Stadtkreis Neuburg und Teilen der Landkreise Neuburg und Schrobenhausen der neue Landkreis Neuburg an der Donau, der am 1. Mai
1973 seinen heutigen Namen erhielt. Dieser neue Landkreis wechselte zum Regierungsbezirk Oberbayern. Als Ausgleich für den Wegfall der Kreisfreiheit erhielt Neuburg ebenso wie vergleichbare Städte den Titel Große Kreisstadt. Damit verbunden ist die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister für das Neuburger Stadtoberhaupt. Auf dem Gebiet des Ortsteils Bittenbrunn befand sich am Nordwestrand ein frühmittelalterliches Gräberfeld aus dem fünften nachchristlichen
Jahrhundert, das 1968 ausgegraben und im Rahmen einer Dissertation wissenschaftlich bearbeitet wurde. Darüber hinaus liegen Funde aus dem
Neolithikum und der römischen Kaiserzeit (Römerstraße, Gutshöfe) vor. Am 1. Juli 1972 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Heinrichsheim eingegliedert.[7] Am 1. Januar
1976 kamen Bergen, Joshofen,
Ried, Zell und der Hauptteil der aufgelösten Gemeinde Bruck hinzu. Bittenbrunn und Feldkirchen folgten am 1. Januar 1978.[8]
- 1900: 08.036 Einwohner
- 1910: 09.061 Einwohner
- 1961: 21.063 Einwohner
- 1970: 23.758
Einwohner
- 1987: 24.157 Einwohner
- 1991: 25.842 Einwohner
- 1995: 27.203 Einwohner
- 2000: 27.715 Einwohner
- 2005: 28.162 Einwohner
- 2010: 28.197 Einwohner
- 2015: 29.182 Einwohner
- 2016: 30.109
Einwohner
- 2017: 30.147 Einwohner
Die Kommunalwahl
am 16. März 2014 führte bei einer Wahlbeteiligung von 47,6 % zu folgendem Ergebnis:[9] Partei / Liste | Stimmenanteil | G/V | Sitze | G/V | CSU | 45,5 % | −2,8 | 14 | −1 | SPD | 17,4 % | −2,7 | 5 | −1 | Freie Wähler | 25,4 % | +6,3 | 7 | +1 | FDP/Liberale | 5,8 % | −0,8 | 2 | ±0 | GRÜNE | 5,9 % | +0,7 | 2 | +1 | G/V: Gewinn oder Verlust gegenüber der Wahl 2008
Oberbürgermeister ist Bernhard Gmehling (CSU). Er wurde im Jahr 2002 Nachfolger von Hans Günter Huniar (Die Unabhängigen
Freien Wähler), der seit 1984 an der Spitze der Stadt gestanden hatte. Dessen Vorgänger war Theo Lauber, Oberbürgermeister
von 1960 bis 1984. Bei den Wahlen im Jahr 2008 konnte sich Gmehling mit 70,5 % der Wählerstimmen von den anderen Bewerbern absetzen. Bei der Kommunalwahl 2014 wurde er mit 59,0 % der abgegebenen Stimmen erneut im Amt bestätigt.
Im Jahr 2012 betrugen die Gemeindesteuereinnahmen 24.468.000 €, davon waren 8.863.000 € Gewerbesteuereinnahmen (netto).[10]
Das heutige Stadtwappen erhielt Neuburg nach dem Landshuter Erbfolgekrieg 1506. Neben dem ursprünglichen Torturm wurden zwei Steckreiterkinder –
die beiden Prinzen und späteren Fürsten Ottheinrich und Philipp – und ein Löwe dargestellt. Dominierende Farben sind Weiß, Rot und Grün. Die Stadtfahne hat die Farben Weiß, Blau und Rot. Darüber hinaus existiert noch ein Stadtlogo.
Neuburg an der Donau besaß eine nicht unbedeutende Kloster- und Stiftslandschaft, von der Teile noch erhalten sind. Aus dem Jahre 976 stammt das nahe Neuburg gelegene Benediktinerinnenkloster Bergen, das später mit dem 1002 gegründeten Benediktinerinnenkloster Neuburg zusammengelegt wurde. An der Stelle dieses Klosters stand später ein Jesuitenkolleg
und befindet sich heute das Maria-Ward-Institut. Das Kloster St. Wolfgang der Barmherzigen Brüder aus dem Jahre 1623 wurde 1980
aufgelöst. Auf dem ehemaligen Klostergelände befindet sich das Geriatriezentrum Neuburg. 33 Jahre jünger ist mit dem Gründungsjahr
1656 das 1803 säkularisierte Franziskanerkloster. Im Jahre 1661 wurde das Karmelitinnenkloster
von Pfalzgraf Philipp Wilhelm gestiftet. Es bestand bis 1802. Das Kollegiatstift St. Peter stammt aus dem Jahr 1681. Seit der Auflösung des Stifts 1803 dient die Kirche als Stadtpfarrkirche. Ebenfalls 1681 wurde das marianische
Kollegiatstift Unsere Liebe Frau vom Gnadenaug gegründet. Anlass zur Gründung war das „Wunder der Augenwende“ an einer Muttergottesstatue. Stift und Wallfahrt waren von der Säkularisation von 1803 betroffen. Die Statue besitzen heute
die Maria-Ward-Schwestern. Zwischen 1698 und 1701 entstand das Ursulinenkloster St. Maria
mit der Studienkirche, das 1813 aufgelöst wurde. Die Elisabethinerinnen bezogen das Kloster St. Elisabeth 1840. Das Kloster besteht noch und es betreibt die Kliniken St. Elisabeth in Neuburg. Neben der Stadtpfarrkirche St.
Peter sind die Hofkirche aus dem frühen 17. Jahrhundert und die zwischen 1927 und 1930
von German Bestelmeyer erbaute Christuskirche bedeutende Sakralbauten in Neuburg. Des Weiteren gibt es noch die Kirchen St. Ulrich, Hl. Geist und die Apostelkirche. Zudem besitzen die Neuapostolische Kirche und die Freie evangelische Gemeinde Kirchengebäude in der Stadt. Im Schlosskomplex existiert
zudem die 1543 geweihte Schlosskapelle.[14] Schloss Neuburg, das Stadtschloss von Neuburg, geht auf eine Burganlage
aus dem 13. Jahrhundert zurück und wurde später zu einem Renaissanceschloss umgebaut. Teile wurden auch unter Einflüssen des Barock umgestaltet. Das Rathaus
der Stadt stammt aus den Jahren 1603 bis 1609 mit Erweiterungen in den Jahren 1640 bis 1642. Als sehenswert gilt auch der ehemalige Marstall, der um
1530 bis 1535 erbaut wurde. Die Staatliche Bibliothek und die Stadtbücherei
(Bücherturm) sind weitere bekannte Profanbauten der Stadt. -
Stadttheater
am Ottheinrichplatz -
Innenraum des Stadttheaters Einen Überblick über die Baudenkmäler Neuburgs gibt die Liste der Baudenkmäler in Neuburg an der Donau.
Mit dem Stadttheater, dem Neuburger Volkstheater e. V., dem Marionettentheater Neuburger Fadenspieler, dem Neuburger Boulevardtheater, sowie
den Theatern papp&klapp (Kinder- und Jugendtheater), Mimenfeld (Neues Theater Neuburg) und
der Neuburger Kammeroper gibt es sieben Theater in der Stadt. In Neuburg gibt es mehrere Museen: Das staatliche Schlossmuseum Neuburg an der Donau beherbergt im Hauptgeschoss des Ostflügels des Neuburger
Schlosses den neu konzipierten Museumstrakt zur Geschichte des Fürstentums Pfalz-Neuburg. Im zweiten Obergeschoss befindet
sich das Archäologie-Museum Schloss Neuburg als Zweigmuseum
der Archäologischen Staatssammlung. Im dritten Obergeschoss sind kirchliche Schätze ausgestellt, insbesondere die kostbaren Textilien aus dem ehemaligen Neuburger Ursulinenkloster (Antependien). Seit 2005 ist mit der Staatsgalerie Neuburg – Flämische Barockmalerei
auch ein Zweigmuseum der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen im Westflügel des Schlosses untergebracht, das u. a. Werke bedeutender Meister wie Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck und Jan Brueghel zeigt. Im Weveldhaus, einem barocken Adelspalais in der Amalienstraße, ist das Stadtmuseum
eingerichtet, das vom Historischen Verein Neuburg betrieben wird und der Stadtgeschichte gewidmet ist. Der Verein
ist außerdem wichtigster Leihgeber der Ausstellungsstücke des Schlossmuseums. Ebenfalls zu besichtigen ist die Paramentenkammer im Studienseminar.
1998 wurde auf Initiative von Armin Geus das Biohistoricum
Neuburg als außeruniversitäres, nichtstaatliches Museum gegründet.
Das Neuburger Schlossfest wird alle zwei Jahre jeweils am letzten Juni- und am ersten Juliwochenende gefeiert und erinnert an die Zeit der Renaissance: Die Bürger schlüpfen in historische Kostüme und lassen in der malerischen Altstadt die Zeit des 15. /16. Jahrhunderts wiederaufleben – mit historischem Markttreiben, Sängern, Barden und Gauklern,
Fanfarenbläsern und Turnierreitern, Landsknechten und höfischem Gefolge. Zu den Höhepunkten des Schlossfestes zählen die Aufführungen des Steckenreitertanzes im Schlosshof und ein farbenprächtiger Umzug durch die Stadt. Eine der Kulturveranstaltungen Neuburgs sind die alljährlich im Herbst stattfindenden Neuburger Barockkonzerte im stimmungsvollen
Rahmen der Neuburger Residenz mit renommierten Künstlern aus dem In- und Ausland. Das Neuburger Donauschwimmen ist das größte Winterschwimmen in Europa. Es findet jedes Jahr am letzten Samstag im Januar statt. 2005 waren 2107
Schwimmer bei einer Lufttemperatur von −6 °C in der nur 1,5 °C kalten Donau. Sie legten eine Strecke von etwa vier Kilometern zurück. Mit dabei waren auch etwa 30 Eisschwimmer, die eine Strecke von 300 Metern nur in Badebekleidung
schafften. Das Volksfest beginnt alle Jahre gegen Ende Juli und endet Anfang August. Während dieses Zeitraumes werden auf dem Volksfestplatz im Neuburger Ostend ein Festzelt mit Weißbiergarten, etliche Fahrgeschäfte sowie Essbuden
aufgestellt. Das Fischergasslerfest findet jedes Jahr Ende Mai statt. Es ist ein traditionelles geselliges Fest, bei dem kulinarischen Gerichte und Bier angeboten werden. Am gleichen Tag findet auch das Fischerstechen auf der Donau statt. Das
Fest findet in der gesamten Fischergasse statt, die direkt am Donaukai liegt. Die Neuburger Sommerakademie
bietet seit über 30 Jahren jährlich allen Kunst- und Musikinteressierten die Gelegenheit, an Kursen in den Bereichen Bildende Kunst, Musik, Jazz, Alte Musik und Theater teilzunehmen. Hierzu treffen sich in den ersten zwei Augustwochen international
bekannte Dozenten in der Residenzstadt. Weitere Veranstaltungen sind das Hofgartenfest, die Herrschaftszeiten, das Sèter Weinfest sowie die Neuburger Weihnacht.
Am 21. September 2011 bildeten die acht Kommunen Dollnstein, Wellheim, Nassenfels, Egweil,
Oberhausen, Burgheim,
Rennertshofen und Neuburg an der Donau die ARGE Urdonautal, eine Arbeitsgemeinschaft, deren Zweck in der Förderung und Koordinierung
des Tourismus im Urdonautal liegt. Neuburg liegt am Donauradweg, der von der Donauquelle über Passau, Wien und Budapest bis zur Mündung in das Schwarze Meer führt und am teils parallel verlaufenden EuroVelo 6-Radweg, welcher als Flüsseroute entlang
von sechs europäischen Flüssen vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer verläuft.[15]
Die größten Arbeitgeber der Stadt sind die Unternehmen Verallia Deutschland, Rockwool, Faurecia, Leoni[16] sowie die Hoffmann Unternehmensgruppe (Sonax und Hoffmann Mineral) in den Bereichen Glas- und Chemische Industrie. Darüber
hinaus erfüllt Neuburg die traditionelle Funktion eines Handels- und Dienstleistungszentrums für das ländliche Umland. Auch das Logistikunternehmen Roman Mayer Logistik Group besitzt eine Niederlassung in Neuburg. Luftaufnahme des Audi Driving Experience Centers in Neuburg an der Donau während der Bauarbeiten 2013. Seit der Fertigstellung 2014 befindet sich auf diesem Areal neben der Anlage für
Test- und Erlebnisfahrten auch der Sitz der Motorsport-Abteilung von Audi. Von August 2012 bis zur Eröffnung im August 2014 baute der Ingolstädter Automobilhersteller Audi ein Fahr- und Präsentationszentrum mit insgesamt 460 Arbeitsplätzen, in dem auch die Motorsportabteilung
des Konzerns nach ihrem Umzug angesiedelt ist.[17][18]
Die Stadtwerke Neuburg an der Donau sind der regionale Energieversorger. Auf dem Fliegerhorst
und in der Wilhelm-Frankl-Kaserne am östlichen Stadtrand ist das Taktische Luftwaffengeschwader 74 (TaktLwG 74) beheimatet. Es ist ein Verband der Luftwaffe der Bundeswehr
und als zweites deutsches Einsatzgeschwader mit dem Eurofighter Typhoon ausgestattet worden. Das TaktLwG 74 stellt die
Alarmrotte für den süddeutschen Luftraum. An diesem Standort befand sich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges eine Blindflugschule. In Neuburg befindet sich ein Ortsverband der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW). Dieser gliedert sich auf in einen Technischen Zug mit Fachgruppe Wassergefahren und eine zusätzliche Fachgruppe Logistik, bestehend aus Führungstrupp und Materialerhaltungstrupp. In
Neuburg ist das THW vor allem im Bereich des Hochwasserschutzes eingebunden. Hierzu zählen der Aufbau des mobilen Hochwasserschutzes im Bereich Donaukai, Brandl und Insel und die Vorhaltung eines Notstrommaggregats und diverser Großpumpen mit einer
Gesamtkapazität von 52.000 l/min. Außerdem engagiert sich der Ortsverband auch in der Jugendarbeit. Justizvollzugsanstalt
Neuburg-Herrenwörth In den Jahren 1985 bis 1990 wurde in Herrenwörth die Justizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth errichtet. Auf 54 Millionen Mark wurde das Bauvolumen beziffert, aber zugleich gab dies 125 neue Arbeitsplätze. Am 24. Juli 1985 legten die Behördenvertreter den Grundstein für
das Bauvorhaben, unter ihnen der damalige bayerische Justizminister August Lang. Zur Erinnerung an dieses historische Ereignis kamen die Tageszeitungen „Neuburger Rundschau“, „Süddeutsche Zeitung“ sowie der „Donaukurier“
mit einer Urkunde in eine Kupferhülle. Nach einer Bauzeit von knapp fünf Jahren belegten im März 1990 erstmals Strafgefangene
das Gebäude. Daneben existiert noch die Justizvollzugsanstalt Neuburg (Altstadt).
In Neuburg gibt es drei Grundschulen, eine Mittelschule, zwei Förderzentren, eine Wirtschaftsschule, zwei Realschulen, eine Berufsschule, drei Berufsfachschulen, eine Fachoberschule sowie ein Gymnasium.
- Grundschule im Englischen Garten
- Mittelschule Neuburg (Park-Schule)
- Grundschule Am Schwalbanger
- Grundschule Neuburg-Ost (Ostend-Schule)
- Staatliche Wirtschaftsschule
- Descartes-Gymnasium
| - Paul-Winter-Realschule für Knaben
- Maria-Ward-Realschule für Mädchen
- Staatliche
Berufsschule mit BFS für Hauswirtschaft und Kinderpflege
- Staatliche Fachoberschule
- Sophie-Scholl-Förderschule der Arbeiterwohlfahrt
- Sonderpädagogisches Förderzentrum
| Im Stadtteil Heinrichsheim von Neuburg an der Donau ereignete sich im Herbst 2001 der Todesfall Rudolf Rupp. Er gilt als einer der bizarrsten Fälle in der jüngeren deutschen Kriminalgeschichte. Denn mit dem späteren Auffinden der skelettierten Leiche von Rudolf Rupp am Steuer seines in der Donau
versunkenen Pkws war es erwiesen, dass die Feststellungen im Urteil des Landgerichts Ingolstadt in weiten Teilen nicht stimmen
konnten. Infolge dieses Urteils hatten Rupps Ehefrau, seine beiden Töchter sowie der damalige Freund einer der Töchter mehrjährige Haftstrafen verbüßt.
- Josef Heider: Geschichtlicher Führer durch die Stadt Neuburg a.d. Donau und Umgebung. Neuburg 1951.
- Adam Horn, Werner Meyer: Die Kunstdenkmäler von Schwaben; Stadt- und Landkreis Neuburg an der Donau. Oldenbourg,
München 1958.
- Ernst Pohl: Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Bittenbrunn, Ldkr. Neuburg-Schrobenhausen. Bonn 1995 (zugleich Philosophische Dissertation am Institut für Vor- und Frühgeschichte der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn bei Volker Bierbrauer 1993).
- Reinhard H. Seitz: Die Schloßkapelle zu Neuburg
a. d. Donau. Einer der frühesten evangelischen Kirchenräume im Spiegelbild von Reformation und Gegenreformation. Weißenhorn 2016, ISBN 978-3-87437-572-6.
- Ludwig Wagner: Zeitreise durch Neuburg und die Stadtteile. Pro Business, Berlin 2006, ISBN 3-939533-78-5, S. 135–138.
- Neuburger Anzeigenblatt Juni 1872.
- Sonderbeilage der Neuburger Rundschau „Von einem abgelegenen Ortsteil zum Neuburger Vorort“, Ausgabe 23./24. August 1969.
- Neuburger Rundschau, 4. Februar 1959, 26. Juli 1985.
- Neuburger Rundschau, 27. Mai 1965.
- ↑ Bayerisches
Landesamt für Statistik – Tabelle 12411-001: Fortschreibung des Bevölkerungsstandes: Bevölkerung: Gemeinden, Stichtage (letzten 6) vom 13. September 2018 (Einwohnerzahlen auf Grundlage des Zensus 2011) (Hilfe dazu).
- ↑ Cornelia Schütz-Tillmann: Die urnenfelderzeitliche
Besiedlung des Neuburger Stadtberges. In: Karl Heinz Rieder, Andreas Tillmann (Hrsg.): Neuburg an der Donau – Archäologie rund um den Stadtberg. Marie Leidorf, Buch am Erlbach 1993, ISBN 3-924734-11-9, S. 51–59.
- ↑
Jörg Biel: Vorgeschichtliche Höhensiedlungen in Südwürttemberg-Hohenzollern. Theiss, Stuttgart 1987, ISBN 380620778X, S. 214.
- ↑
Michael Mackensen: Frühkaiserliche Kleinkastelle an der oberen Donau. In: Helmut Weimert
(Hrsg.): Zivile und militärische Strukturen im Nordwesten der römischen Provinz Raetien. 3. Heidenheimer Archäologie-Colloquium am 9. und 10. Oktober 1987. Heimat- und Altertumsverein Heidenheim an der Brenz, Heidenheim 1988,
S. 13–32; hier: S. 17.
- ↑ Volker Bierbrauer: Neuburg. In: Heinrich Beck (Hrsg.): Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Band 21, de Gruyter, Berlin 2002, ISBN 3-11-017272-0, S. 106–108; hier: S. 106.
- ↑ Peter Engerisser, Pavel Hrnčiřík: Nördlingen 1634. Die Schlacht bei Nördlingen – Wendepunkt des Dreißigjährigen Krieges. Verlag Späthling
Weißenstadt 2009, ISBN 978-3-926621-78-8, S. 29, 30, 32, 33, 55
- ↑ Wilhelm Volkert (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799–1980. C. H. Beck, München 1983, ISBN 3-406-09669-7, S. 601.
- ↑ Statistisches Bundesamt (Hrsg.):
Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. 5. 1970 bis 31. 12. 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart/Mainz
1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 601.
- ↑ Stadt Neuburg an der Donau – Stadtratswahl 2014 (vorläufig)
- ↑ Statistik kommunal: Neuburg a.d. Donau
(PDF-Datei; 1,24 MB)
- ↑ Hochspringen
nach: ab Website von Neuburg – Partnerstädte
- ↑
Chronik Städtepartnerschaft Jeseník – Neuburg
- ↑ Website der Stadt – Neuburgs auf der Welt mit einer Liste dieser Städte
- ↑ Schlosskapelle, christuskirche-neuburg.de; Zugriff am 7. April 2017
- ↑ webmaster: EuroVelo
6: die europäischen Flüsse mit dem Fahrrad erkunden! — EuroVelo. Abgerufen am 29. April 2017.
- ↑ Standorte, leoni.com; Zugriff am 21. September 2017
- ↑ Spatenstich:
Neuburg: Offizieller Baubeginn bei Audi, Augsburger Allgemeine vom 28. August 2012
- ↑ Audi eröffnet Hightech-Areal (Memento vom 3. September
2014 im Internet Archive), Bayerischer Rundfunk vom 30. August 2014
Ulm
springen | Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Ulm
(Begriffsklärung) aufgeführt. | Ulm ist eine an der Donau am südöstlichen Rand der Schwäbischen Alb an der Grenze zu Bayern gelegene Universitätsstadt
in Baden-Württemberg. Die Stadt hat über 125.000 Einwohner (Stand Ende 2017), bildet einen eigenen Stadtkreis
und ist Sitz des Landratsamts des angrenzenden Alb-Donau-Kreises. Ulm ist nach dem Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg eines von insgesamt 14 Oberzentren des Landes und bildet mit Neu-Ulm (zusammen über 180.000 Einwohner) eines der länderübergreifenden Doppelzentren Deutschlands. Ulm ist die
größte Stadt im Regierungsbezirk Tübingen und in der Region
Donau-Iller, zu der auch Gebiete des bayerischen Regierungsbezirks Schwaben gehören. Die Stadt ist bekannt für ihr gotisches
Münster, dessen Kirchturm mit 161,53 Metern der höchste der Welt ist. Weiterhin bemerkenswert ist die lange bürgerliche Tradition Ulms mit der ältesten
Verfassung einer deutschen Stadt und einem Stadttheater, dessen Anfänge bis ins Jahr 1641 zurückreichen.
In der Vergangenheit war Ulm Ausgangspunkt der Auswanderung der Donauschwaben, die donauabwärts mit sogenannten Ulmer
Schachteln in ihre neuen Heimatländer im Südosten Europas fuhren. Ulm, erstmals urkundlich genannt am 22. Juli 854, war Königspfalz und Freie Reichsstadt, ab 1802 bayerisch, ist seit 1810 württembergisch. Seitdem ist
Ulm getrennt von seinem ehemaligen Gebiet rechts der Donau, das bei Bayern blieb und auf dem sich die Stadt Neu-Ulm entwickelte.
Berühmte Persönlichkeiten der Stadt sind beispielsweise der in Ulm geborene Albert Einstein (1879–1955), die Widerstandskämpfer Hans (1918–1943) und Sophie Scholl (1921–1943), die ab 1932 in Ulm aufwuchsen, sowie die Schauspielerin Hildegard Knef (1925–2002), die in Ulm geboren wurde.
Ansicht der Altstadt vom rechten Donauufer Die Stadt Ulm liegt auf einer mittleren Höhe von 479 m ü. NN (Messpunkt:
Rathaus). Das Stadtgebiet ist geographisch reich gegliedert und reicht von 459 m ü. NN (Donauufer) bis 646 m ü. NN
(Klingensteiner Wald). Das historische Stadtzentrum liegt ungefähr zwei Kilometer unterhalb (östlich) der Einmündung der Iller an der Mündung
der Blau in die Donau. Die Stadt liegt am südlichen Rand der Ulmer Alb (Teil der mittleren Flächenalb) und der Hochfläche des durch das ehemalige Tal der Urdonau (Blau-, Ach- und Schmiechtal) hiervon nach Süden abgetrennten, sogenannten „Hochsträß“.
Die durch kleinere oder größere Täler voneinander abgetrennten Erhebungen von Hochsträß und Alb (von West über Nord nach Ost: Galgenberg, Kuhberg, Roter Berg (Hochsträß), Eselsberg, Kienlesberg, Michelsberg, Safranberg (Ulmer Alb)) umgeben im Westen, Norden und Osten das Stadtzentrum. Im Süden wird dieses durch den Lauf der Donau begrenzt. Das Stadtgebiet Ulms erstreckt sich größtenteils
nördlich der Donau, die hier für einige Kilometer die Landesgrenze zwischen den Bundesländern Baden-Württemberg
und Bayern mit der am südlichen Donauufer gelegenen bayerischen Schwesterstadt Neu-Ulm bildet. Im Westen und Norden greift das Stadtgebiet mit den Teilorten Harthausen, Grimmelfingen, Einsingen, Ermingen, Allewind und Eggingen auf die Hochflächen des Hochsträß, mit Lehr,
Mähringen und Jungingen auf die Hochflächen der Ulmer Alb aus. Westlich des Stadtzentrums liegt der Teilort Söflingen südlich der Blau am Rande des Hochsträß. Der Teilort Böfingen schließt nordöstlich an das Stadtzentrum
an und liegt an den Hängen der Alb nördlich der Donau. Lediglich oberhalb der Mündung der Iller in die Donau erstreckt sich das Stadtgebiet Ulms mit den Stadtteilen Wiblingen, Gögglingen, Donaustetten und Unterweiler auf die südwestlich von
Donau und Iller gelegenen Flussauen und Schwemmterrassen der Donau und Iller.
Nach Daten des Statistischen Landesamtes, Stand 2015.[2] Aus dem Umland von Ulm liegen bedeutende Funde des Paläolithikums vor, so einerseits beim benachbarten Blaubeuren und zum anderen einige Kilometer nördlich
von Ulm im Lonetal (zum Beispiel in der Vogelherdhöhle).
Sie weisen darauf hin, dass die Gegend am Rand der Alb zu Zeiten der Jäger und Sammler einen interessanten Lebensraum bot. Im Neolithikum
war das Hochsträß schon früh besiedelt (z. B. Ulm-Eggingen); aus Ulm selbst gibt es Funde aus einer jüngeren Phase des Neolithikums. Eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Entwicklung der Stadt Ulm als Verkehrsknotenpunkt
haben der Verlauf der Flüsse Donau und Iller und
der zwischen Ulm und Geislingen leicht zu bewältigende Übergang über die Schwäbische Alb durch die von Süden und Norden weit in die Albhochfläche einschneidenden Flusstäler von Blau, Kleiner Lauter, Lone, Brenz,
Kocher und Fils. Die
unweit vom südlichen Ufer der Donau in der Nähe von Ulm zwischen dem römischen Kastell Unterkirchberg, dem
Kleinkastell Burlafingen bzw. dem Kleinkastell Nersingen verlaufende Römerstraße, die heute von Historikern Donausüdstraße genannt wird, der nach Norden abzweigende Römerweg ins Filstal zu dem Kastell Urspring (Kastell Ad Lunam) und der dichte Nachweis römischer Fundplätze und Gutshöfe in der Ulmer Umgebung lassen die
strategisch wichtige Lage des Ulmer Gebietes im Hinterland der militarisierten Grenzlinie des Limes bis
zum Limesfall um das Jahr 260 n. Chr. erkennbar werden. Von 15 v. Chr. bis etwa 100 n. Chr. und dann wieder nach dem Limesfall von 260
n. Chr. bis etwa 500 n. Chr. (Donau-Iller-Rhein-Limes) bildete das Ulm gegenüberliegende Donauufer die Nordgrenze
des Römischen Reiches. Die Landesgrenze zwischen Bayern und Württemberg verläuft im Ulmer Raum genau dort, wo
schon vor über 2000 Jahren die Grenze zwischen dem Imperium Romanum und dem unbesetzten Germanien (Germania Magna)
verlief. Die aus dem 6. und 7. Jahrhundert stammenden, teils mit Importgütern aus dem Ostsee- und Mittelmeerraum ausgestatteten Bestattungen des großen Gräberfeldes aus der Merowingerzeit am Kienlesberg (unmittelbar nordwestlich
des Stadtzentrums) sowie die frühmittelalterliche Königspfalz der Karolinger auf dem Weinhof und im Bereich des Hl. Geist
Spitals (urkundlich erstmals erwähnt 854) unterstreichen die besondere Bedeutung Ulms als eines strategisch bedeutsamen Verkehrsknotenpunktes während des frühen Mittelalters. Durch seine Lage am Knotenpunkt mehrerer Handels- und
Pilgerrouten zu Lande und zu Wasser entwickelte sich Ulm während des Hoch- und Spätmittelalters als Freie Reichsstadt
zu einem führenden Handels- und Kunstzentrum in Süddeutschland. Im Spätmittelalter unterhielten Ulmer Kaufleute ein dichtes Netz von Handelskontakten, welche von Skandinavien bis nach Nordafrika, von Syrien bis nach Irland und darüber hinaus reichten. Einer der durch Jahrhunderte bedeutsamen Pilgerwege nach Santiago de Compostela zum Grab des von der katholischen Kirche verehrten Heiligen Jakobus, der Jakobsweg, führte über Ulm nach Nordwestspanien und rückt seit dem Jahr 1997
als völkerverbindend im Sinne der europäischen Einigung in das fördernde Interesse der Stadt Ulm und des Landes Baden-Württemberg. Als Fränkisch-Schwäbischer Jakobsweg zieht er von Norden zum Münster und führt von dort als der Oberschwäbische Jakobsweg gut markiert weiter nach Süden in die Schweiz. Ab dem späten 17. Jahrhundert
wurde Ulm zum zentralen Sammlungsort für meist (aber nicht immer) schwäbische Auswanderer, welche in den neueroberten Gebieten des Habsburgischen und Russischen Reiches in Südosteuropa und im südlichen Russland angesiedelt wurden. Eine erste Auswanderungswelle erreichte zwischen dem späten 17. und Mitte des 18. Jahrhunderts auf Ulmer Schachteln die neueroberten Länder des Habsburgischen Reiches im südöstlichen Europa.
In ihren neuen Siedlungsgebieten im heutigen Rumänien, Ungarn und Serbien entstanden die Volksgruppen der Ungarndeutschen und/oder Donauschwaben. Eine zweite Auswanderungswelle folgte Anfang des 19. Jahrhunderts.
Von 1804 bis 1818 gelangten Tausende Auswanderer auf dem Wasserweg ins Mündungsgebiet der Donau (Dobrudscha) im heutigen Bulgarien und Rumänien sowie nach Bessarabien (heutige Republik Moldau) ans nördliche
Schwarze Meer (heutige Süd-Ukraine)
und von dort nach Süd-Russland, insbesondere in das Gebiet des Kaukasus. Die zumeist schwäbisch-stämmigen Auswanderer schifften sich in Ulm auf Flößen und Ulmer Schachteln ein und fuhren die Donau
hinab bis zu deren Mündung ins Schwarze Meer bei Ismajil. Reiseerzählungen berichten von größten Strapazen der Auswanderer während
der rund 2.500 Kilometer langen Fahrt. Zahlreiche Unglücksfälle und Krankheiten, die nach dem Genuss von verschmutztem Flusswasser und aufgrund schlechtester hygienischer Bedingungen in der drangvollen Enge der meist überfüllten Boote ausbrachen,
forderten zahllose Todesfälle. Ergebnis dieser zweiten großen donauabwärts gerichteten Auswanderungsbewegung waren die Volksgruppen der Dobrudschadeutschen, Bessarabiendeutschen, Schwarzmeerdeutschen, und Kaukasiendeutschen. Durch diese Auswanderungswellen wurden die
bereits vor dieser Zeit vorhandenen engen Kontakte Ulmer Kaufmanns- und Schifferfamilien in diesen Raum nachhaltig verstärkt. Nach der Vertreibung
der Ungarndeutschen und Donauschwaben
aus Serbien und Ungarn infolge des Zweiten Weltkrieges sowie einer nach 1990 einsetzenden Auswanderungswelle von Donauschwaben aus
Rumänien siedelten sich diese häufig in den ehemaligen Herkunftsgebieten ihrer Vorfahren an. Hierdurch entstand seit den späten
1940er Jahren rund um Ulm eine starke donauschwäbische Gemeinde. Heute bezeugen mehrere im Stadtgebiet aufgestellte Denkmäler, welche an Geschichte und Vertreibung der Donauschwaben erinnern, das im Jahr 2000 in den Räumen der Oberen Donaubastion
(Bundesfestung Ulm) eröffnete Donauschwäbische Zentralmuseum (DZM) und zahlreiche Städtepartnerschaften und Kooperationsprojekte mit Gemeinden und Städten entlang der Donau die enge Verbindung Ulms mit den Donauschwaben und Südosteuropa. Die seit dem Mittelalter kontinuierlich gewachsenen, weitgespannten geistigen wie kommerziellen Verbindungen Ulms spielen auch heute noch
im Bewusstsein vieler Ulmer als Basis gegenwärtigen und zukunftsorientierten Denkens und Handelns eine zentrale Rolle. Sie werden sehr bewusst als Teil der eigenen Geschichte und Identität gepflegt. Das seit 1998 alle zwei Jahre stattfindende Internationale
Donaufest mit Vertretern aller Donau-Anrainerstaaten, die kürzlich gegründete Europäische Donau-Akademie, der „lebende Kreuzweg“ der großen italienischen Gemeinde oder ein alljährlich stattfindendes „französisches
Weinfest“ unterstreichen die engen und über Jahrhunderte hinweg gewachsenen und im Alltag gelebten gegenseitigen Verbindungen.
Auf der rechten (süd-östlichen) Seite von Donau und Iller grenzt die bayerische Kreisstadt Neu-Ulm an. Auf der linken (nordwestlichen) Seite
ist Ulm fast gänzlich vom Alb-Donau-Kreis umgeben. Die baden-württembergischen Nachbargemeinden sind hier (von Süden über Westen nach Norden): Illerkirchberg, Staig, Hüttisheim,
Erbach (Donau), Blaubeuren,
Blaustein, Dornstadt, Beimerstetten und Langenau sowie im Osten die bayerische
Gemeinde Elchingen.
Das Stadtgebiet von Ulm ist in 18 Stadtteile eingeteilt: Stadtmitte, Böfingen,
Donautal, Eggingen, Einsingen, Ermingen,
Eselsberg, Gögglingen-Donaustetten, Grimmelfingen, Jungingen, Lehr, Mähringen, Oststadt, Söflingen, Unterweiler, Weststadt und Wiblingen. Neun Stadtteile, welche im Zuge der jüngsten Gemeindereform in den
1970er Jahren eingemeindet wurden (Eggingen, Einsingen, Ermingen, Gögglingen-Donaustetten, Jungingen, Lehr, Mähringen und Unterweiler), verfügen über eigenständige Ortschaftsräte, welche eine wichtige Beraterfunktion des Gesamtstadtrates
zu den die Stadtteile betreffenden Angelegenheiten wahrnehmen. Endgültige Beschlüsse über Maßnahmen können jedoch nur vom Stadtrat
der Gesamtstadt Ulm getroffen werden. Mit einer Durchschnittstemperatur von 7,9 Grad Celsius (°C) und einem Niederschlagsdurchschnitt von 749 Millimeter (mm) pro Jahr liegt Ulm – wie fast ganz Deutschland – in der gemäßigten Klimazone. Im Vergleich zu anderen Städten Baden-Württembergs ist das Klima in Ulm jedoch relativ kalt. Die Durchschnittstemperatur liegt deutlich unter den Werten anderer Orte im Südwesten
(zum Beispiel Heidelberg 11,1 °C, Karlsruhe
10,5 °C, Stuttgart 9,3 °C). Das Niederschlagsmittel weicht hingegen kaum von dem in Baden-Württemberg Üblichen ab (Karlsruhe
770 mm, Stuttgart 664 mm). Humoristisch wird Ulm gelegentlich als „Hauptstadt des Nebelreiches“ bezeichnet. Die Statistik weist dagegen aus, dass in Ulm hinter Freiburg im Breisgau und München die Sonne mit 1698 Stunden am längsten scheint. Die relevante Messstation
lag allerdings bis 2014 auf dem Kuhberg, einer der höchsten Erhebungen der Stadt. Mittlerweile ist sie in den ebenfalls höher gelegenen Stadtteil Mähringen verlagert worden.[3] Aufgrund der erhöhten Messstandorte blieben Nebelfelder im Donautal, in dem die Innenstadt
Ulms liegt, bei den Messungen teilweise unberücksichtigt. Hochwasser ist in Ulm nur gelegentlich ein Problem. Es tritt in der Regel nur
dann auf, wenn Donau und Iller gleichzeitig viel Schmelz-
oder Regenwasser mit sich führen. Gerade schlagartiges Schmelzwetter hat allerdings schon innerhalb eines halben Tages zu starken Überschwemmungen geführt. Ulm ist nach einer 2007 publizierten Studie „Deutschlands gesündeste
Großstadt“. Für die Bewertung waren aber neben Klimadaten auch andere Kriterien wie beispielsweise Luftverschmutzung, ärztliche Versorgung oder die Anzahl an Krippenplätzen ausschlaggebend.[4] Klimadaten Ulms | Jan | Feb |
Mär | Apr | Mai | Jun | Jul | Aug | Sep | Okt | Nov | Dez | | | Max. Temperatur (°C) | 1 | 3 | 8 | 13 | 17 | 20 | 23 | 22 | 19 | 13 | 6 | 2 | Ø |
12,3 | Min. Temperatur (°C) | −4 | −3 | −1 | 3 | 7 | 10 | 12 | 11 | 9 | 5 | 0 | −3 | Ø |
3,9 | Temperatur (°C) | −1,7 | −0,1 | 3,5 | 7,7 | 12,2 | 15,2 | 17,4 | 16,5 | 13,2 | 8,4 | 3,0 | −0,5 |
Ø | 7,9 | | Niederschlag (mm) | 48 | 44 | 44 | 58 | 77 | 100 | 81 | 83 | 61 | 47 | 56 | 50 | Σ |
749 | | Sonnenstunden
(h/d) | 1,6 | 2,6 | 4,0 | 5,3 | 6,6 | 7,2 | 8,0 | 7,1 | 5,7 | 3,5 | 1,8 | 1,5 | Ø | 4,6 |
| Regentage (d) | 17 |
14 | 13 | 14 | 15 | 16 | 16 | 14 | 13 | 15 | 16 | 15 | Σ | 178 | |
Luftfeuchtigkeit (%) | 89 | 85 | 78 | 73 |
72 | 73 | 72 | 75 | 80 | 85 | 88 | 88 | Ø | 79,8 |
T e m p e r a t u r | | | |
| | | | | | | | | Jan | Feb | Mär | Apr | Mai | Jun | Jul | Aug | Sep | Okt | Nov | Dez | N i e d e r s c h l a g | 48 | 44 | 44
| 58 | 77 | 100 | 81 | 83 | 61
| 47 | 56 | 50 | | Jan | Feb | Mär | Apr | Mai | Jun |
Jul | Aug | Sep | Okt | Nov | Dez | | Bohrmuschelkalk [*
1][* 2]
vom Oberen Eselsberg bei Ulm (Obere Meeresmolasse) Im Großraum Ulm grenzen die tertiären,
klastischen Molassesedimente an die Kalksteine des Oberen Jura.[6] Damit einher geht auch der Landschaftsübergang vom Alpenvorland hin zur Schwäbischen
Alb. Die Kalke des Jura werden südlich (und zum Teil auch noch nördlich) von Ulm von den Sedimenten des Alpenvorlandes (Molassesedimente) überlagert. Neben den quartären Ablagerungen entlang des Blau-, Iller- und Donautals treten
in Ulm Sedimente der Brackwassermolasse („Grimmelfinger und Kirchberger Schichten“) der Graupensandrinne, der Oberen Meeresmolasse, der Unteren Süßwassermolasse („Ulmer Schichten“) sowie des Obersten Juras (Massenkalke, Zementmergel des
Kimmeridgium) in Erscheinung. Quarzsande werden unter anderem bei Eggingen (Ulm) abgebaut.
Turritellenkalk von der Erminger Turritellenplatte Auf der Gemarkung von Ulm-Ermingen befindet sich die untermiozäne „Erminger
Turritellenplatte“, die sich durch ihren Fossilreichtum auszeichnet. Die Ablagerung wurde vor rund 18,5 Millionen Jahren (Unteres Ottnangium)
unter flachmarinen küstennahen Bedingungen gebildet (Obere Meeresmolasse). In der Thermalwasserbohrung
von Neu-Ulm (Donautherme Neu-Ulm) wurde der Oberjura (Malm) bis in eine Tiefe von 460 m erbohrt. Darunter folgen die Schichten des Mitteljura
(Dogger) und des Unterjura (Lias). Von etwa 700 m Tiefe bis 890 m treten die Schichten der Oberen Trias (Keuper) und bis etwa 1010 m der Mittleren Trias (Muschelkalk)
in Erscheinung. Darunter folgt dann schließlich das kristalline Grundgebirge, aus dem das Thermalwasser gefördert wird.
Anmerkung - ↑ Der
Name „Bohrmuschelkalk“ ist leicht irreführend. Anders als der abgebildete Turritellenkalk oder der sogenannte Trochitenkalk
besteht er nicht wesentlich aus den Resten der namensgebenden Organismen. Vielmehr handelt es sich um Kalkstein, der von fossilen Bohrmuscheln
besiedelt und von deren Wohnhöhlen durchlöchert wurde.
- ↑
Fritz Drevermann: Meere der Urzeit. Verlag Julius Springer, Berlin 1932 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
Der Stadtkreis Ulm besitzt 2 Naturschutzgebiete: - Gronne:
45,0 ha; seit 15. Dezember 1982
- Lichternsee: 92,0 ha; seit 16. Dezember 2014
Nach der Schutzgebietsstatistik der
Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW)[7] stehen
137,05 Hektar des Stadtgebiets unter Naturschutz, das sind 1,15 Prozent.
- Kesselbrunnen, Gemarkung Jungingen, Erdzeitalter Tertiär, Geotop-ID ND8421001
- Aufgelassener Steinbruch Steigäcker-Blattegert, Gemarkung Mähringen, Erdzeitalter Jura, Geotop-ID ND8421002
- Aufgelassener Steinbruch Hagener
Tal, Gemarkung Jungingen, Erdzeitalter Jura, Geotop-ID ND8421003
- Hülbe St. Moritz, Gemarkung Jungingen, Erdzeitalter Tertiär, Geotop-ID ND8421004
- Stockert, Gemarkung Ermingen, Erdzeitalter Tertiär, Geotop-ID ND8421005
- Aufgelassener Steinbruch Eichhalde, Gemarkung Mähringen, Erdzeitalter Jura, Geotop-ID 8421001
- Sandgrube Käppelesberg, Gemarkung Eggingen, Erdzeitalter Tertiär, Geotop-ID 8421002
Die älteste nachgewiesene Besiedlung des Ulmer Raumes datiert
aus der frühen Jungsteinzeit, um 5000 v. Chr. Nachgewiesen sind Siedlungen dieser Zeit, beispielsweise bei Eggingen (Grabungen des
Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg) und Lehr (Lesefunde verschiedener
Sammler). Zahlreiche Ausgrabungen im Rahmen der seit den 1960er Jahren betriebenen Stadtarchäologie (zunächst durch die Stadtgeschichtliche Forschungsstelle, zuletzt vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg) belegen: Das Gebiet des späteren
Ulm war in Form der durch Schenkungsurkunden des Klosters Reichenau belegten Orte „Westerlingen“ und „Pfäfflingen“
besiedelt, bevor es als „Ulm“ erstmals namentlich erwähnt wurde (854). Die ältesten Funde datieren aus dem Endneolithikum
(Bestattung der Glockenbecherkultur auf dem Münsterplatz). Bereits im Herbst 1857 wurde nördlich des Ulmer Bahnhofs am Unteren Kienlesberg ein großes, überaus reich ausgestattetes alamannisches Gräberfeld der Merowingerzeit entdeckt, das trotz mangelhafter Grabungsmethodik und Funddokumentation wichtige Hinweise für auch überregional bedeutsame Siedlungen auf dem Weinhof und im Bereich des Grünen Hofes (eventuell:
Westerlingen und Pfäfflingen) lieferte.[8] Als Ergebnis neuester Forschungen des Landesdenkmalamtes
in der Neuen Straße[9] wurde jüngst eine vollständige Umschreibung der Ulmer Stadtgeschichte
bis ins 14. Jahrhundert skizziert. Wesentlichste Thesen sind hierbei: Die Pfalz befand sich etwa auf Höhe der heutigen Spitalhofschule/Adlerbastei. Der bisher angenommene Standort am Weinhof soll eine ottonische Gründung gewesen sein. Demnach geht die Kernstadt auf eine ottonische Stadtgründung zurück. Beim bisherigen Grabungs- und Diskussionsstand sind die vorgebrachten Argumente jedoch nicht vollständig
überzeugend, da das neue, in einigen Punkten sehr bedenkenswerte Modell den archäologischen Befunden im übrigen Stadtgebiet weniger gerecht wird als die bisherigen Vorstellungen, die den hier folgenden Kapiteln zugrunde liegen. Im Mai
2007 wurden bei Ausgrabungsarbeiten beim Salemer Hof im Südosten der Ulmer Altstadt Reste jungsteinzeitlicher Siedlungsanlagen sowie ein etwa 5000 Jahre altes Skelett entdeckt. Im frühen
Mittelalter, wohl um 850, wurde Ulm zur Königspfalz. Die erste urkundliche Erwähnung datiert vom 22. Juli 854. König Ludwig der Deutsche besiegelte eine Urkunde in „Hulma“. Der Name ist ein germanischer oder vorgermanischer Gewässername
(indogermanische Wurzel *uel: drehen, winden, wälzen oder *el-/*ol-: fließen, strömen, feucht sein, modrig sein), der auf einen Zusammenhang mit der Mündung der Blau in die Donau deutet.[10] Es gibt aber auch eine neue Deutung, die auf die weiter östlich gelegene Furt über die Donau zurückgeht, wo die Pfalz seit den neuen archäologischen Ausgrabungen lokalisiert
wird: – Dumitrache/Legant (2006): Der lange Weg zur Stadt.[11] Ulm war in den nächsten 50 Jahren ein wichtiger Pfalzort, was sich in den zahlreichen Königsbesuchen
widerspiegelte. In den Ungarnstürmen wurde die Pfalz vermutlich zu einer Fluchtburg ausgebaut. Auf Grund der Ausgrabungen wird folgende weitere Entwicklung angenommen: – Dumitrache/Legant (2006): Der
lange Weg zur Stadt.[11] Damit ist der Weinhof wohl
erst in ottonischer Zeit der Platz für eine Burg geworden, Dort entstand später auch ein Turm, ein Luginsland. Es kann vermutet werden, dass Otto I. wohl den ersten Schritt zur Stadtgründung getan hat. Nach den jüngsten Erkenntnissen
der archäologischen Untersuchungen in der Neuen Straße führte der Weg Ulms von der königlichen Pfalz zur Freien Reichsstadt über folgende Entwicklungsschritte: - Karolingische Pfalz beim Donauübergang ab Mitte 9. Jahrhundert;
- Befestigung und Ausbau zur Fluchtburg in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts;
- Verlagerung des Herrschaftssitzes von der Niederung auf den Stadtrücken in frühottonischer Zeit – damit verbunden Neugründung einer Burg
mit Stadt;
- Übergang vom Holz- zum Steinbau in salischer Zeit;
- Wiederaufbau der 1134 zerstörten Stadt und Stadterweiterung in frühstaufischer Zeit;
- Binnenwachstum und Errichtung der Stadtmauer über Jahrhunderte
verbunden mit der Entwicklung zur kommunalen Stadtverwaltung.[11]
Seine Bedeutung als Ort von Königsaufenthalten verlor Ulm während der Zeit der sächsischen Könige im 10. und 11. Jahrhundert. Erst unter den Saliern
– beginnend mit dem Hoftag Konrads II. im Jahr 1027 – sind wieder vermehrt königliche Aufenthalte nachweisbar.
1079 wurde Friedrich von Staufen mit dem Herzogtum Schwaben belehnt. Nach Festigung ihrer Macht in diesem Raum konnten die Staufer Ulm zu einem ihrer Hauptstützpunkte
ausbauen. Das Aussterben der Salier führte zu Kämpfen um die Reichsgüter aus diesem Erbe, in deren Folge Ulms Umland 1131 niedergebrannt wurde, 1134 traf es dann auch die komplette Stadt.[12] Unter den Staufern wurde die Ulmer Pfalz ab 1140 wieder aufgebaut und im Gefolge
wurde die Siedlung weiter ausgebaut. 1181 wurde sie zur Stadt erhoben und 1184 zur Freien Reichsstadt.[13] Rund 100 Jahre später scheint Ulm komplett befestigt gewesen zu sein, da es einer Belagerung des Gegenkönigs
Heinrich Raspe im Winter 1246 standhalten konnte. Ulm entwickelte sich zu einem der Herrschaftsschwerpunkte der Stauferkönige
und -kaiser. Zur Verfassungsentwicklung in der Frühphase Ulms ist wenig überliefert. „Eine Urkunde über die Erhebung Ulms zur Stadt ist nicht überliefert“. Die Stadtwerdung scheint seit dem 11. Jahrhundert etappenweise stattgefunden
zu haben, ohne jedoch schriftliche Überlieferungen zu hinterlassen. Die Verleihung Esslinger Stadtrechts durch Rudolf von Habsburg
1274 war wohl mehr „eine Verlegenheitslösung, um eine […] Lücke auszufüllen“.[14]
Seccomalerei an der Südseite des Rathauses, auf der die Handelsbeziehungen Ulms zu sehen sind
Mit dem Ende der staufischen Herrschaft gelang es Ulm, eine Königsstadt zu bleiben, was möglicherweise daran lag, dass die die Reichsvogtei innehabenden Linien der Grafen von Dillingen fast gleichzeitig ausstarben und Graf Ulrich von Württemberg als neuer Vogteiinhaber keine Ambitionen
bezüglich Ulms hatte. Ende des 13. Jahrhunderts ist ein städtischer Amtmann fassbar, der jährlich von den Bürgern gewählt wurde. In das 14. Jahrhundert fällt dann die Vervierfachung des Stadtgebiets auf 66,5 Hektar, was
bis ins 19. Jahrhundert die Größe der Stadt bleiben sollte. Einher ging mit der Erweiterung auch die Neubefestigung der Stadt, die möglicherweise in Zusammenhang mit einem im Ergebnis misslungenen Überfall von Ludwig dem Bayern 1316 steht.[15] Innerstädtisch war die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts von bürgerkriegsähnlichen
Unruhen geprägt, die im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen zwischen den Zünften und dem städtischen Patriziat
standen, welches großteils aus ehemaligen kaiserlichen Amtmannen entstanden war und die Herrschaft ausführte. 1345 kam es zu einer Zwischenlösung in Form des Kleinen Schwörbriefs, der vorläufig zu einer Befriedung der Situation
führte, indem er erstmals den Zünften entscheidende Mitsprache in politischen und rechtlichen Dingen einräumte. Unter Ulmer Führung wurde 1376 der Schwäbische Städtebund als Bündnis von 14 schwäbischen Reichsstädten gegründet. Ulm wurde hierbei zum „Vorort“ (d. h. Hauptort für Versammlungen des Bundes) gewählt
und erhielt den Titel „Haupt- und Zierde Schwabens“. Am 30. Juni 1377 begann der Bau des Ulmer Münsters, da die
alte Kirche vor den Stadtmauern lag und die Einwohner während einer kurz zuvor erfolgten Belagerung durch Kaiser Karl IV. nicht
zur Kirche gehen konnten. Nach der Niederlage im Ersten Städtekrieg 1388 fiel der Schwäbische
Städtebund auseinander. Ulm verlor dadurch an Einfluss auf die anderen schwäbischen Städte, blieb jedoch sowohl ökonomisch als auch politisch so einflussreich, dass es zahlreiche, weitestgehend unabhängige Niederlassungen in nahezu
allen wichtigen Handelsstätten Europas unterhielt (z. B. Venedig, Wien, Antwerpen/Amsterdam, Konstantinopel/Istanbul). 1396 kamen Geislingen mit der Burg Helfenstein, Altenstadt, Amstetten, Aufhausen und weitere Orte an die Stadt, als der Graf von Helfenstein seine Schulden bei der Stadt begleichen musste.[16] Der Große Schwörbrief, die Ulmer Verfassung, trat 1397 in Kraft, nachdem der Kompromiss des Kleinen Schwörbriefs „immer unbefriedigender
wurde“.[17] Er regelte die Machtverteilung und die Aufgaben des Bürgermeisters. Die
Zünfte hatten nun 30, die Patrizier nur noch
10 Ratssitze. Gleichzeitig wurde den Patriziern das aktive Wahlrecht verweigert. Der Bürgermeister musste den Einwohnern Rechenschaft ablegen. Der Schwörmontag (vorletzter Montag im Juli) ist seither ein Ulmer Feiertag. 1480 wurde mitten „im reißenden Fluss“ eine neue Stadtmauer errichtet. Sie reichte vom 1348 erbauten Herdbruckertor bis zum an der heutigen
Wilhelmshöhe gelegenen Fischertor. Diese heute noch existierende Stadtmauer entlang der Donau löste die alte, nur noch in Teilen übrig gebliebene Mauer ab, welche vom Fischerturm über den Schweinemarkt und die beiden Blauarme (Reste in
der heutigen Häuslesbrücke erhalten) in einem fast rechten Winkel auf die Buckelquadermauer der staufischen Pfalz stieß und dieser
dann in östlicher Richtung folgte. Die mittelalterliche Mauer wurde dann 1527 nach Albrecht Dürers Befestigungslehre
(im selben Jahr in Nürnberg erschienen unter dem Titel Etliche underricht/zu befestigung der Stett/Schlosz/und flecken) vom Nürnberger Baumeister Hans Beham d. Ä. umgebaut. Dürers Ideen wurden folgendermaßen von Beham umgesetzt: Die an die Stelle der Mauer tretende Mauer-Wall-Grabenwehr sollte dem Beschuss der damals modernen Feuerwaffen besser standhalten
und dem Verteidiger zusätzlich ermöglichen, eigene Artillerie besser zu positionieren. Für die Artillerie wurden von der Stadtseite
her auch Auffahrrampen gebaut. Nach außen wurde eine Brustwehr mit großen Schießscharten errichtet. Dürers Befestigungs-Ideen wurden weiterhin umgesetzt, indem die durch ihre Höhe bei Artilleriebeschuss besonders gefährdeten
Türme der Stadttore radikal abgetragen und mit niedrigen Achteckgeschossen versehen wurden. Zudem sah Dürers System vor, dem Wall runde Basteien vorzulagern, von wo aus der Graben flankierend beschossen werden konnte. Auch die Stadtbefestigung beim
Glöcklertor, Neuen Tor und beim Frauentor wurde dann demgemäß modernisiert. Die Anfang des 17. Jahrhunderts dann von Gideon Bacher
im italienischen Stil realisierte Bastionärbefestigung, welche die Verteidigungslinien weit in das Vorfeld hinaus verlagerte, veränderte das
Stadtbild noch entscheidender als Behams Umbauten. Und gleich anschließend (ab 1617 bis 1622) setzten der holländische Ingenieur Johan
van Valckenburgh und diverse Nachfolger mit ihren Um- und Neubauten nach niederländischem System, das damals als Nonplusultra der Festungsbaukunst galt, nochmals neue Maßstäbe. Überbleibsel ihrer Tätigkeit ist im Wesentlichen
der Bereich Wilhelmshöhe/Promenade. Diese neuen Arbeiten kosteten rund zwei Millionen Gulden, welche durch Steuern aufgebracht werden mussten. Zwischen
1484 und 1500 veröffentlichte der in Ulm wirkende, weitgereiste Dominikaner Felix Fabri seinen Tractatus de civitate Ulmensi (Abhandlung
von der Stadt Ulm). Sie gilt als älteste erhaltene Chronik der Stadt Ulm überhaupt. Fabri beschreibt darin nicht nur die Gegenwart der Stadt zu seiner Zeit, sondern versucht auch, deren Geschichte möglichst umfassend darzustellen. Das Autograph
dieses in lateinischer Sprache verfassten Werkes befindet sich im Ulmer Stadtarchiv. Ulm von oben um 1650, Kupferstich von Merian Ulm in drei Blickrichtungen um 1650, Kupferstich von Merian Ihren wirtschaftlichen wie kulturellen
Höhepunkt erreichte die Stadtentwicklung um 1500: Ulm besaß das nach Nürnberg zweitgrößte reichsstädtische Territorium auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Drei Städte (Geislingen, Albeck und Leipheim) sowie 55 Dörfer gehörten zum Gebiet. Die Stadt war wichtiger Umschlagplatz für Eisen, Textilwaren, Salz, Holz und Wein. Gleichzeitig entwickelte sich Ulm seit Mitte des 15. Jahrhunderts zu einem der
bedeutendsten Kunstzentren Süddeutschlands. Kunstwerke aus Ulmer Produktion (vor allem aufwändig gestaltete Skulpturen und Flügelaltäre) wurden weit über die Stadtgrenzen hinaus zu „Exportschlagern“ und bis nach Wien, Sterzing
(Südtirol) und in die Niederlande gehandelt. Aus dieser Zeit stammt auch der Reim, der die Stellung der Stadt in der damaligen Welt untermauerte: Venediger Macht, Augsburger Pracht, Nürnberger Witz, Straßburger
Geschütz, und Ulmer Geld regier’n die Welt. Mit dem Ulmer Geld im Vers ist neben dem in Ulm geprägten und von Ulmer Handelsleuten und Bankiers reichlich verwendeten Münzgeld auch das gemeint, was den eigentlichen
Reichtum Ulms ausmachte – das Barchent, ein Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen. Das nach strengster Prüfung mit dem Ulmer Siegel
versehene Barchent bürgte für eine so außergewöhnlich hohe Qualität, dass es, da in ganz Europa begehrt, so gut wie Geld war. Aufgrund seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung wurde Ulm auch zum Hauptort, d. h.
zum Versammlungsort und Verwaltungssitz, des Schwäbischen Bundes.[18] Dieser 1488 gegründete Bund diente der Einigung der schwäbischen Reichsstände,
sicherte einen dauerhaften Landfrieden und war ein wesentliches Element der Reichsreform. Zwar zerbrach der Schwäbische Bund infolge der Reformation schon 1534 wieder, allerdings wurde Ulm durch seine Bedeutung in diesem Bündnis nicht nur zu einem wesentlichen politischen Zentrum, sondern
auch zum faktischen Verwaltungsmittelpunkt in Schwaben.[19] Mit der Gründung des Schwäbischen Reichskreises als einem von insgesamt 10 Reichskreisen, mit denen Kaiser Maximilian I. 1500 bzw. 1512 die Verwaltung des Heiligen Römischen Reiches neu ordnete, gelang es Ulm daher nochmals, an seine Vormachtstellung
unter den schwäbischen Städten und Reichsständen anzuknüpfen. Die Stadt wurde zum Haupt- und Versammlungsort des neuentstandenen schwäbischen Reichskreises. Die Reichskreistage (d. h. die beschlussfassenden Versammlungen der im schwäbischen Reichskreis zusammengeschlossenen Reichsstände) fanden bis zum Ende der Reichsstadtzeit im gotischen Rathaus statt. Als Ausweichquartier
für die städtische Verwaltung während der Reichskreistage wurde zwischen 1583 und 1593 von Hans Fischer und Matthäus Gaiser der Neue Bau im Stil der Ulmer Spätrenaissance errichtet. Er diente als Mehrzweckgebäude gleichzeitig
als Rat- und Schwörhaus, Gerichtssaal, Gefängnis und städtisches Lager für Salz, Wein und Korn. Ab 1694 unterhielt der schwäbische Reichskreis ein ständiges stehendes Heer, dessen Verwaltung und Materialbestände zu
großen Teilen im Ulmer Zeughaus untergebracht wurden. Die Entdeckung Amerikas (1492) sowie des Seeweges nach Indien (1497), aber auch die starke lokale Konkurrenz im Barchent-Geschäft durch die Fugger, welche zu Beginn des 16. Jahrhunderts den lukrativen Barchenthandel zunehmend auf ihre neuerworbenen Besitzungen im unteren Illertal „umleiteten“, ließen den Wohlstand und Einfluss Ulms bald nach
1500 schnell verblassen. Das Entstehen neuer Handelszentren und die Verlagerung der wichtigsten Handelsrouten Richtung Atlantik führten zu einem allmählichen wirtschaftlichen Niedergang der Stadt. Hierzu trugen nicht zuletzt auch religiöse Spannungen
bei. Die Stadt gehörte 1529 zu den Vertretern der protestantischen Stände (Protestation) am Reichstag zu Speyer. Ihre Bürgerschaft forderte die ungehinderte Ausbreitung des evangelischen Glaubens. 1531 trat die Stadt
durch Abstimmung der Bürgerschaft dem protestantischen Glauben bei. Der nachfolgende Bildersturm, in dessen Folge über 30 Kirchen
und Kapellen abgerissen oder profaniert sowie weit über 100 Altäre (allein über 60 im Münster) zerstört oder entfernt
wurden, bedeutete auch das abrupte Ende Ulms als Kunstzentrum. Konflikte mit dem Kaiser und anderen Reichsständen führten bis 1546 (Schmalkaldischer Krieg) dazu, dass Ulm 35 seiner Dörfer durch Plünderung oder Brandschatzung verlor und sich zuletzt doch dem katholischen Kaiser Karl V. unterwerfen musste, welcher 1546 die bis dahin gültige städtische Verfassung (Großer Schwörbrief) aus dem Jahre 1397 aufhob und dem städtischen Adel (Patriziat) durch den sogenannten
Hasenrat faktisch die alleinige Entscheidungsgewalt in der Stadt zusprach. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte wurde der einstige Reichtum
der Stadt durch weitere Kriege, besonders während des Dreißigjährigen Krieges und des
Spanischen Erbfolgekrieges, durch verheerende Seuchen, Reparationszahlungen und Erpressungen verschiedener Belagerer
und Besatzer derart verringert, dass die Stadt um 1770 bankrott war und weiteren Grund (Herrschaft Wain) veräußern musste. 1786 umfasste das Ulmische
Gebiet noch folgende Verwaltungen: Obervogteiamt Geislingen, Oberämter Langenau, Albeck und Leipheim sowie die Ämter Süßen, Stötten, Böhringen, Nellingen, Weidenstetten,
Lonsee, Stubersheim, Bermaringen und Pfuhl.
Die Neuordnung Europas durch Napoleon wirkte sich auch in Ulm aus. 1802, noch vor
der Verkündung des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803, verlor die Stadt ihre Unabhängigkeit
und wurde dem Kurfürstentum Bayern eingegliedert. Anknüpfend an Ulms führende Rolle innerhalb des aufgelösten
schwäbischen Reichskreises wurde Ulm Sitz der Landesdirektion der „Baierischen Provinz Schwaben“ (Vorgänger der heutigen Regierung von Schwaben). Am 14. Oktober 1805 fand nahe der Stadt eine entscheidende Schlacht der napoleonischen Kriege
statt (Schlacht von Elchingen), die zur Schlacht von Ulm am 16. bis 19. Oktober führte, aus der Napoleon als Sieger herausging. Nachdem der französische Marschall Ney die Österreicher vernichtend geschlagen hatte (hierfür wurde er zum Herzog von Elchingen ernannt), zogen sich diese nach Ulm zurück, wo sie belagert wurden und kurz darauf kapitulierten. Damit war für Napoleon der
Weg nach Osten frei für die Entscheidungsschlacht gegen die Russen und Österreicher bei Austerlitz.
1810 gelangte Ulm durch einen bayerisch-württembergischen Gebietsaustausch an das Königreich Württemberg.
Für Ulm hatte der Übergang an Württemberg schwerwiegende und bis heute andauernde Folgen. Zwar kam der weitaus größere Teil des ehemaligen reichsstädtischen Territoriums nördlich der Donau mit Ulm an Württemberg, unterlag
jedoch zu großen Teilen nicht mehr direkter Ulmer Verwaltung, sondern wurde anderen Ämtern und Oberämtern (v. a. Geislingen,
das vorher selbst zum Ulmer Gebiet gehört hatte) zugeschlagen. Der kleinere, aber für Ulm wirtschaftlich wichtigere südliche Teil des vormaligen Ulmer Territoriums blieb bayerisch, wurde „Ausland“ und bildete den Grundstock der künftigen
Stadt Neu-Ulm. Ulm war damit Grenzstadt geworden. Was der Verlust seines südlich der Donau gelegenen Hinterlandes
für Ulm ausmachte, lässt sich dadurch verdeutlichen, dass südlich der Donau wichtige Ulmer Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen lagen. Von der zentralen Herdbrücke aus flussaufwärts zur Illermündung hin landeten die Illerflöße
an, die meist Ulm als Endpunkt ansteuerten, aber bisweilen auch bis Wien fuhren. Es waren überwiegend reine Baumflöße, aber auch so
genannte Bäderische, die aus bereits vorgearbeiteten Brettern bestanden. Die Flößer brachten nicht nur Bauholz für die Stadt, sondern auch Brennholz, Salz und Köstlichkeiten wie Käse (aus der Schweiz und dem Allgäu), Weinbergschnecken,
Wein (aus den Anbaugebieten am Bodensee oder aus Italien) oder Kirschwasser. Zwischen der heutigen Eisenbahnbrücke und der Gänstorbrücke
lagen am südlichen Donauufer ein Zimmerplatz für Bauholz, ein Holzhandelsplatz und ein weiterer Holzmagazinplatz für das Lagern und den überregional bedeutsamen Verkauf von Bau- und Brennholz. Des Weiteren befanden sich südlich der Donau in unmittelbarer Nähe der Herdbrücke
am sog. „Schiffbauerplatz“ mehrere Schiffswerften, in welchen die sog. „Ulmer Schachteln“ für die hier einsetzende
Donauschifffahrt gebaut wurden. Nach ihrer Fertigstellung wurden diese am sog. „Schwal“ mit Waren beladen und zu Wasser gelassen. Etwas weiter flussabwärts unterhielt die Gärtnerzunft einen Düngerplatz, der vor allem wichtig für
die stattliche Anzahl der ebenfalls südlich gelegenen Baum-, Obst- und Lustgärten war. Dem Steinhäule zu lagen die Einrichtungen zur Verwertung von Tierkörpern, welche der Verwaltung des reichsstädtischen Scharfrichters unterlagen. Dieser war zugleich Wasenmeister (Abdecker, Schinder, Kleemeister). Auch das reichsstädtische
Schützenhaus lag südlich der Donau. Dort pflegte die Schützengesellschaft mehrmals in der Woche Schießübungen abzuhalten. Gleichzeitig bildete das südliche Donauufer auch das bevorzugte Naherholungsgebiet der Ulmer, wo man spazieren
ging, promenierte und in den Schänken einkehrte. Als die Donau dann infolge der napoleonischen Kriege und Gebietsverschiebungen zwischen den neuen Königreichen Württemberg und Bayern zum Grenzfluss wurde, gab es plötzlich einen Passzwang
für Spaziergänger, dies auch für jene Ulmer, welche jenseits der Donau ihren Arbeitsplatz hatten. Mit dem Anschluss an Württemberg wurde Ulm Sitz eines Oberamtes, des Oberamtes Ulm. Ein Jahr später erhielt die Stadt die Bezeichnung „Unsere gute Stadt“ und damit das Recht auf einen eigenen Landtagsabgeordneten. Im Jahre 1811 sollte Albrecht Ludwig Berblinger, „der Schneider von Ulm“, anlässlich des Antrittsbesuchs des württembergischen Königs in der Stadt
das von ihm entworfene Fluggerät vorführen. Nach Aussage von Augenzeugen absolvierte Berblinger im Bereich des oberen Michelsbergs mit seinem Fluggerät erfolgreich mehrere Gleitflüge von mehreren Dutzend Metern „über Wiesen und
Gärten“. Ungünstigerweise sollte Berblinger seine Flugkünste nun nicht dort, sondern am hohen Ufer der Adlerbastei nahe der Herdbrücke präsentieren. Berblinger scheute die Demonstration, weil er richtigerweise die dort herrschende
Thermik als für Flugversuche extrem ungünstig einschätzte. Am Tag darauf, der König war nicht mehr anwesend, dafür aber sein Sohn, stand der Ulmer Flugpionier wieder am Start. Einem Ondit zufolge soll der immer noch zögernde Berblinger von der Adlerbastei gestoßen worden sein und landete, statt am bayerischen Ufer, in der Donau. Neuzeitliche Flugwettbewerbe zeigten denn auch, dass die für
die Flugvorführung Berblingers gewählte Stelle in jedem Falle für das Hinübergleiten mit nichtmotorisierten Fluggeräten sehr problematische Bedingungen bietet. Für Albrecht Berblinger hatte die gescheiterte Flugvorführung
verheerende Folgen. Weit über Ulm hinaus wurde er zur lächerlichen Witzfigur und war dem Spott seiner Zeitgenossen schutzlos preisgegeben. Er selbst gab verbittert seine Experimente auf, zog sich zurück und starb verkannt und völlig verarmt.
Inzwischen ist (nicht nur in Ulm) die Ehre Berblingers hinsichtlich seiner Einschätzung als Flugpionier wiederhergestellt. Neben den zeitgenössischen Berichten haben auch moderne Nachbauten von und Versuche mit Berblingers Fluggerät eindeutig
bewiesen, dass es tatsächlich flugtauglich war und sich damit bei guter Thermik beachtliche Strecken zurücklegen lassen. Ulm wurde 1819 Sitz des württembergischen Donaukreises (etwa einem Regierungsbezirk vergleichbar). Erster Ulmer Bahnhof und Postamt im Jahr 1855 Die Eröffnung der ersten durchgehenden
Strecke des württembergischen Eisenbahnnetzes von Heilbronn nach Friedrichshafen am 1. Juni 1850 sowie die seit Mitte des 19. Jahrhunderts angegangenen
gewaltigen Bauaufgaben des Baues der Bundesfestung und der Fertigstellung des Ulmer Münsters brachten neues Leben in das inzwischen zum „Provinznest mit 12.000 Einwohnern“ gewordene Ulm. Im Gefolge der Errichtung der Bundesfestung mit 53 Festungswerken um Ulm und Neu-Ulm herum sowie der Vollendung des Münsters, in deren Folge Ulm seit 1885 den bis heute höchsten
Kirchturm der Welt erhielt (die Einweihung des neuen Westturms war am 31. Mai 1890), zog wieder der Wohlstand ein. Folge dieser Belebung war eine stark ansteigende Einwohnerzahl und die Gründung zahlreicher Wirtschafts- und Industrieunternehmen.
So entdeckte der Ulmer Apotheker Gustav Ernst Leube die seit der Spätantike vergessene Kunst der Zementherstellung neu und gründete
1838 mit seinen Brüdern, Wilhelm und Julius Leube, die erste Zementfabrik Deutschlands. Conrad Dietrich Magirus, Kommandant
der Freiwilligen Feuerwehr Ulm, beschäftigte sich mit der Konstruktion von Gerätschaften zur Feuerbekämpfung.
Er gilt als Erfinder der fahrbaren Feuerleiter. 1864 wurde Magirus Kommanditist der neu gegründeten Gebr. Eberhardt offene Handels- und Kommanditgesellschaft, die Feuerwehrgeräte herstellte und vertrieb. Nach Unstimmigkeiten zwischen Magirus und
den Gebrüdern Eberhardt gründete Magirus dann 1866 seine eigene Firma, der er den Namen Feuerwehr-Requisiten-Fabrik C. D. Magirus gab. 1893 gründete Karl Heinrich Kässbohrer, Spross einer alten Ulmer Fischer- und Schifferdynastie, die Wagenfabrik Kässbohrer. Ab 1910 wurden dort erstmals Karosserien für Personenwagen-Fahrgestelle in Serie gefertigt. Auch
erhielt die Firma das erste Patent für einen kombinierten Omnibusaufbau für Personen- und Gütertransport. 1922 entwickelte Kässbohrer den ersten Lastwagen-Anhänger. Ulm im Mai 1888 mit kurz vor der Fertigstellung stehendem Hauptturm des Münsters Eine bedeutende Rolle für die Entwicklung Ulms und Neu-Ulms spielten auch
die seit Mitte des 19. Jahrhunderts stationierten Truppen der Bundesfestung. So zählte Ulm 1913 60.000 Einwohner, davon über 10.000 Soldaten. Auch 1938, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, war die Doppelstadt Ulm/Neu-Ulm mit mehr als 20.000
Soldaten die größte Garnison im Deutschen Reich. Die tolerant-reichsstädtisch geprägten Ulmer waren kriegerischen Handlungen und dem Militär an sich nicht besonders zugetan. Selten hatte Krieg in der Geschichte der Stadt Gutes gebracht.
Die Abneigung der Ulmer gegen alles allzu Militärische zeigte sich z. B. darin, dass die Reichsstadt bereits sehr früh große Teile der Verteidigung der Stadt auswärtigen Söldnern überließ, für die entlang der
Stadtmauer eigens die sogenannten „Grabenhäuschen“ gebaut wurden. Auch versuchte Ulm Gebietsstreitigkeiten mit seinen Nachbarn stets diplomatisch, notfalls auch durch horrende Geldzahlungen zu regeln. Große Teile des ehemaligen reichsstädtischen
Territoriums waren durch Kauf oder Schuldeinlösungen in die Hände der Ulmer gelangt, nicht durch militärische Mittel. Auch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nach dem unfreiwilligen Anschluss an Bayern und Württemberg stieß in Ulm auf erbitterten und lang anhaltenden Widerstand. Insgesamt war Ulm im Lauf seiner Geschichte wiederholt Objekt verschiedener Begierden, die
meist zum Schaden der Stadt auch mit kriegerischen Mitteln verfolgt wurden. So wurde die Stadt als Hauptort des Schwäbischen Städtebundes oder des Schwäbischen Reichskreises immer auch durch eigenes oder fremdes Militär geprägt.
Fort Oberer Kuhberg (zeitweise KZ) 1918/19 wurde auch in Ulm die Demokratie des Weimarer Staates eingeführt. 1919 wurde mit dem württembergischen Gemeindegesetz für alle Menschen das aktive
und passive demokratische Wahlrecht eingeführt. Es wurde eine repräsentative Demokratie mit Stadträten geschaffen. Parteien wurden gegründet, die sich im Stadtrat in Fraktionen organisierten und die Verwaltung mit dem demokratisch gewählten
Bürgermeister kontrollierten. Allerdings wurden die Parteien, die diese Demokratie abschaffen wollten, allen voran die Nationalsozialisten,
immer stärker.[20] Der Erste Weltkrieg und die folgende Weltwirtschaftskrise hatten Ulm besonders hart getroffen,
da die Wirtschaftsunternehmen der Stadt stark exportorientiert ausgelegt waren und als vormalige Rüstungsunternehmungen direkt von Reparationsforderungen und Herstellungsbeschränkungen des Versailler Vertrages betroffen waren. Auch die radikale Verringerung der Anzahl des in Ulm stationierten Militärs wegen der Niederlage im Ersten Weltkrieg wirkte sich extrem negativ auf die örtliche Wirtschaft aus.
Dazu kam die Zerstörung der Währung durch die Inflation 1922/1923,
die kurzzeitig zu einer eigenen Regionalwährung führte, dem Markengeld Wära. Es gelang den Nationalsozialisten
und den mit ihnen verbündeten, die Demokratie ablehnenden Parteien, diejenigen Parteien, die die Weimarer Republik stützten, für die Reparationsverpflichtungen, die schlechte Wirtschaftslage und auch für den Abbau des Militärs verantwortlich
zu machen, verbunden mit einem hohen Anteil von Antisemitismus: Die Juden galten als Urheber aller
negativen Geschehnisse der Weimarer Republik. Dazu kam die Bekämpfung der Kommunisten, die die Weimarer Republik selbst ablehnten. So kam es seit den späten 1920er Jahren in Ulm zu hohen Stimmenanteilen der Nationalsozialisten. Direkt nach der Machtübernahme
durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 setzte die Verfolgung der Weimarer Demokraten, von Kommunisten und auch der Juden
ein. Dies wurde anfangs von der SA und SS
im Auftrag der NSDAP durchgeführt, später von den Polizeibehörden. Viele der Opfer dieser Verfolgung wurden von 1933 bis 1935 im Konzentrationslager
Oberer Kuhberg, einem der Festungswerke der Bundesfestung Ulm, ohne Gerichtsverfahren eingekerkert und misshandelt. Später
wurden die verbliebenen Gefangenen in das KZ Dachau überstellt. Darunter befand sich auch Kurt Schumacher. Gleichzeitig wurden die demokratischen Gremien und der demokratische Rechtsstaat abgeschafft. Wahre Herrscher von Ulm waren ab 1933 der NSDAP-Kreisleiter Eugen Maier und seine Vorgesetzten im NSDAP-Gau Württemberg-Hohenzollern.[21]
1933 richtete die Württembergische Politische Polizei im Neuen Bau eine Außenhauptstelle ein, die ab 1936 bis Kriegsende
als Dienststelle der Geheimen Staatspolizei fungierte.[22] Von 1933 bis 1935 bestand das
KZ Oberer Kuhberg mit hauptsächlich politischen Gefangenen im gleichnamigen Fort der Bundesfestung Ulm. Am 22. April 1934
gaben oppositionelle Vertreter der evangelischen Kirche aus ganz Deutschland (Deutsches Reich) im Ulmer Münster die Ulmer Erklärung
ab, in der sie sich gegen die Bestrebungen wandten, die Selbstständigkeit der evangelischen Kirche dem nationalsozialistischen Staat unterzuordnen. 1938 wurde die Stadt kreisfrei und zudem Sitz des aus dem alten Oberamt hervorgegangenen Landkreises
Ulm. In der sogenannten Reichspogromnacht (9./10. November 1938) wurde die 1873 geweihte Ulmer Synagoge Am Weinhof 2 von einer Ulmer SA-Gruppe
in Brand gesetzt. Daneben wurden Mitglieder der jüdischen Gemeinde misshandelt, woran sich auch andere Ulmer Bürger beteiligten. 56 Männer wurden für mehrere Monate im KZ Dachau inhaftiert. Zwei Verhaftete aus Ulm überlebten die dortigen
Torturen nicht. Die städtische Feuerwehr löschte den Brand der Synagoge schnell, jedoch nicht, um den Brand des Heiligtums der jüdischen Gemeinde zu verhindern, sondern weil sie ein Übergreifen des Brandes auf benachbarte Gebäude verhindern
wollte. Um den nationalsozialistischen Pogrom zu vollenden, ordnete die Stadtverwaltung einige Tage später den Abriss des Gebäudes an und zwang
die jüdische Gemeinde, ihn selbst zu finanzieren.[23][24]
Nach der „Reichskristallnacht“ wurden die restlichen in Ulm lebenden Menschen jüdischen Glaubens zwangsweise in sogenannte Judenhäuser einquartiert. 1941 bis 1942 wurden die verbliebenen Ulmer Juden in die Vernichtungslager in den
Osten abtransportiert, um sie dort zu ermorden. Nur wenige der deportierten Ulmer Juden überlebten. Am Treppenabgang der Sparkasse Neue Straße 66 erinnerte von 1990 bis zum Neubau der Synagoge auf dem Weinhof gegenüber im Jahr 2012 eine Gedenktafel
an die verfolgten und in der Shoa ermordeten 122 Ulmer Juden und ihr Gotteshaus. Das Gedenkbuch
des Bundesarchivs für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland (1933–1945) verzeichnet namentlich 197 jüdische Einwohner Ulms, die deportiert und größtenteils ermordet wurden.[25] Es gab vereinzelt auch Widerstand gegen den nationalsozialistischen Staat. 1942 bildete eine Gruppe Abiturienten um Hans und Susanne Hirzel sowie Franz J. Müller den Ulmer Ableger der bekannten Münchner Widerstandsgruppe Weiße Rose,
in der die beiden Ulmer Hans und Sophie
Scholl aktiv waren. Beide Widerstandsgruppen wurden 1943 gefasst. Ihre Mitglieder wurden teils zum Tode, teils zu Gefängnisstrafen verurteilt. 1944 begannen die schweren Luftangriffe auf Ulm. Zu Kriegsende – insbesondere als Folge des Großangriffs vom 17. Dezember 1944 – waren 81 % der historischen Altstadt zerstört, das Münster blieb jedoch weitgehend verschont.
1945 unterhielt das KZ Dachau das SS-Arbeitslager Ulm im Stadtteil Söflingen mit 30 bis 40 Häftlingen zum Bau von U-Boot-Teilen
bei Klöckner-Humboldt-Deutz.[26] Am 24. April 1945 wurde Ulm von US-Truppen besetzt.[27] Andernorts in Deutschland wurde der Krieg noch bis Anfang Mai fortgesetzt. Der Krieg endete letztlich am 8. Mai mit der Bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht. 1955: Blick vom Hauptturm des Ulmer Münsters zum westlichen Münsterplatz. Die Baulücken
sind Folgen der besonders am 17. Dezember 1944 erfolgten Zerstörung der Altstadt.
2005: Blick von der mittleren Plattform des Ulmer Münsters in Richtung Westen. Links der historische Neue Bau, nahezu alle anderen erkennbaren Gebäude sind neu entstanden. Die zu großen Teilen zerstörte
Innenstadt Ulms wurde in den Jahrzehnten nach Kriegsende wieder aufgebaut. Die Frage, ob der Wiederaufbau historisch oder modern erfolgen sollte, führte zu heftigen Auseinandersetzungen. Der größte Teil der Stadt wurde im Stil der Fünfziger-
und Sechzigerjahre wiederaufgebaut. Um große Verkehrsprojekte wie die „Neue Straße“ als Ost-West-Magistrale zu verwirklichen, wurde sogar noch erhaltene historische Bausubstanz geopfert. Es kam allerdings auch zu Rekonstruktionen einzelner,
für die Stadtgeschichte bedeutender Gebäude, und zahlreiche moderne Bauten orientierten sich mehr oder weniger an historischen Formen, z. B. an den für Ulm typischen Spitzgiebeln. (Siehe auch Kultur und Sehenswürdigkeiten – Bauwerke – Stadtbild) Der Wiederaufbau war aber nicht begrenzt auf die alte Ulmer Innenstadt. So war das neu ausgewiesene Industriegebiet im Donautal (1951) von großer
Bedeutung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Im neuen Stadtteil Eselsberg konnten zahlreiche Vertriebene aufgenommen werden, was die Einwohnerzahl schnell wieder auf den Stand von vor dem Krieg und darüber hinaus anschwellen ließ.
Im Jahre 1953 begann die Geschichte der für die Fünfziger- und Sechzigerjahre stilbildenden, inzwischen aber wieder geschlossenen Hochschule für Gestaltung. Eine Ingenieurschule eröffnete 1960 ihren Lehrbetrieb und ging 1972 in der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik auf. Ein wichtiger Impuls für die Stadt war die Gründung der Universität
Ulm (1967), der 1982 das aus bisher städtischen Kliniken gebildete Universitätsklinikum
angeschlossen wurde. Am 1. Januar 1973 trat die Kreisreform in Baden-Württemberg in Kraft. Ulm wurde Sitz des neu
gebildeten Alb-Donau-Kreises, blieb selbst aber kreisfrei. 1980 überschritt Ulm erstmals die 100.000-Einwohner-Marke und wurde somit Großstadt. Im gleichen Jahr war Ulm Gastgeber der ersten Landesgartenschau in Baden-Württemberg, an der sich auch die bayerische Nachbarstadt Neu-Ulm beteiligte. Die Überwindung der Wirtschaftskrise Anfang der 1980er Jahre machte aus der bisherigen Industriestadt
auch ein Dienstleistungs- und Wissenschaftszentrum, welches 1987, bei einer Einwohnerzahl von 104.000, die beachtliche Zahl von 84.000 Arbeitsplätzen aufweisen konnte. 2004 feierte die Stadt mehrere bedeutende Ereignisse: zum einen den 1150. Jahrestag
der ersten urkundlichen Erwähnung von Ulm, zum anderen den 125. Geburtstag von Albert Einstein, der am 14. März 1879 in der heutigen
Bahnhofstraße geboren wurde. (Die Familie zog allerdings bereits kurz nach der Geburt Alberts 1880 nach München. An der Stelle seines Geburtshauses steht heute eine Skulptur zu Ehren des prominenten jüdischen Sohnes der Stadt, der von den NS-Machthabern
ausgebürgert wurde.) Ein weiteres Großereignis war der 95. Deutsche Katholikentag vom 16. bis zum 20. Juni 2004 unter dem Motto „Leben aus Gottes Kraft“, an dem ungefähr 30.000 Gläubige teilnahmen. 2015 wurde Ulm der Ehrentitel „Reformationsstadt Europas“ durch die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa verliehen.[28]
Ehemals selbständige Gemeinden beziehungsweise Gemarkungen, die in die Stadt Ulm eingegliedert wurden. Die Zuwachsfläche gibt die
hinzukommende Fläche zur Gesamtfläche der Stadt im Jahr der Eingliederung an. Datum oder Jahr | Orte | Zuwachs in ha | Quelle | 1828 | Böfingen, Örlingen
und Obertalfingen | ? | | 6. November 1905 | Söflingen | 1448 | | 1. April 1926 | Grimmelfingen | 471 | | 1. April 1927 |
Wiblingen | 809 | | 1. September 1971 | Jungingen | 1354 | [29] | 1. Januar 1972 | Unterweiler | 452 | [29] | 1. Februar 1972 | Mähringen | 891 | [29] | 1. Mai 1974 | Eggingen | 810 | [30] | 1. Juli 1974 | Donaustetten | 598 | [30] | 1. Juli 1974 | Einsingen | 651 | [30] | 1. Juli 1974 | Ermingen | 837 | [30] | 1. Juli 1974 | Gögglingen | 514 | [30] | 1. Januar 1975 | Lehr | 614 | [30] |
Einwohnerentwicklung von 1871 bis 2017 Zwischen 1890 (36.000 Einwohner) und 1939 (75.000 Einwohner) verdoppelte sich die Bevölkerung der Stadt. Durch die
Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges verlor Ulm bis 1945 rund 30 Prozent (20.000) seiner Bewohner. 1951 hatte die Bevölkerungszahl wieder den Stand von vor dem Krieg erreicht. 1980 überschritt die Einwohnerzahl der Stadt die Grenze von 100.000, wodurch
sie zur Großstadt wurde. Ende Dezember 2011 lebten in Ulm nach Fortschreibung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg 123.672 Menschen mit Hauptwohnsitz – historischer Höchststand. Laut Zensus 2011 beträgt die Zahl
mit Stand 9. Mai 2011 116.761 Einwohner[31] und ist damit geringer als bisher angenommen.[32] Mit Stand vom 31. Dezember 2004 hatten 19.570 Einwohner (16,3 Prozent) einen ausländischen
Pass (über 100 Nationen). 14,4 Prozent der Einwohner waren unter 15 Jahre alt, 17,5 Prozent 65 Jahre alt oder älter. Damit hat Ulm, ähnlich wie andere deutsche Städte, eine relativ niedrige Geburtenrate, die Einwohnerzahl steigt aber durch
Zuwanderung noch um jährlich 0,5 Prozent. Laut einem Bericht des Statistischen Landesamtes von Baden-Württemberg wird die Stadt bzw. der Stadtkreis Ulm im Jahr 2025 der jüngste Landkreis in Baden-Württemberg sein. So wird das Durchschnittsalter
der Stadt von derzeit 41,3 Jahre auf 44,5 Jahre steigen, was aber immer noch deutlich unter dem Durchschnittsalter von anderen Stadt- und Landkreisen im Land liegt.[33] Zum Jahresende 2016 gehörten 23,1 % der Ulmer Bevölkerung der Evangelischen Kirche in Deutschland an, 32,4 % der römisch-katholischen
Kirche.[34]
Der Turm des Ulmer Münsters von Nordwesten 1529 trat Ulm auf dem Reichstag in Speyer den protestantischen Reichsständen bei. In einer Abstimmung vom 3. bis 8. November 1530 entschieden sich von 1.865 Abstimmungsberechtigten 1.621 für die Reformation.[35] 1531 wurde die Reformation Zwinglischer Richtung durch den Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer eingeführt, doch näherte
man sich bald Martin Luther an, als 1533 die Stadt eine lutherische Kirchenordnung erhielt. Somit war Ulm über Jahrhunderte eine protestantische
Stadt. Bürgermeister Hans Ehinger von Balzheim († 1583)[36] unterzeichnete für
den Rat der Stadt Ulm die lutherische Konkordienformel von 1577.[37] Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert sank der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung Ulms (rund 20.000) auf ein Prozent (200 bis 250 im Jahre 1624) ab. Diese Zahl blieb bis Mitte des
18. Jahrhunderts konstant. Predigen durften die verbliebenen Priester nicht, katholische Taufen durften nur noch in den Privathäusern
stattfinden. Zur Brautmesse, deren Feier in Ulm verboten war, gingen die wenigen Paare ins katholische Söflingen, wo es seit 1258 ein Klarissenkloster gab, das 1803 aufgelöst wurde. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts waren Katholiken vom Bürgerrecht ausgeschlossen.
Die stärksten Gruppen unter den Katholiken waren die Patrizier und vor allem die Gesellen, Dienstboten und Taglöhner. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es wieder eine starke katholische Gemeinde, 1805 die erste katholische Stadtpfarrei nach der Reformation.
Nach dem Übergang an Württemberg (1810) wurde Ulm Sitz eines Generalats (heute Prälatur) innerhalb der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der die evangelischen Gemeindeglieder angehören,
sofern sie nicht Mitglied einer evangelischen Freikirche sind. Des Weiteren besteht in Ulm an der Adlerbastei – neben der evangelischen Prälatur – ein Dekanat, dessen Stelleninhaber dem evangelischen Kirchenbezirk Ulm mit insgesamt 55.408 Protestanten vorsteht (Stand 2005). Die evangelische Gesamtkirchengemeinde Ulm ist die Nachfolgeeinrichtung der historischen eigenständigen Ulmer Reichsstadtkirche
und bildet zurzeit einen Verbund aus sechs Kirchengemeinden: Auferstehungskirche, Christuskirche, Lukaskirche, Martin-Luther-Kirche, Münster,
Paul-Gerhardt-Kirche (wurde 2007 abgerissen und wich Eigentumswohnungen) und Pauluskirche. Die gewählten Vertreter
dieser sechs Kirchengemeinden bilden den Gesamtkirchengemeinderat Ulm. Dieser repräsentiert 21.561 Gemeindeglieder (Stand 2006) und trägt die Verantwortung für das evangelische kirchliche Leben in der Stadt. Die Katholiken in der Stadt
gehörten anfangs zum Bistum Konstanz, später zum Bistum Augsburg und ab 1817 zum Generalvikariat Rottenburg, aus dem später das Bistum Rottenburg und dann das bis heute bestehende Bistum Rottenburg-Stuttgart hervorgingen. Mit der Eingemeindung umliegender katholischer Orte veränderte sich das Gewicht zwischen evangelischen und katholischen Christen. Heute beträgt der Anteil der Katholiken
an der Gesamtbevölkerung 35,0 %, zum protestantischen Glauben bekennen sich 25,5 % (Stand: 2012[38]).
Seit dem Ende des Eisernen Vorhangs verzeichnete Ulm eine große Zuwanderung osteuropäischer Bevölkerungsgruppen, von denen ein großer Anteil verschiedenen orthodoxen Kirchen angehört. Die in den letzten Jahren stark angewachsene russisch-orthodoxe Gemeinde Ulms nutzt für ihre Gottesdienste neben der Valentinskapelle („Schmalzhäusle“) auf dem südlichen
Münsterplatz auch das von ihr 2007 übernommene, ehemals baptistische Gemeindezentrum am Judenhof. Außerdem
gibt es eine Anzahl evangelisch-methodistischer Christen; 2012 schlossen sich die beiden methodistischen
Gemeinden Ulms zur „EmK Ulm“ zusammen. Die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde
Ulm hat ihr Gemeindehaus in Neu-Ulm. Des Weiteren finden sich in Ulm zum Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden gehörende Gemeinden der
Ecclesia und der Volksmission, eine Freie Evangelische Gemeinde,
eine Gemeinde der Adventisten und eine Versammlung des Süddeutschen Gemeinschaftsverbandes. Die Apostolische Gemeinschaft nutzt eine ehemalige Friedhofskapelle in der Innenstadt. Die Neuapostolische
Kirche, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
sowie die Zeugen Jehovas sind ebenfalls mit eigenen Gemeinden und Gotteshäusern in Ulm vertreten. Die Mitglieder der Alt-Katholischen Kirche gehören zur Augsburger Gemeinde und halten ihre Gottesdienste in Senden ab. Die Jüdische Gemeinde Ulm hat eine lange und wechselhafte
Geschichte. Seit dem Mittelalter gab es in Ulm eine jüdische Gemeinde (1241/42 erstmals belegt) mit einer Synagoge im Judenhof. Während der Pest
1349 wurden die Juden verfolgt und ihre Gemeinde nahezu vernichtet. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts siedelten sich erneut Juden an, die
große wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt hatten, doch 1499 aus der Stadt gewiesen wurden. Erst ab 1806 konnten Juden wieder zuziehen. Seit 1889 war Ulm Sitz eines Rabbinats. Die höchste Zahl wurde um 1880 mit 694 jüdischgläubigen Personen erreicht. 1933 lebten rund 530 Juden in Ulm. Diese wurden größtenteils durch Enteignung und andere Verfolgung von Seiten städtischer
Institutionen und Mitbürger in die Emigration gedrängt. 141 Mitbürger, der Rest der jüdischen Einwohner, wurden durch die Behörden der Stadt zum Abtransport (Deportation) in die Vernichtungslager gezwungen. 121 jüdische Mitbürger wurden dort ermordet.
Nach dem Kriegsende gab es kein jüdisches Leben mehr in Ulm.[39] Erst seit 1990 zogen
mit den Aussiedlern aus Osteuropa wieder vermehrt Juden nach Ulm, die seit 1999 auch wieder von einem Rabbiner betreut werden. Die jüdische Gemeinde umfasst heute ca. 450 Ulmer Bürger. Ein Zuzug jüdischer Migranten nach Ulm wird laut Vorstand
der IRGW (Mai 2008) durch eine verstärkte
Zuweisung jüdischer Neuzuwanderer erfolgen.[40] 2002 wurde die jüdische Gemeinde als
Filialgemeinde von Stuttgart neu gegründet und am 5. Mai des gleichen Jahres ein neues jüdisches Gemeindezentrum mit einem Gebetsraum eingeweiht, der erste seit Zerstörung der Synagoge 1938. Am 2. Dezember 2012 wurde die neue Synagoge der jüdischen Gemeinde Ulms an nahezu derselben Stelle wie die 1938 zerstörte Alte Synagoge eingeweiht.[41] In Ulm besteht außer dem
stillgelegten alten jüdischen Friedhof, an den seit 1987 ein Gedenkstein erinnert, eine jüdische Abteilung auf dem Stadtfriedhof.
In Ulm bestehen mehrere Moscheen, darunter eine neu errichtete in der Weststadt mit einem Gebetsraum für 400 Männer und 30 Frauenplätze
auf einer Empore, außerdem einem Versammlungsraum für 600 Menschen sowie Minarett und Kuppeln. 2007 kam es zu Aufsehen wegen eines fundamentalistisch radikalisierten Teiles muslimischer Ulmer, der dem Islamischen Informationszentrum (IIZ) nahestand. Zu dessen Vorstand gehörten zwei Männer, die in Tschetschenien mit der Waffe kämpften
und dabei getötet wurden; einer der drei Männer, die im September 2007 verhaftet wurden, weil sie Terroranschläge in Deutschland geplant hatten, war Mitglied des IIZ. Darüber hinaus wurden andere fundamentalistische Aktivisten mit dem IIZ
in Verbindung gebracht, was dort zu einer Razzia führte. Das IIZ kam einem geplanten Verbot zuvor und löste sich im Oktober 2007 selbst auf. Im IIZ verkehrte auch Khaled al-Masri, der am 11. September 2009 den Neu-Ulmer Oberbürgermeister Gerold Noerenberg in dessen Büro überfiel und schlug, so dass Noerenberg anschließend ärztlich versorgt werden musste. Salah Abdeslam, Hauptverdächtiger der Terroranschläge
vom 13. November 2015 in Paris, hielt sich in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 2015 in Ulm auf. Sein gemieteter Wagen wurde an einer Flüchtlingsunterkunft gesichtet. Dort holte er drei mutmaßliche Komplizen ab.[42][43] Ulmer Rathaus, links im Hintergrund die neue Zentralbibliothek (Glaspyramide) An der Spitze
der Stadt Ulm standen anfangs der „Ammann“ sowie der „Rat der Stadt“. Seit dem 13. Jahrhundert gab es neben dem Ammann einen Bürgermeister als Geschäftsführer des Rates, der ab 1345 den Vorsitz im Rat und die Leitung
der Stadt übernahm. Ab 1325 wurde den Zünften im „Kleinen Schwörbrief“ nach bürgerkriegsähnlichen Wirren mehr Mitspracherecht neben dem städtischen Patriziat, welches bis dahin allein die Politik bestimmte, eingeräumt.
Zwischen 1397 und 1547 sicherte der „Große Schwörbrief“ als „Verfassung“ der Reichsstadt den Zünften
die Mehrheit im Rat und den Zugang auch zu hohen städtischen Ämtern. 1547 wurden die im Große Schwörbrief garantierten Rechte der Zünfte durch Kaiser Karl V. aufgehoben und dem städtischen Adel (Patriziat) wieder die Mehrheit eingeräumt. Der Zugang zu höheren städtischen Ämtern war fortan Nichtadligen kaum mehr möglich. Ulm wurde de facto
zu einer Adelsrepublik. Ursprünglich 17 Patrizierfamilien wählten fortan den Bürgermeister und die hohen
Staatsbeamten aus ihren Reihen. Infolgedessen waren nahezu alle höheren staatlichen Ämter im Besitz des städtischen Patriziats, ehrenamtlich und auf ein bis zwei Jahre beschränkt. Nach ihrer Amtszeit galt für die vormaligen Amtsinhaber
(insbesondere die Bürgermeister) eine Art „Sperrfrist“, so dass jene, von Ausnahmen abgesehen, nicht unmittelbar zweimal nacheinander in das gleiche Amt gewählt werden konnten, wohl aber ein anderes Amt annehmen durften. 1802 wurde die
reichsstädtische Verfassung aufgehoben. Heute hat der Gemeinderat 40 Mitglieder. Der Oberbürgermeister wird direkt gewählt, jeweils für acht Jahre. Mit 68 scheidet er automatisch aus dem Amt. Gemeinderatswahl 2014 in Prozent 22,3 19,5 19,3
8,1 7,6 6,9 5,7 4,5
6,1 Gewinne und Verluste im Vergleich zu 2009 -0,8 +0,9
+0,9 -0,7 ± 0,0 -0,1 -0,2
-2,9 +2,9 Sitzverteilung im Gemeinderat Ergebnis der Wahl zum Gemeinderat am 25. Mai 2014: Partei | Stimmen in Prozent | | Anzahl der Sitze | |
CDU | 22,3 % | (−0,8) | 9 Sitze | (−1) | SPD | 19,5 % | (+0,9) | 8 Sitze | (±0) | Bündnis 90/Die Grünen | 19,3 % | (+0,9) | 7 Sitze | (±0) | Freie Wähler/FWG | 8,1 % | (−0,7) | 21 Sitze | (−1) | UWS |
7,6 % | (±0,0) | 3 Sitze | (±0) | FDP/DVP | 4,5 % |
(−2,9) | 2 Sitze | (−1) | WWG | 6,9 % |
(−0,1) | 3 Sitze | (±0) | UVL |
5,7 % | (−0,2) | 2 Sitze | (±0) | Die Linke | 4,2 % | (+1,0) | 2
Sitze | (+1) | Ulm hoch 3 | 1,9 % | (+1,9) | 1 Sitz |
(+1) | 1 Ursprünglich 3, Ralf Milde hat die FWG noch vor Bildung des neuen Gemeinderats verlassen und ist parteilos. FWG, UWS, WWG und UVL bilden zusammen die Fraktion
FWG. FDP und Ralf Milde bilden die Fraktion FDP. Grüne und Ulm hoch 3 bilden die Fraktion GRÜNE Fraktion Ulm3. → Ergebnisse der Kommunalwahlen in Ulm
Historisches Wappen mit Reichsadler im Ulmer Münster (von 1480)
| Blasonierung:
„Von Schwarz und Silber
geteilt.“ | Wappenbegründung: Die seit 1244 nachweisbaren
Siegel der Reichsstadt enthalten den Reichsadler,
der oben zeitweilig von einem Stern und einer Lilie begleitet ist. Der geteilte Schild als das eigentliche Stadtwappen ist seit 1351 in den Siegeln belegt, wo er zunächst in den Fängen des
Adlers, später als dessen Brustschild erscheint. Mit der Mediatisierung (nach 1803) fiel der Reichsadler weg, während das in farbigen Darstellungen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts überlieferte von Schwarz und Silber geteilte Stadtwappen, das bisher nicht sicher gedeutet
ist, weitergeführt wurde.[44] | Die Stadtflagge trägt
die Stadtfarben Schwarz-Weiß (Schwarz-Silber).
Ulm hat keine offizielle Partnerstadt. Es unterhält aber über einen Partnerschaftsverein seit 1986 eine De-facto-Städtepartnerschaft mit Jinotega in Nicaragua. Der Stadtteil Wiblingen unterhält eine Partnerschaft mit der französischen Stadt Argenton-sur-Creuse.
Im Juli 1998 haben in Ulm Repräsentanten aus 15 Donaustädten aus Anlass des „Ersten Internationalen Donaufestes“ eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, Motto: „Die Donau und ihre Städte – ein europäisches
Netzwerk der Zukunft“. Darin haben sie sich zu einer dauerhaften und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verpflichtet. Inzwischen entwickelten sich daraus feste Kontakte insbesondere zu folgenden Städten und Regionen in Südosteuropa (Donau-Partnerschaften):
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